Im Osten viel Neues! Ein florierender Markt und die zunehmende Vernetzung haben in Polen einen fruchtbaren Boden für Architektur und Design geschaffen. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht.

Warschaus wachsende Skyline zeugt von der neuen wirtschaftlichen Dynamik Polens. Architekten aus aller Welt wollen dabei sein. Złota 44, das höchste Wohngebäude des Landes, ist Daniel Libeskinds Beitrag zur Hauptstadt. Foto: Libeskind

Die Osterweiterung: Architektur und Design aus Polen schwer im Kommen | Aktuelles

Warschaus wachsende Skyline zeugt von der neuen wirtschaftlichen Dynamik Polens. Architekten aus aller Welt wollen dabei sein. Złota 44, das höchste Wohngebäude des Landes, ist Daniel Libeskinds Beitrag zur Hauptstadt. Foto: Libeskind

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Dreissig Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs haben sich nur wenige Länder des ehemaligen Ostblocks wirtschaftlich und kulturell besser entwickelt als Polen. Es ist das grösste und bevölkerungsreichste der Länder, die 2004 der Europäischen Union beigetreten sind und das einzige europäische Land, an dem die derzeitige Rezession bislang spurlos vorüber gezogen ist.

Auch in anderen Städten wurden spektakuläre Bauten von internationalen Architekten entworfen. Der Bałtyk Bürotower in Poznań mit seiner gestaffelten Silhouette von MVRDV aus den Niederlanden wurde von der Bevölkerung im vergangenen Jahr begeistert aufgenommen. Für die Stettiner Philharmonie mit ihren markanten Spitzgiebeln gewannen die in Barcelona ansässigen Italiener Barozzi und Veiga den Mies van der Rohe Award 2015.

Preisträger Seite an Seite: Die Stettiner Philharmonie von Barozzi Veiga steht neben dem von KWK Promes gestalteten Dialogzentrum Przełomy. Fotos: Hufton + Crow (oben), Juliusz Sokolowski (Mitte, unten)

Die Osterweiterung: Architektur und Design aus Polen schwer im Kommen | Aktuelles

Preisträger Seite an Seite: Die Stettiner Philharmonie von Barozzi Veiga steht neben dem von KWK Promes gestalteten Dialogzentrum Przełomy. Fotos: Hufton + Crow (oben), Juliusz Sokolowski (Mitte, unten)

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Aber auch die einheimischen Talente müssen keinen Vergleich scheuen – im Gegenteil! Nehmen wir nur das Dialogzentrum Przełomy von KWK Promes und Robert Konieczny in Stettin; der Ausstellungsraum zur Stadtgeschichte erhebt sich sanft fliessend aus dem Boden des Platzes und bildet mit der Philharmonie nebenan ein modernes städtebauliches Ensemble. Konieczny und KWK konnten hierfür 2016 den World Architecture Festival Award für das beste Gebäude gewinnen.

Auch kleinere polnische Städte interessieren sich für hochwertige Architektur. Der vom MVRDV entworfene Bürokomplex Bałtyk wurde für die markante Form und seinen Beitrag zum Stadtbild mehrfach ausgezeichnet. Fotos: Ossip van Duivenbode

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Auch kleinere polnische Städte interessieren sich für hochwertige Architektur. Der vom MVRDV entworfene Bürokomplex Bałtyk wurde für die markante Form und seinen Beitrag zum Stadtbild mehrfach ausgezeichnet. Fotos: Ossip van Duivenbode

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Aber auch die einheimischen Talente müssen keinen Vergleich scheuen – im Gegenteil! Nehmen wir nur das Dialogzentrum Przełomy von KWK Promes und Robert Konieczny in Stettin; der Ausstellungsraum zur Stadtgeschichte erhebt sich sanft fliessend aus dem Boden des Platzes und bildet mit der Philharmonie nebenan ein modernes städtebauliches Ensemble. Konieczny und KWK konnten hierfür 2016 den World Architecture Festival Award für das beste Gebäude gewinnen.

Der Entwurf von Studio Kwadrat für das Museum des Zweiten Weltkriegs in Gdańsk ist nicht nur ein mutiges architektonisches Statement, sondern auch ein neues Wahrzeichen und eine Gedenkstätte in Polens sechstgrößter Stadt. Fotos: Tomasz Kurek

Die Osterweiterung: Architektur und Design aus Polen schwer im Kommen | Aktuelles

Der Entwurf von Studio Kwadrat für das Museum des Zweiten Weltkriegs in Gdańsk ist nicht nur ein mutiges architektonisches Statement, sondern auch ein neues Wahrzeichen und eine Gedenkstätte in Polens sechstgrößter Stadt. Fotos: Tomasz Kurek

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Ein weiteres herausragendes Büro ist Centrala, für das Jakub Szczęsny "das schmalste Haus der Welt" – eine Kunstinstallation für den israelischen Schriftsteller Etgar Keret in Warschau – sowie eine Vielzahl innovativer und einzigartiger Wohnbauten für die wachsende Mittelschicht des Landes entworfen hat. Das in Gdynia ansässige Studio Kwadrat stellte zuletzt in der Hafenstadt Danzig ein Museum für den Zweiten Weltkrieg fertig. Das Gebäude besteht aus einem Band von unterirdischen Ausstellungsräumen, das sich um einen roten, schiefen Turm in der Mitte schlängelt.

Von Makro zu Mikro: Der Varso Tower von Norman Foster, das höchste Gebäude der EU, und das ultraschlanke Keret House des polnischen Studios Centrala. Renderings: Foster + Partners (oben) und Jakub Szczesny/Centrala (unten)

Die Osterweiterung: Architektur und Design aus Polen schwer im Kommen | Aktuelles

Von Makro zu Mikro: Der Varso Tower von Norman Foster, das höchste Gebäude der EU, und das ultraschlanke Keret House des polnischen Studios Centrala. Renderings: Foster + Partners (oben) und Jakub Szczesny/Centrala (unten)

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Bestens entwickelt haben sich ausserdem das polnische Produktdesign und die Herstellung. Polen öffenete sich nach 1989 der Welt und seine relativ preiswerten, aber hoch qualifizierten Arbeitskräfte zogen Investitionen an, die die lokale Möbelindustrie dringend benötigte. Einige Marken wie Balma, 1978 von Ryszard Balcerkiewicz gegründet, fanden in diesem Klima den perfekten Nährboden.

Die Sitzmöbel der polnischen Designmarke Noti's Termo, entworfen von Tomek Rygalik (oben), und das Sofa Rosco, installiert in Konieczny's Ark, Krakau (KWK Promes Architekten)

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Die Sitzmöbel der polnischen Designmarke Noti's Termo, entworfen von Tomek Rygalik (oben), und das Sofa Rosco, installiert in Konieczny's Ark, Krakau (KWK Promes Architekten)

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Balma war schon immer auf Möbel für den Arbeitsplatz spezialisiert. Mit ihren frühen Entwürfen für Computertische belieferte das Unternehmen erfolgreich die wachsenden polnische Firmen während und nach dem Übergang zur Marktwirtschaft. Dieser Erfolg brachte auch Noti hervor, eine Marke, die einen mutigeren, farbenfroheren und individuelleren Designansatz als Balma verfolgt und mit einigen der führenden polnischen Designer wie Tomek Rygalik und Piotr Kuchciński zusammenarbeitet. Beide Marken geniessen einen hervorragenden Ruf und wurden für ihre Entwürfe mehrfach mit dem Red Dot Award ausgezeichnet.

Oben: die Leuchte Genotype von Tomek Rygalik. Unten: Der Name des polnischen Design-Herstellers Comforty sagt alles

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Oben: die Leuchte Genotype von Tomek Rygalik. Unten: Der Name des polnischen Design-Herstellers Comforty sagt alles

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Natürlich arbeiten viele polnische Hersteller auch intensiv mit internationalen Designern zusammen. Comforty ist einer der führenden Polstermöbelhersteller des Landes und arbeitet mit einheimischen Talenten, aber auch mit Studios wie Anderssen & Voll aus Oslo, Lucidi Pevere und dem legendären Alessandro Mendini. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Profim mit seinen Möbeln für den Arbeitsplatz. Die Kollektionen Mickey und Violle, entworfen vom deutschen Büro ITO Design, holten den Deutschen Designpreis 2018 nach Polen – ein grosser Wurf für das Unternehmen.

Oben: ITO Design's Tisch Sam für Profim. Mitte und unten: Der Chic 20H Stuhl von Christophe Pillet und der Mickey Arbeitshocker von ITO Design, auch für das polnische Unternehmen

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Oben: ITO Design's Tisch Sam für Profim. Mitte und unten: Der Chic 20H Stuhl von Christophe Pillet und der Mickey Arbeitshocker von ITO Design, auch für das polnische Unternehmen

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Der polnische Markt öffnet sich zudem immer weiter für Designer-Brands. Take Tre zum Beispiel verkauft minimalistische Produkte, die sorgfältig von Tomek und Gosia Rygalik kuratiert wurden. Die beiden betreiben auch ein erfolgreiches Designstudio und beauftragen vor allem junge, aufstrebende Designer wie David Derksen, Daisuke Kitagawa und Aleksandra Swecz mit dem Entwurf unterschiedlichster Produkte wie Karaffen, Kerzenständer und Schneidebretter.

Unter dem sorgfältigen kuratorischen Blick von Tomek und Gosia Rygalik produziert die polnische Marke Tre minimalistische Produkte, die von aufstrebenden Designern wie David Derksen, Daisuke Kitagawa und Aleksandra Swecz entworfen wurden

Die Osterweiterung: Architektur und Design aus Polen schwer im Kommen | Aktuelles

Unter dem sorgfältigen kuratorischen Blick von Tomek und Gosia Rygalik produziert die polnische Marke Tre minimalistische Produkte, die von aufstrebenden Designern wie David Derksen, Daisuke Kitagawa und Aleksandra Swecz entworfen wurden

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Eine weitere Erfolgsgeschichte schreibt Oskar Zięta. Wie Tomek Rygalik hattet auch Zięta schon längere Zeit im In- und Ausland gearbeitet. 2003 entwickelte er an der ETH Zürich ein neuartiges Verfahren zur Formung von Metallmöbeln mittels Druck von innen. Die hieraus entstandenen Hocker, Tischgestelle und Spiegel hatten internationalen Erfolg und führten zu zahlreichen weiteren experimentellen Kollektionen, sowohl in Metall als auch in Holz.

In den Bereichen Architektur und Design konnte Polen sein Image aus Zeiten des Kalten Krieges mittlerweile erfolgreich abschütteln und sich in beiden Disziplinen zu einer Hochburg für formale und technische Innovationen entwickeln.

Die unverwechselbaren Formen von Oskar Zięta's bahnbrechenden, 'aufgeblasenen' Metallmöbeln entstehen durch den Einsatz von 'free inner pressure forming'

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Die unverwechselbaren Formen von Oskar Zięta's bahnbrechenden, 'aufgeblasenen' Metallmöbeln entstehen durch den Einsatz von 'free inner pressure forming'

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