Die Techtextil in Frankfurt am Main ist die internationale Leitmesse für technische Textilien und Vliesstoffe. Vom 4. bis zum 7. Mai 2015 hat die komplexe Branche mit zahllosen Produkten für industrielle Fertigungsprozesse ihren grossen Auftritt. Für Architekten bietet sich die beste Möglichkeit sich über die Anwendung von Hightech-Textilien im Hochbau zu informieren. Dächer sind dabei das klassische Einsatzgebiet.

Die Konya Torku Arena bietet über 42 000 Besuchern einen überdachten Sitzplatz. Dach- und Fassadenfläche formen eine einheitliche Umhüllung aus grünen und weissen Dreiecken

Textile Dächer: State of the Art auf der Techtextil 2015 | Sport & Freizeit

Die Konya Torku Arena bietet über 42 000 Besuchern einen überdachten Sitzplatz. Dach- und Fassadenfläche formen eine einheitliche Umhüllung aus grünen und weissen Dreiecken

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Besonders weite Überdeckungen belegen das Leistungsspektrum der Hersteller und Verarbeiter dieser Gewebe. Neben zahlreichen konstruktiven Vorzügen, bietet das textile Bauen zudem eine grosse Individualität. Textile Bauelemente sind immer massgeschneidert; das macht sie für Architekten so interessant. Eine zielführende Zusammenarbeit mit den jeweiligen Unternehmen garantiert darüber hinaus beste Ergebnisse.

Wie eine flachgewölbte Bogenhalle liegt das transluzente Dach der „Rhein-Galerie“ über dem Baukörper. Lediglich zwei kleine ovale Dachflächen blieben offen zur Belichtung darunter befindlicher Innenhöfe; Foto: ECE/CENO Membrane Technology

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Wie eine flachgewölbte Bogenhalle liegt das transluzente Dach der „Rhein-Galerie“ über dem Baukörper. Lediglich zwei kleine ovale Dachflächen blieben offen zur Belichtung darunter befindlicher Innenhöfe; Foto: ECE/CENO Membrane Technology

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Ein weisses Objekt am Fluss

Denkt man an textile Architektur, dann zuerst an markante Dachkonstruktionen. Spektakulär in vielfacher Hinsicht waren bereits vor Jahrzehnten Dächer, die die modernen materialtechnischen Möglichkeiten zur Aufführung brachten und damit zugleich eine ganz neue Ästhetik etablierten. Dieses Potenzial des revolutionär Anderen wohnt nach wie vor auch aktuellen Dachkonstruktionen inne und noch immer markieren solche Objekte zeichenhaft urbane, gesellschaftliche oder kulturelle Brennpunkte.

Ein herausragendes Beispiel dafür ist die vor wenigen Jahren fertiggestellte „Rhein-Galerie“ in Ludwigshafen von ECE-Architekten aus Hamburg. Die exponierte Lage im ehemaligen Hafenareal direkt am und parallel zum Rheinufer unterstützt die ohnehin beeindruckende Konstruktion in ihrer angemessenen Selbstinszenierung. Wie eine weite flach gewölbte Bogenhalle nimmt das textile Dach den eigentlichen Baukörper in Schutz, der auf zwei Ebenen rund 30 000 Quadratmeter Einkaufs- und Gastronomiefläche bietet. Aus allen Perspektiven zeigt das weisse Dach die typische Spannung einer Membran, das elegante sanfte Auf und Ab zwischen den Stahlträgern. So weit und hoch sich die südliche Giebelfront öffnet und damit den Haupteingang markiert, so tief reicht die Konstruktion an den Längsseiten herab und erzeugt mit einer gleichmässigen Wellenbewegung eine ruhige Dynamik. Von der gegenüberliegenden Flussseite erfasst man die Gesamtgestalt am besten.

Die Südansicht zeigt den Haupteingang zwischen zwei hervortretenden Gebäudeteilen und gibt den Blick unter die dreischiffige Dachkonstruktion frei; Foto: ECE/CENO Membrane Technology

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Die Südansicht zeigt den Haupteingang zwischen zwei hervortretenden Gebäudeteilen und gibt den Blick unter die dreischiffige Dachkonstruktion frei; Foto: ECE/CENO Membrane Technology

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Realisiert wurde die Membran mit einem hochwertigen PTFE-(Teflon) beschichteten Glasgewebe, auf dem der Regen jede normale Verschmutzung wegwäscht. Das weisse Dach bleibt also weiss, garantiert zum einen die gewünschte Lichtdurchlässigkeit und zum anderen einen Reflexionsgrad, der eine Aufheizung des Dachraumes deutlich reduziert. Aus der dreidimensional geschwungenen Stahlrohrkonstruktion ergeben sich 68 Einzelflächen oder mechanisch vorgespannte Membranfelder. Eine wesentliche Aufgabe für das Sattler-Tochterunternehmen Ceno Tec GmbH aus Greven bestand darin, diese 68 Membranfelder mit Grössen zwischen 70 und 380 Quadratmetern passgenau vorzufertigen, so dass die Montage ohne weitere Anpassungsarbeiten erfolgen konnte. Ein 3-D-Modell des Stahlbauers mit gemeinsam festgelegten Fertigungstoleranzen war die Basis dieser Vorfertigung. Im Vorfeld der Konfektionierung wurden ausserdem biaxiale Testreihen zur Ermittlung der Dehneigenschaften und der daraus resultierenden Vorspannung des Materials durchgeführt.

Der Montageablauf bei weiten Konstruktionen stellt immer eine Herausforderung dar. Hier ging es zum Beispiel auch um die Knickempfindlichkeit des beschichteten Glasgewebes. Es wurde daher feldweise auf einem Gurtnetz ausgebreitet und erst dann allseitig befestigt und sukzessive vorgespannt. Abschliessend ging es an die Montage der Aluprofile mit ihren Dichtungslippen. Für die rund 24 000 Quadratmeter überdachte Grundfläche verarbeitete man innerhalb von acht Monaten etwa 33 000 Quadratmeter Material.

Aus allen Blickwinkeln gleich perfekt dominiert der Stadionneubau das umgebende Areal und vermeidet mit seiner kristallin gebrochenen Oberfläche schon im Ansatz Maßstabslosigkeit

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Aus allen Blickwinkeln gleich perfekt dominiert der Stadionneubau das umgebende Areal und vermeidet mit seiner kristallin gebrochenen Oberfläche schon im Ansatz Maßstabslosigkeit

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... wir brauchen mehr Grün

Bringt man textile Materialien zum Einsatz entsteht unter Umständen etwas ganz Ungewohntes. Bei Stadien zum Beispiel kann der Unterschied zwischen Dach und Fassade vollständig aufgelöst werden. Es entsteht dann bezogen auf seine optische Wirkung weniger ein Bauwerk im traditionellen Sinn als vielmehr ein Objekt – ein Objekt mit enormer Strahl- und Anziehungskraft, das einen ganzen Stadtteil dominiert. Gelungen ist das dem türkischen Planerteam Bahadir Kul Architekten aus Istanbul mit dem Konya-Stadion in Konya, rund 200 Kilometer südlich von Ankara. Die Multifunktionsarena im Vorstadtgürtel der siebtgrössten Stadt der Türkei gehört zu einem weitläufigen Sportstätten-Komplex, dem sogenannten Konya Olympic Village. Es bietet gut 42 000 überdachte Sitzplätze. Seine allseitig abgerundete Grossform wird strukturiert von einer Vielzahl unregelmässiger Dreieckflächen in den Farben Weiss und Grün. 76 000 Quadratmeter des Gewebes Valmex FR 1400 Mehatop F Type IV wurden von der Mehler Texnologies GmbH aus Hückelhoven farbig beschichtet und konfektioniert.

Weiss und Grün sind die Farben des örtlichen Fussballvereins. Das Grün ist nicht irgendein Grün. Da selbst eine RAL-Farbe auf Gewebe anders aussieht als im Fächer, musste experimentiert werden, bis der richtige Farbton gefunden war; ein Prozess, den man nicht mit dem Abmischen eines Farbgebindes im Baumarkt verwechseln darf. Und passen musste es in jedem Fall, denn farbige Membranbeschichtungen werden produktionsbedingt auf Bahnen von 2 000 Metern Länge aufgebracht.

Von diesen grünen Dreiecken, so hatte es der Vereinspräsident zu einem kritischen Zeitpunkt entschieden, benötige man deutlich mehr. Die Mehler-Texnologies GmbH produzierte nach und der Termin konnte gehalten werden

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Von diesen grünen Dreiecken, so hatte es der Vereinspräsident zu einem kritischen Zeitpunkt entschieden, benötige man deutlich mehr. Die Mehler-Texnologies GmbH produzierte nach und der Termin konnte gehalten werden

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Beim Konya-Stadion mischte sich zu einem eigenwilligen Zeitpunkt der Vereinspräsident ein. Er bestand auf eine deutliche Erhöhung des Grünanteiles an Dach und Fassade. Damit ergab sich ein logistisches Problem, in dessen Folge das Auftragsmanagement beweisen konnte, wie flexibel Mehler auf Herausforderungen reagiert. Es musste Grün nachproduziert werden. Kein technisches Problem im eigentlichen Sinn also, aber ein logistisches, denn der Fertigstellungstermin für das Stadion stand nicht zur Diskussion. Bei allem muss man wissen, dass die Qualität der Beschichtung über die Qualität der gesamten Hülle entscheidet. Die einzelnen Flächen werden verschweisst, nicht vernäht; das bedeutet, die Übertragung aller Kräfte in der Fläche hängt von den Hafteigenschaften der farbigen Beschichtung auf der Membran ab, denn die Verschweissung bindet ja nur die beiden beteiligten Oberflächen aneinander.

Es hat schliesslich alles ins vorgeschriebene Zeitfenster gepasst und das Stadion erfüllt seit einem Jahr alle gestellten Erwartungen. Die Forderung nach mehr Grün hat sich schnell als akzeptable Konzeptänderung bestätigt. Alle Beteiligten mussten sich flexibel zeigen.

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