Ob wir im Büro kreativ, konzentriert und/oder produktiv arbeiten können, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Zum Auftakt der PALMBERG Intelligence Series – einer vom Büromöbelhersteller PALMBERG präsentierten, dreiteiligen Reihe – erklärt Timo Rieke, Experte für Farb- und Oberflächengestaltung, wie visuelle und taktile Aspekte die Arbeitsatmosphäre beeinflussen.

Farbe in ein Büro zu bringen bedeutet keineswegs, dass es dort bunt zugehen muss. Im Gegenteil: Mit dezenten Mitteln lässt sich beeinflussen, ob ein Arbeitsumfeld als harmonisch, inspirierend und lebendig wahrgenommen wird

Ein Spiel mit Nuancen: die PALMBERG Intelligence Series | Aktuelles

Farbe in ein Büro zu bringen bedeutet keineswegs, dass es dort bunt zugehen muss. Im Gegenteil: Mit dezenten Mitteln lässt sich beeinflussen, ob ein Arbeitsumfeld als harmonisch, inspirierend und lebendig wahrgenommen wird

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Timo Rieke nimmt es genau. Für den deutschen Designer und Professor für Farb- und Oberflächengestaltung an der Fakultät Gestaltung an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim sind weisse Seminarräume nicht einfach weiss, sondern „leicht gebrochen weiss“, präziser: RAL 110 90 05. Was machen Farbe und Oberfläche am Arbeitsplatz mit uns, wollten wir wissen. Und warum ist subtil besser als zu viel?


Pausen fühlen sich anders an als fokussierte Arbeit oder das kommunikative Kreativmeeting. Farbgestaltung kann das gezielt unterstützen


Kann ein visueller Effekt, z.B. das Imitat einer Holzoberfläche, in uns vergleichbare Emotionen hervorrufen wie das natürliche Original, ohne dabei dieselbe, erwartete taktile Eigenschaft zu besitzen? Als Vorstandsvorsitzender des Deutschen Farbenzentrums, Partner des Institute International Trendscouting an der HAWK und Design Director des 2004 gegründeten Visual Haptics Lab ist Timo Rieke solchen Fragen tagtäglich auf der Spur. Für Designer: innen und Architekt: innen hat er mit dem RAL Colour Feeling Trend Report ein Gestaltungstool konzipiert, das Inspiration für die physische genauso wie für die virtuelle Welt liefert.

Ob Altbauetage oder Büroneubau: Farbgestaltung und Haptik, Textilien und authentische Oberflächen erzeugen Atmosphäre. Timo Rieke empfiehlt kühlere Töne im Arbeitsbereich – hier: Candis Eiche und Blaubeer von Palmberg

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Ob Altbauetage oder Büroneubau: Farbgestaltung und Haptik, Textilien und authentische Oberflächen erzeugen Atmosphäre. Timo Rieke empfiehlt kühlere Töne im Arbeitsbereich – hier: Candis Eiche und Blaubeer von Palmberg

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Mit Ihrem Studio Visual Haptics Lab erforschen Sie Farbwirkung, aber auch taktile Aspekte in sämtlichen Lebensbereichen. Wir möchten uns aufs Büro konzentrieren. Wo arbeiten Sie selbst am häufigsten? Beschreiben Sie bitte Raum, Farbe, Oberfläche u.ä.

Ich arbeite im Studio, an der Hochschule und im Homeoffice. Inzwischen arbeite ich an der Hochschule lieber im Seminarraum als im Büro, weil der Raum weiter ist und lebendiger gestaltet, ausserdem komme ich so schneller in den Austausch mit Studierenden und Kolleg:innen. Immer haben meine Arbeitsräume eine andere Grösse, sind aber recht ähnlich angelegt. Da ich vor allem Farbe beurteilen muss, sind die Räume, in denen ich arbeite, eher weiss. Nicht hochweiss, sondern leicht gebrochen weiss (RAL 110 90 05). Damit wirken die Wände gestaltet, die Atmosphäre wird ruhiger und natürlicher. Der Raum bekommt einen Körper. Die Tischoberflächen sind sehr unterschiedlich. Am liebsten arbeite ich auf einer Platte aus Seekiefer mit einem aufgelegten Pad für die Tastatur und Maus. Für Collagen und Materialarbeit sind es helle Tische in Lichtgrau RAL 7035.

Neben seiner Funktion als Professor an der HAWK in Hildesheim ist Timo Rieke Vorstandsvorsitzender des Deutschen Farbenzentrums, Partner des Institut International Trendscouting an der HAWK und Design Director des 2004 gegründeten Visual Haptics Lab

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Neben seiner Funktion als Professor an der HAWK in Hildesheim ist Timo Rieke Vorstandsvorsitzender des Deutschen Farbenzentrums, Partner des Institut International Trendscouting an der HAWK und Design Director des 2004 gegründeten Visual Haptics Lab

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Was kann Wandfarbe im Büro erreichen? Raten Sie in aufgabenbezogenen Multi-Space-Konzepten zu differenzierter Farbgestaltung, je nachdem, ob es sich um einen Einzelarbeitsplatz, die informelle Couch- bzw. Meeting-Insel oder den Konferenzraum handelt?

Tatsächlich sind funktionsorientierte Farbkonzepte besonders im Bereich Büro sehr wichtig. Anders als monotone Bürokonzepte erzeugen sensibel und nuanciert eingestellte Farbprofile ein differenziertes, atmosphärisches Umfeld. Das ist zum Beispiel wichtig um den Arbeitstag bewusst zu gliedern und abwechslungsreich zu gestalten. Pausen fühlen sich anders an als fokussierte Arbeit oder das kommunikative Kreativmeeting. Farbgestaltung kann das gezielt unterstützen. Der Gang durch die verschiedenen Bereiche sollte sich anfühlen wie ein lebendiger Spaziergang. Im Arbeitsbereich sollte wenig ablenken und die Farben eher kühl wirken. Kommunikationsbereiche sind kontrastreicher, Pausenräume natürlicher und materialorientiert. Funktionsorientierte Farbkonzepte, die Farbtöne atmosphärisch einsetzen, führen zu besserer Identifikation mit dem Arbeitsumfeld und höherer Zufriedenheit. Die Sinne werden angeregt und wir werden wacher und leistungsfähiger.

„Gute Farbgestaltung ist häufig eher atmosphärischer Hintergrund als Vordergrund und hat zum Ziel, den Blick gezielt zu führen und Bereiche inhaltlich zu gliedern und zu ordnen“, so Timo Rieke

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„Gute Farbgestaltung ist häufig eher atmosphärischer Hintergrund als Vordergrund und hat zum Ziel, den Blick gezielt zu führen und Bereiche inhaltlich zu gliedern und zu ordnen“, so Timo Rieke

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Wie schätzen Sie Corporate-Farben im Interior ein?

Corporate Colours sollten im Innenraum sehr zurückhaltend eingesetzt werden. Das Logo auf dem Briefkopf ist meist auch eher klein. Logo-Farben sind häufig sehr bunt und diese Farbtöne eignen sich nicht für flächige, atmosphärische Farbgestaltung. Eine gute Farbgestaltung sollte sich an den Menschen orientieren, die in den Umfeldern arbeiten und nicht zuerst an der Markenfarbe. An strategischen Punkten wie im Eingangsbereich ist die Markenfarbe gut platziert, aber nicht in den Arbeitsräumen, in denen sich Menschen ganztags aufhalten. Auch nicht im Textilbezug der Sessel im Konferenzraum. Räume mit sehr starken Farben sind selbst so dynamisch, dass es alle weiteren Inhalte und Gliederungen schwer haben zu wirken. Die Konzentrationsfähigkeit sinkt in diesen Bereichen.


Farbtöne sollten vor allem harmonisch zusammenpassen und nur dann kontrastreich sein, wenn es bewusst und begründet geschieht


Gute Farbgestaltung ist häufig eher atmosphärischer Hintergrund als Vordergrund und hat zum Ziel, den Blick gezielt zu führen und Bereiche inhaltlich zu gliedern und zu ordnen. Das bedeutet Farbtöne zu wählen, die weniger bunt sind und natürlich anmuten. Die Farbtöne sollten vor allem harmonisch zusammenpassen und nur dann kontrastreich sein, wenn es bewusst und begründet geschieht. Zum Beispiel um technische Funktionen hervorzuheben oder Räume im Raum zu erzeugen. Dabei ist zu beachten, dass das Grasgrün in der Farbkarte nicht unbedingt eine natürliche Farbe ist, auch wenn es so benannt ist. Natürliche Farbtöne sind trüber und für den Innenraum viel heller eingestellt als das künstlich bunte Pigment des Grasgrüns. Hochbunte Farben, ob Rot, Grün oder Blau, wirken alle sehr dynamisch und lenken ab indem sie alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Gut geeignete Elemente für eine farbliche Akzentuierung sind etwa Schliessfächer oder Akustikpaneele, die gleichzeitig der Raumgliederung dienen können

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Gut geeignete Elemente für eine farbliche Akzentuierung sind etwa Schliessfächer oder Akustikpaneele, die gleichzeitig der Raumgliederung dienen können

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Es sind ja nicht nur die Wände, die farbig inszeniert werden können. Auch textile Details wie Vorhänge oder die Möbel selbst können Farbtöne ins Spiel bringen. Wie definieren Sie das richtige Mass, wann wird es zu bunt?

Möbel, Textilien oder akustische Elemente sind gute Möglichkeiten Farbe in Räume zu bringen. Am besten werden Innenräume, wenn Architekturfarbigkeit und Ausstattung aufeinander bezogen sind. Es gibt Designer: innen die sagen, dass es nicht zu bunt sein kann. Ich muss hier eine ausweichende Antwort geben und auf den Kontext der Bauaufgabe verweisen. Für manche Auftraggeber: innen ist Buntheit Teil der Marke und Lebensphilosophie. Für andere ist es Eleganz und Zurückhaltung.

Im Allgemeinen gesprochen kann ich mich aber wiederholen und sagen, dass es der Mensch ist, an dem sich eine Farbgebung orientieren sollte. In Büroumgebungen haben die Farbspektren hohe Akzeptanz, die natürlich sind, aber trotzdem abwechslungsreich. Farbspektren, die sich zurückhalten, wo sie sollen, und nur dort nach vorne spielen, wo sie müssen. Das richtige Mass entsteht im Prozess und in der Diskussion über Raumnutzungen und architektonische Gegebenheiten. Grosse Räume brauchen farbige, gliedernde Inseln wohingegen kleine Räume kontrastreiche Buntheit schlecht vertragen. Gut belichtete Räume brauchen eine andere Farbigkeit als Räume mit wenig natürlichem Licht.

Natürliche und trotzdem abwechslungsreiche Farbspektren haben eine hohe Akzeptanz in Büroumgebungen. „Farbspektren, die sich zurückhalten, wo sie sollen und nur dort nach vorne spielen, wo sie müssen“, sagt Timo Rieke

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Natürliche und trotzdem abwechslungsreiche Farbspektren haben eine hohe Akzeptanz in Büroumgebungen. „Farbspektren, die sich zurückhalten, wo sie sollen und nur dort nach vorne spielen, wo sie müssen“, sagt Timo Rieke

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Wenn wir über Farbe sprechen, sollten wir auch auf die Materialität im Büroumfeld blicken. Was erzeugen Holzoberflächen, Textilien, Metalle, Kunststoffe oder Linoleum in uns – sowohl in visueller als auch in haptischer Hinsicht?

Haptik und visueller Sinn hängen eng zusammen. Gut ist ein Material, dessen visuelle Erwartung auch durch die Haptik erfüllt werden kann oder übertroffen wird. Das ist bei Naturhölzern fast immer der Fall, es sei denn sie sind glänzend lackiert. Samtigkeit und Mattigkeit sind derzeit bestimmende Oberflächeneigenschaften. Nur bunt lackierte Oberflächen sind noch glänzend. Hochglanz ist kaum noch zu sehen. Die Haptik ist eine Art und Weise, sinnlich auf Menschen zu wirken.


Die Haptik in der Innenarchitektur oder im Interior Design ist so wichtig – reizlose Räume berühren mich nicht und bleiben mir fremd


Und wer ein Umfeld sinnlich spüren kann, tut sich leichter, sich mit ihm zu identifizieren. Wir können das Resonanz nennen. Wenn sich ein Material gut anfühlt, wird das Gefühl ein Teil von mir. Daher ist die Haptik in der Innenarchitektur oder im Interior Design so wichtig. Reizlose Räume berühren mich nicht und bleiben mir fremd. Das wollen nur die wenigsten Arbeitgeber:innen. Hölzer wirken wärmer und natürlicher als Metalle, die technisch, kalt und häufig wenig angenehm wirken. Das lässt sich natürlich gut einsetzen, um zu differenzieren. Farbe ist aber immer öfter auch die originäre Materialfarbe. Ungebleichte Stoffe und rezyklierte Kunststoffe haben häufig eine weniger standardisierte Farbigkeit. In Zukunft wird das sogar eher erwartet um eine sichtbare Argumentation hinsichtlich ressourcen- und umweltschonender Materialien zu erzeugen.

Timo Rieke: „Wer ein Umfeld sinnlich spüren kann, tut sich leichter, sich mit ihm zu identifizieren.“ Pausenbereiche oder informelle Lounges sollten dabei anders betrachtet werden als der Schreibtischplatz oder Meetingräume

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Timo Rieke: „Wer ein Umfeld sinnlich spüren kann, tut sich leichter, sich mit ihm zu identifizieren.“ Pausenbereiche oder informelle Lounges sollten dabei anders betrachtet werden als der Schreibtischplatz oder Meetingräume

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Spielt es dabei eine Rolle, ob zum Beispiel eine Holzoptik imitiert wird oder genügt manchmal schon der Eindruck davon?

Natürlich spielt das eine Rolle, denn Echtholz ist natürlich noch immer das Nonplusultra. Es ist authentisch, gewachsen, einzigartig und Teil der Natur – aber auch teuer und selten. Schichtstoffe helfen dabei einen ähnlichen Eindruck zu erzeugen und sind sehr unempfindlich, effektiver zu verarbeiten und häufig mit einer Oberflächenqualität versehen, die erstaunlich angenehm wirkt. Zusätzlich gibt es bessere Möglichkeiten hinsichtlich Flächigkeit, Rapport und zusätzlicher grafischer und haptischer Effekte. Verbunden mit ökologischen Plattenwaren und Klebstoffen sind Schichtstoffe eine gute Alternative zu echtem Holz, besonders wenn die Schichtstoffe nicht nur imitieren, sondern über die Eigenschaften echten Holzes hinaus gehen.

Einmal knapp zusammengefasst: In welchem Zusammenhang stehen Farbe und Haptik?

Eine Farbe, die wir sehen, erinnert uns häufig unbewusst an ein Material, das wir schon einmal gefühlt haben. Daher erwarten wir in der Farbe die Oberflächeninformation des Materials. In der richtigen Nuance erinnert Grün an eine Graswiese und wirkt daher saftig, feucht, leicht kitzelig und haptisch fein. Beige erinnert an Sand und wirkt trocken und rau, aber auch leicht. Die Lösung zur Bedeutung und Wirkung der Farben liegt unter anderem in der Verbindung von Haptik und Farbe.

© Architonic

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