Nachhaltiges Design wird angesichts einer unsicheren globalen Zukunft immer dringender. Aber wie sieht der Wechsel zur Klimafreundlichkeit im Firmenalltag aus? Giuseppe Pedrali, CEO des gleichnamigen italienischen Möbelspezialisten, sagt es uns.

Pedrali-CEO Giuseppe Pedrali: „Unternehmen laufen zunehmend Gefahr, in Greenwashing verwickelt zu werden. Die einzige Möglichkeit, dies zu vermeiden, besteht darin, konkrete und zertifizierte Daten zu erhalten”. Foto: © Antonio Campanella

„Wir müssen grüne Entscheidungen zu einem Identitätsmerkmal der Unternehmenskultur machen": Pedrali | Aktuelles

Pedrali-CEO Giuseppe Pedrali: „Unternehmen laufen zunehmend Gefahr, in Greenwashing verwickelt zu werden. Die einzige Möglichkeit, dies zu vermeiden, besteht darin, konkrete und zertifizierte Daten zu erhalten”. Foto: © Antonio Campanella

×

„Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht” ist vielleicht ein besonders treffendes Sprichwort, um den aufkeimenden Diskurs über Nachhaltigkeit in der Designbranche zu beschreiben.

Der Klimawandel ist das drängendste, existenzielle Problem unserer Zeit, und die Hersteller von Möbeln und Leuchten versuchen, uns von ihrer Umweltfreundlichkeit zu überzeugen. Was bis vor einigen Jahren oft nur ein Lippenbekenntnis war, ein nachträglicher Marketing-Zusatz, wird heute zunehmend auf der Basis von Daten und Fakten kommuniziert. Aus Worten werden Zahlen. Und doch ...

Das Problem, das man als Hersteller hat, wenn man seine eigenen Hausaufgaben macht, ist eins der Glaubwürdigkeit. Niemand will Designmarken davon abhalten, transparenter zu sein, aber wenn Sie Ihre eigenen Kennzahlen und Standards veröffentlichen, setzen Sie sich schnell dem Vorwurf des Greenwashings aus.

Die Antwort darauf ist, diese Bewertung in Form von international anerkannten Zertifizierungssystemen auszulagern, bei denen die gesetzten Standards, nun ja, Standard sind. Der grosse italienische Hersteller Pedrali, der seit langem stolz auf sein Engagement für die industrielle Produktion in Verbindung mit handwerklicher Tradition ist, ist in dieser Hinsicht kein Newcomer. Seit Jahren optimiert das Unternehmen seine Betriebsabläufe durch ein unermüdliches Umwelt-Benchmarking, bei dem Geld im Spiel ist. Pedrali CEO Giuseppe Pedrali erklärt ...

Innen grün, aussen grün: die hochmoderne, von Cino Zucchi entworfene Logistikanlage in Bergamo ist ein Zeichen für Pedralis strategisches und langfristiges Engagement für ökologische Nachhaltigkeit. Foto: © F. Romano

„Wir müssen grüne Entscheidungen zu einem Identitätsmerkmal der Unternehmenskultur machen": Pedrali | Aktuelles

Innen grün, aussen grün: die hochmoderne, von Cino Zucchi entworfene Logistikanlage in Bergamo ist ein Zeichen für Pedralis strategisches und langfristiges Engagement für ökologische Nachhaltigkeit. Foto: © F. Romano

×

Architonic: Was bedeutet diese neueste Zertifizierung genau?

Giuseppe Pedrali: Die Bewertung des Corporate Carbon Footprint misst die gesamten Treibhausgasemissionen (THG) in Tonnen CO2-Äquivalenten, die direkt und indirekt durch die Geschäftstätigkeit des Unternehmens in einem bestimmten Zeitraum entstehen.

Die Bewertung bezieht sich auf die Produktionsaktivitäten von Pedrali in den Jahren 2018 und 2019 an zwei Standorten: Mornico al Serio, in der Provinz Bergamo, wo Metall-, Kunststoff- und Polstermöbel hergestellt werden, und Manzano, in der Provinz Udine, wo Holzmöbel produziert werden. Nach Abschluss der Bewertung des Corporate Carbon Footprint hat Pedrali die Zertifizierung nach der Norm UNI EN ISO 14064-1:2019 erhalten. Eine neue Bewertung für die Jahre 2020 und 2021 ist derzeit im Gange.

AT: Wie sah das Verfahren zur Erlangung des Zertifikats aus?

GP: Um die Gesamtmenge der erzeugten Treibhausgasemissionen zu messen, wird zunächst eine eingehende Analyse der Umweltleistung des Unternehmens durchgeführt, bei der die wichtigsten Emissionsquellen des gesamten Produktionszyklus ermittelt und quantifiziert werden.

Wir haben eine unabhängige Zertifizierungsstelle, die CSQA, mit der Validierung und Zertifizierung der Bewertung beauftragt, um die Korrektheit und Transparenz der Ergebnisse zu gewährleisten.

2020 werden die ersten Pedrali-Kollektionen aus 100% recyceltem Kunststoff auf den Markt gebracht: 50% des Materials stammen aus Post-Consumer-Abfällen, die andere Hälfte aus Industrieabfällen

„Wir müssen grüne Entscheidungen zu einem Identitätsmerkmal der Unternehmenskultur machen": Pedrali | Aktuelles

2020 werden die ersten Pedrali-Kollektionen aus 100% recyceltem Kunststoff auf den Markt gebracht: 50% des Materials stammen aus Post-Consumer-Abfällen, die andere Hälfte aus Industrieabfällen

×

AT: Warum war es für Pedrali wichtig, diese Zertifizierung zu erhalten? Wie passt sie in die Strategie Ihres Unternehmens?

GP: Diese Zertifizierung ist für uns sehr wertvoll, da wir durch die Analyse der von uns emittierten CO2-Menge die Auswirkungen unseres gesamten Produktionszyklus auf die Umwelt bestimmen können. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da es mit objektiv messbaren Daten möglich ist, Abfälle zu reduzieren, Effizienz zu steigern und gleichzeitig eine grüne Geschäftspolitik zu fördern, die auf konkreten und vergleichbaren Daten beruht.

Farben auf Wasserbasis, die grösstenteils aus pflanzlichen Harzen bestehen, sind seit langem Standard in der Produktion von Pedrali. Foto: © F. Romano

„Wir müssen grüne Entscheidungen zu einem Identitätsmerkmal der Unternehmenskultur machen": Pedrali | Aktuelles

Farben auf Wasserbasis, die grösstenteils aus pflanzlichen Harzen bestehen, sind seit langem Standard in der Produktion von Pedrali. Foto: © F. Romano

×

AT: Und welchen konkreten Nutzen hat dies für Architekten und andere Planer?

GP: Ich glaube, wenn ArchitektInnen sich dafür entscheiden, in ihre Projekte Produkte eines Unternehmens einzubeziehen, das konkrete Beweise eines Engagements für Nachhaltigkeit und die Zukunft des Planeten liefert, demonstrieren sie die Verantwortung ihrer Rolle. Wenn jeder von uns mit seinen eigenen Mitteln und Handlungen zu dieser „Wellness-Philosophie“ beiträgt, bestehen bessere Chancen, das Ziel des Umweltschutzes zu erreichen.


Wenn ArchitektInnen sich dafür entscheiden, in ihre Projekte Produkte eines Unternehmens einzubeziehen, das konkrete Beweise eines Engagements für Nachhaltigkeit liefert, demonstrieren sie die Verantwortung ihrer Rolle


Wir stellen langlebige Produkte her, sowohl in ästhetischer Hinsicht als auch in Bezug auf ihre Widerstandsfähigkeit. Schon in der Entwurfsphase werden die Pedrali-Möbel so konzipiert, dass sie zerlegbar sind und in Verfahren hergestellt werden, die den Verbrauch begrenzen. Die Holzkollektionen sind FSC® C114358-zertifiziert, was die Verwendung von Holz aus zertifizierten Wäldern bescheinigt, und werden mit Lacken auf Wasserbasis lackiert, die grösstenteils aus pflanzlichen Harzen bestehen, wodurch die Anwesenheit von chemischen Verbindungen im Vergleich zu herkömmlichen Lacken drastisch reduziert wird.

Darüber hinaus haben wir 2020 unsere ersten Kollektionen vorgestellt, die zu 100% aus recyceltem Kunststoff bestehen: 50% aus Kunststoffabfällen nach dem Gebrauch und 50% aus Kunststoffabfällen aus der Industrie.

„Sich zu einer Politik der sozialen Verantwortung zu verpflichten, bedeutet nicht nur, ‘grüne’ Entscheidungen in den Mittelpunkt der Produktion zu stellen, sondern sie zu einem Identitätsmerkmal der Unternehmenskultur zu machen”, argumentiert Pedrali

„Wir müssen grüne Entscheidungen zu einem Identitätsmerkmal der Unternehmenskultur machen": Pedrali | Aktuelles

„Sich zu einer Politik der sozialen Verantwortung zu verpflichten, bedeutet nicht nur, ‘grüne’ Entscheidungen in den Mittelpunkt der Produktion zu stellen, sondern sie zu einem Identitätsmerkmal der Unternehmenskultur zu machen”, argumentiert Pedrali

×

AT: Wie definiert Pedrali Nachhaltigkeit? Kann eine Produktion, die Energie, Materialien und andere Ressourcen verbraucht, überhaupt nachhaltig sein?

GP: Im Laufe der Jahre hat unser Unternehmen eine „grüne” Philosophie entwickelt, indem es Entscheidungen getroffen hat, die zeigen, dass der Respekt für die Umwelt zu einer festen Praxis geworden ist. Wir gehen von der Erkenntnis aus, dass in einer Zeit des Umbruchs, die durch eine exzessive Maximierung der verfügbaren Umweltressourcen gekennzeichnet ist, das Bekenntnis zu einer Politik der sozialen Verantwortung nicht nur bedeutet, „grüne“ Entscheidungen in den Mittelpunkt unserer Produktion und der Ethik unserer Produkte zu stellen, sondern sie zu einem identitätsstiftenden Merkmal der Unternehmenskultur und zu einem echten mittel- bis langfristigen Unternehmensziel zu machen.

AT: Was würden Sie Architekten und anderen Fachleuten raten, die verantwortungsvoll planen wollen?

GP: Immer Informationen zu sammeln, neugierig zu sein und eine aktive Rolle bei der Auswahl von Produkten und den damit verbundenen Informationen zu übernehmen. Unternehmen laufen zunehmend Gefahr, in Greenwashing verwickelt zu werden, und die einzige Möglichkeit, dies zu vermeiden, besteht darin, konkrete und zertifizierte Daten zu erhalten, die dabei helfen, kontinuierliche, überwachbare und somit erreichbare Verbesserungsziele zu definieren.

© Architonic

Erwähnte Profile