Strandhäuser sind die unangefochtene Königsdisziplin Architektur gewordener Sehnsucht, denn Meer geht immer.

Trotz minimalstem Grundriss bietet Crosson Architects' Hut on Sleds eine luftige Unterkunft für fünf Personen. Wird die Aussicht langweilig, kann sie dank Schlittengestell einfach geändert werden. Foto: Simon Devitt

Auf Sand gebaut: Strandhausarchitektur | Aktuelles

Trotz minimalstem Grundriss bietet Crosson Architects' Hut on Sleds eine luftige Unterkunft für fünf Personen. Wird die Aussicht langweilig, kann sie dank Schlittengestell einfach geändert werden. Foto: Simon Devitt

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Am 27. August 1965 ging Architekturlegende Le Corbusier schwimmen. Er kam nie wieder zurück.

Sein Tod durch Ertrinken am Strand von Roquebrune-Cap-Martin an der Côte d'Azur – knapp unterhalb von E-1027, der ikonischen modernistischen Villa, entworfen und gebaut von Eileen Gray in den 1920ern – war, natürlich, ein Unfall. Obwohl mancher ihn eine göttliche Strafe nennen mag. Oder zumindest Ironie. Weil Le Corbusier, sich bedroht fühlend, wie man sagt, von der Fähigkeit einer Frau, ein solch vollendetes Beispiel architektonischer Moderne zu materialisieren, zeitweilig seinen Wohnsitz in die Villa verlegte, sie gewissermassen annektierte und das Profil der Schöpferin zu verdrängen suchte.

Im Zuge der Aneignung schmückte (oder entstellte, je nach Blickwinkel) er zunächst die unberührten Innenwände während eines Aufenthaltes in den 1930ern mit dekorativen Wandmalereien. Später, nachdem er mit einem Kaufversuch (oder feindlichen Übernahmeangebot, je nach Blickwinkel) gescheitert war, entschied er sich, seine Cabanon des Vacances gleich nebenan zu errichten. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass E-1027 ein Strandhaus auf dramatisch umkämpftem Boden ist.

Die folgende Übersicht über kürzlich fertiggestellte Strandhaus-Projekte mag nicht mit biografischen Ränkespielen der Qualität des Gray'schen Ferienhauses an der Riviera aufwarten. Aber sie verdeutlicht, dass dieser bestimmte Gebäudetyp die Kraft hat, kreative Dramen auf die Bühne zu bringen, besonders hinsichtlich des Dialogs zwischen Innenraum und äusserer Kullisse – sei es durch die Erweiterung von Flächen, die Materialwahl oder die Rahmung des Blicks. Das Wasser vor den Häusern mag in ständiger Bewegung sein, sie selbst sind solide konzipiert.

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HOUSE ON A DUNE, HARBOUR ISLAND, BAHAMAS

Ultimative Querlüftung erwartet Gäste des House on a Dune von Oppenheim Architecture + Design auf den Bahamas. Versenkbare Glaswände zu beiden Seiten des Hauptraums sorgen für eine Brise der Superlative und beeindruckende Aussicht. Fotos: Karen Fuchs

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Ultimative Querlüftung erwartet Gäste des House on a Dune von Oppenheim Architecture + Design auf den Bahamas. Versenkbare Glaswände zu beiden Seiten des Hauptraums sorgen für eine Brise der Superlative und beeindruckende Aussicht. Fotos: Karen Fuchs

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Eine gut funktionierende Querlüftung – auf den Bahamas nie verkehrt – ist zentral für das House on a Dune des Oppenheim Architecture + Design Studio aus Miami. Das 300 Quadratmeter grosse Haus auf Harbour Island mit Front zum Strand verfügt über voll versenkbare Glaswände auf zwei gegenüberliegenden Seiten seines Hauptwohnraumes. Die Bewohner kommen in den Genuss ungebremster Luftzirkulation und unverstellter Panoramen. Zu einem grosszügigen Blick auf Meer, Himmel und Dschungel gesellt sich eine grosszügige Frischluftbrise.

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NORTH VAT, DUNGENESS, ENGLAND

Ein freiliegender Kiesstrand ist Kulisse für Rodić Davidson Architects' mit schwarzem Lärchenholz verkleidetes North Vat Strandhaus in Dungeness, England, das sich über drei separate, miteinander verbundene Hütten erstreckt. Fotos: Hélène Binet

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Ein freiliegender Kiesstrand ist Kulisse für Rodić Davidson Architects' mit schwarzem Lärchenholz verkleidetes North Vat Strandhaus in Dungeness, England, das sich über drei separate, miteinander verbundene Hütten erstreckt. Fotos: Hélène Binet

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Ortswechsel. In Dungeness, an der Südküste Englands, haben Rodić Davidson Architects eine alte Fischerhhütte am Kiesstrand vor der Stadt durch ein schwarz gefärbtes, zweistöckiges Haus ersetzt, das sich tapfer gegen die Elemente stemmt. Organisiert über drei separate, lärchenholzverkleidete Schrägdachhütten, die durch vollverglaste Korridore miteinander verbunden sind, präsentiert sich das Projekt in klar strukturierter Robustheit und gewährt seinen Bewohnern gleichzeitig einen offenen Blick auf die markante (oder kahle, je nach Blickwinkel) Landschaft der Umgebung.

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CASA EM UBATUBA, UBATUBA, BRASILIEN

Das Küstenhaus von SPBR Arquitetos in Ubatuba, Brasilien, verbindet Strand- mit Strassenniveau. 28 Meter durch die üppige, tropische Vegetation gestützt auf drei tragende Betonpfeiler. Fotos: Nelson Kon

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Das Küstenhaus von SPBR Arquitetos in Ubatuba, Brasilien, verbindet Strand- mit Strassenniveau. 28 Meter durch die üppige, tropische Vegetation gestützt auf drei tragende Betonpfeiler. Fotos: Nelson Kon

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Klammert sich das Dungeness-Projekt eher an den Boden, dann reckt sich die Casa em Ubatuba in Ubatuba (Brasilien) frei in den Himmel. Der Bau von SPBR Arquitetos am Tenorio Beach fügt sich elegant in die grüne Topographie des Geländes und erhebt sich, gestützt durch drei tragende Stahlbetonsäulen, auf eine Höhe von 28 Metern, um sich über eine Brücke mit der Strasse zu verbinden. Die Ausführung über mehrere Etagen mit einer sonnenverwöhnten, poolgesättigten Dachterrasse und den unteren Einheiten mit Seitenwänden aus verglasten Betonplatten, die Schlaf-, Wohn- und andere Zimmer definieren schafft Aussichten. Aussichten raus auf das Meer, hoch in die Berge und direkt in das üppige tropische Blätterwerk.

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OFFSET SHED HOUSE, NEUSEELAND

Schwarzes Wellblech ist Hauptbaumaterial für Irving Smith Architects offSET Shed House auf Neuseelands Nordinsel. Hohe Fenster maximieren die Lichtausbeute während der dunklen Winterzeit. Fotos: Patrick Reynolds

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Schwarzes Wellblech ist Hauptbaumaterial für Irving Smith Architects offSET Shed House auf Neuseelands Nordinsel. Hohe Fenster maximieren die Lichtausbeute während der dunklen Winterzeit. Fotos: Patrick Reynolds

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In Neuseeland weicht der Beton, der so eng mit der Sprache der brasilianischen Moderne verbunden ist, schwarzem Wellblech für den Bau des offSET Shed House in der Nähe von Gisborne auf der Nordinsel des Landes. Die Ästhetik entfaltet sich hier aus der Verbindung von utilitaristischem und poetischem Ansatz, mit Tageslicht, das über versenkbare Fenster ins Innere flutet, Türen die zu äusseren Wohnbereichen führen und Hochfenstern, die in den langen Wintermonaten dem spärlichen Licht des Nordens noch ein paar Photonen mehr abschwatzen.

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HUT ON SLEDS, WHANGAPOUA BEACH, COROMANDEL PENINSULA, NEUSEELAND

Crosson Architects' Hut on Sleds in Neuseeland hat verglaste Stahltüren doppelter Höhe, die sich puppenstubenartig öffnen und einen nahtlosen Übergang zwischen innen und aussen schaffen. Fotos: Simon Devitt

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Crosson Architects' Hut on Sleds in Neuseeland hat verglaste Stahltüren doppelter Höhe, die sich puppenstubenartig öffnen und einen nahtlosen Übergang zwischen innen und aussen schaffen. Fotos: Simon Devitt

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Aber es gibt viele Arten eine Kiwi zu schälen. Nimm irgendeinen Strand in Neuseeland, geh in die Dünen und vielleicht findest du Crosson Architects' Hut on Sleds, die dank cleverer Raumaufteilung auf 40 Quadratmetern ausreichend Platz für eine fünfköpfige Familie bietet. Das zweistöckige, nicht immobile Gebäude steht auf zwei grossen Holzkufen. Die Schnittstelle zwischen Innen und Aussen wurde als eine Art riesiger Fensterladen realisiert, der nach oben geöffnet ein stolzes Vordach bildet. Darunter geben hohe, stahlgerahmte Glastüren den Blick auf das kompakte, puppenhausartige Interieur des Hauses frei, dessen Zwischengeschoss über eine wandmontierte Leiter erreichbar ist.

Wenn die altbekannte These "life's a beach" richtig ist, sollte man dann nicht schleunigst anfangen etwas in den Sand zu setzen?

© Architonic