Der September brachte uns die lange erwartete Markteinführung der Apple Watch. Über den möglichen Einfluss dieses Geräts auf so unterschiedliche Bereiche wie Unterhaltungselektronik, Mode und Gesundheit wurde schon viel geschrieben. Vergleicht man es mit anderen am Handgelenk tragbaren Minicomputern hebt es sich positiv von diesen ab.

Geremia Design für Dropbox

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Jenseits der Schlagzeilen um die Apple Watch und das iPhone 6 war es eine der subtileren Ankündigungen aus dem Reich der digitalen Dienste, die tatsächlich einen bahnbrechenden Einfluss auf unser zukünftiges Wohnen und Arbeiten haben könnte – doch davon später mehr…

Für den Augenblick konzentrieren wir uns auf die Raumwelten, in denen unsere digitale Zukunft Gestalt annimmt. In Kalifornien sind neben Apple einige der innovativsten Technologiefirmen zu Hause. Immer bestrebt, die talentiertesten Köpfe an sich zu binden und fruchtbare Bedingungen für Kreativität und Unternehmenswachstum zu offerieren, haben diese findigen Internetfirmen Arbeitsumgebungen geschaffen, die mindestens ebenso interessant sind wie die Dienstleistungen selbst.

Deutliche Markenreferenzen

Bei Instagram, dem Anbieter einer kostenlosen Foto-und Video-Sharing-App, der bekannt für vielfältige Verweise auf die Ästhetik der in den 1960er-Jahren populären Instamatic von Kodak mit ihren quadratischen Fotos ist, durchzieht ein spürbarer Retrogeist die Räume. Nach den Worten des Raumplanungsbüros Geremia Design stand diese Stilwelt Pate bei der Gestaltung der Büros: „Für die Arbeitsumgebungen bei Instagram haben wir uns im Design durch den Markenauftritt des Unternehmens inspirieren lassen. Das spiegelt sich in der speziell entworfenen Kaffeebar und den Möbelunikaten im Retrodesign wider.“ Andere einzigartige Details sind beispielsweise eine kuratierte Sammlung alter Fotoapparate, die im Eingangsbereich ausgestellt ist. Das Ergebnis ist eine Einrichtung, deren visuelle Marker unmittelbare Assoziationen zu Instagrams Markenwerten hervorrufen.

Geremia Design gibt den Räumen von Instagram, bekannt für vielfältige Verweise auf die Ästhetik der in den 1960er Jahren populären Instamatic von Kodak mit ihren quadratischen Fotos, einen spürbaren Retro-Touch

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Geremia Design gibt den Räumen von Instagram, bekannt für vielfältige Verweise auf die Ästhetik der in den 1960er Jahren populären Instamatic von Kodak mit ihren quadratischen Fotos, einen spürbaren Retro-Touch

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Ein weiterer erfolgreicher Online-Dienstleister ist Pinterest, eine 2010 von dem ehemaligen Architekten Evan Sharp gegründete Internetplattform zum Sammeln und Tauschen von Fotos. In nur vier Jahren vergrösserte sich das Unternehmen, das laut Selbstaussage „ein Ort ist, an dem Ideen für alle Projekt- und Interessensbereiche geboren werden“, von ursprünglich zwölf auf mittlerweile über 300 Mitarbeiter. Dieses rasante Unternehmenswachstum ist in nicht geringem Masse Evan Sharps Firmenmotto „immer hungrig bleiben“ geschuldet und das drückt sich auch in der neuen, über 4000 m² grossen Firmenzentrale im Stadtteil SoMa (South of Market) in San Francisco aus. „Die Inneneinrichtung vermittelt den Eindruck gut durchdachter Unfertigkeit. Wir wollten nicht, dass unsere Räume Erfolgsverwöhntheit, Selbstzufriedenheit oder Dekadenz ausstrahlen, wie das für mein Gefühl bei vielen Studios und Agenturen der Fall ist.“ Dementsprechend fehlen hier die stereotypischen Selbstpräsentationen.

Um das Firmenmotto „immer hungrig bleiben“ lebendig zu halten, beauftragte der Pinterest-Gründer First Office und All of the Above den Räumen eine Atmosphäre der Unfertigkeit zu verleihen

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Um das Firmenmotto „immer hungrig bleiben“ lebendig zu halten, beauftragte der Pinterest-Gründer First Office und All of the Above den Räumen eine Atmosphäre der Unfertigkeit zu verleihen

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Flexibel und zukunftsorientiert

Angesichts des immensen Wachstums internetbasierter Start-up-Unternehmen müssen die Räume, in denen diese arbeiten, nicht nur die sich ständig wachsenden Anzahl von Mitarbeitern aufnehmen, sondern sich auch den flexiblen und mobilen Arbeitsstrukturen anpassen können.

Das Filehosting-Unternehmen Dropbox wurde erst 2007 gegründet und hat gegenwärtig schon mehr als 175 Millionen Kunden. Der Unternehmenswert aus Kapitaleinlagen wurde kürzlich mit vier Milliarden US-Dollar angegeben und die Mitbegründer Drew Houston (30) und Arash Ferdowsi (27) findet man bei den Top Ten der von „Wealth-X“ jährlich erstellten Liste von amerikanischen Superreichen unter der Rubrik „die reichsten unterdreissigjährigen Technopreneurs“. Das Designerkollektiv Geremia Design, das die Büros von Instagram gestaltete, zeichnete auch für den ersten Firmensitz von Dropbox verantwortlich, der schon nach zwei Jahren wegen Platzmangel wieder aufgegeben werden musste. Für die Einrichtung der neuen, fast 7000 m² umfassenden Zentrale in San Francisco wandte man sich deshalb erneut an Geremia. Geremia: „Der unglaubliche Geschäftserfolg von Dropbox stellte für das Interior Design eine echte Herausforderung dar. Wir mussten uns von Anfang Gedanken darüber machen, wohin sich das Unternehmen entwickelt und welche Bedürfnisse damit einhergehen, so dass Flexibilität und Wachstumsmöglichkeiten inhärenter Bestandteil der Konzeption sind.“ In Zusammenarbeit mit Boor Bridges Architecture entwarfen die Designer einen Raumplan, mit dem die Mitarbeiter in der Manier von „Hackern“ entsprechend den jeweiligen aktuellen und zukünftigen Bedürfnissen und Anforderungen verfahren können.

Der unglaubliche Geschäftserfolg von Dropbox stellte für Geremia Design eine echte Herausforderung dar. Das zukünftige Wachstum musste bei der Gestaltung der Büroräume von vornherein berücksichtigt werden

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Der unglaubliche Geschäftserfolg von Dropbox stellte für Geremia Design eine echte Herausforderung dar. Das zukünftige Wachstum musste bei der Gestaltung der Büroräume von vornherein berücksichtigt werden

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Ein weiteres in San Francisco angesiedeltes Unternehmen ist Cisco, in einem von O+A Studio gestalteten, 1000 m² Bürofläche umfassenden Gebäude in Mission Bay, einem Stadtteil im Wandel. In den hellen und luftigen Räumen mit Blick auf die Bucht fungieren massgefertigte Einrichtungsgegenstände als Schlüsselelemente, die sich nach Belieben den individuellen Arbeitsformen anpassen lassen. Gruppenarbeit kann wahlweise im konventionellen Konferenzraum oder in abgesenkten Sofalandschaften stattfinden, für Gespräche im kleineren Kreis stehen moderne „Kokons“ zur Verfügung.

Heim, Gastfreundschaft und Gesundheit

Die Büroräume einiger der grössten Internetunternehmen sind weit mehr als lediglich ein Platz zum Arbeiten. Sie bieten ihren Mitarbeitern ein zweites Heim, eine Umgebung nicht nur zum Arbeiten, sondern auch zum Entspannen, zur Unterhaltung und zum Wiederaufladen von Körper und Geist.

Cisco, von O+A: Die Büroräume von Cisco in San Francisco, eingerichtet von Studio O+A, sind eine bunte Mischung unterschiedlich gestalteter, informeller Räume, in denen gemütliche Möbel zur Arbeit in Gruppen einladen

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Cisco, von O+A: Die Büroräume von Cisco in San Francisco, eingerichtet von Studio O+A, sind eine bunte Mischung unterschiedlich gestalteter, informeller Räume, in denen gemütliche Möbel zur Arbeit in Gruppen einladen

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Der von Gensler und Interior Design Fair gestaltete Geschäftssitz von Airbnb befindet sich in einem ausgehöhlten Lagerhaus, in dem an die 200 Mitarbeiter Platz finden. Das riesige, überdachte Atrium mit seiner zentralen Lounge für die Arbeit in grösseren Gruppen wird von einer sich über drei Stockwerke erstreckenden, dicht bepflanzten Wandinstallation von gsky dominiert. Im gesamten Gebäude verteilt finden sich Nachbildungen von bei Airbnb gelisteten Unterkünften, denn das Unternehmen verdient sein Geld mit der Vermittlung von unkonventionellen Übernachtungsmöglichkeiten bei Privatpersonen in der ganzen Welt, die über eine Internetplattform eingestellt gesucht und gebucht werden können. Vor diesem Hintergrund verfügt die Geschäftszentrale nicht nur über gemütliche Sitzungsräume und küchenähnlich gestaltete Kantinen, sie vermittelt den Mitarbeitern vor allem auch die Freiheit sich in den Räumen zu bewegen als seien sie hier zu Hause.

Gensler und Interior Design Fair stellten im Hauptsitz von Airbnb zahlreiche auf der Plattform gelistete Unterkünfte nach. Das riesige Atrium wird von einer sich über drei Stockwerke ziehenden, dicht bepflanzten Wandinstallation von Gsky dominiert

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Gensler und Interior Design Fair stellten im Hauptsitz von Airbnb zahlreiche auf der Plattform gelistete Unterkünfte nach. Das riesige Atrium wird von einer sich über drei Stockwerke ziehenden, dicht bepflanzten Wandinstallation von Gsky dominiert

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Twitter, mit seinen acht Jahren ein echter Senior unter den internetbasierten Unternehmen, verfügt über eine Innenarchitektur, die man sich ohne Weiteres als Altersruhesitz wünschen würde. Das aus dem Jahr 1937 stammende Gebäude im Art-déco-Stil beherbergte einst den Möbelgrosshandel San Franciscos. Heute ist es das Headquarter der Kommunikationsplattform. Zwei Stockwerke des elfstöckigen, einstigen Warenlagers wurden von IA interior architects und den Designern von Studio Lundberg Design in eine Arbeitsumgebung transformiert. Neben einem Yogastudio, einem Fitnessraum, Räumen zum Computerspielen und einem weitläufigen Essbereich gibt es eine offene Versammlungslounge, die in Anlehnung an die traditionell in englischen Dörfern angelegten Grünflächen „Commons“ heisst. Wer nach einem anstrengenden Arbeitstag Erholung sucht, kann diese auf der gartenähnlich gestalteten Dachterrasse mit Blick auf die beeindruckende Skyline von San Francisco finden.

IA interior architects wandelten ein altes Lagerhaus in den neuen Hauptsitz von Twitter um, mit Yogastudio, Fitnessraum, Räumen für Computerspiele, Cafeteria und Dachgarten, von wo aus die beeindruckende Skyline von San Francisco bewundert werden kann

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IA interior architects wandelten ein altes Lagerhaus in den neuen Hauptsitz von Twitter um, mit Yogastudio, Fitnessraum, Räumen für Computerspiele, Cafeteria und Dachgarten, von wo aus die beeindruckende Skyline von San Francisco bewundert werden kann

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Zweifellos haben viele der genannten Unternehmen einen weitreichenden Einfluss auf die Art und Weise wie wir leben und arbeiten, beispielsweise wie bei Instagram durch die Bereitstellung einer Plattform für den Austausch persönlicher Erlebnisse, durch die Ermöglichung von Zusammenarbeit trotz räumlicher Entfernung (Dropbox) oder durch eine Neuinterpretation des Reisens (Airbnb). Sie erweitern unsere Palette an Wahlmöglichkeiten, wann, wo und wie wir arbeiten und leben wollen.

Schlagen wir den Bogen zurück zu Apple und der aktuellen Ankündigung der Apple Watch und des neuen iPhone 6. Welches Feature hat Sie persönlich am meisten beeindruckt? Vielleicht iPayments? Das neue Album von U2, das auf wundersame Weise gratis in Ihren iTunes auftauchte? Wohl eher nicht! Wie wäre es mit HomeKit?

Wenn im kommenden Monat iOS 8 auf den Markt kommt, wird es auch ein Feature enthalten, das zwar im Verborgenen operiert, das aber dennoch Ihr tägliches Leben mehr als alle anderen Funktionen auf Ihrem iPhone oder Ihrer Apple Watch verändern könnte. HomeKit ist kurz gesagt eine Smart-Home-Plattform, mit deren Hilfe sich die an das „Connected Home“- Netzwerk angeschlossenen Geräte in Haus und Garten vom Mobiltelefon oder der Armbanduhr aus steuern und programmieren lassen. Mit den Worten von Apples Senior Vice President Craig Federighi, der für die Softwareentwicklung zuständig ist: „Man könnte etwa einen Befehl geben wie 'alles für die Nacht vorbereiten' und sicher sein, dass die Garage abgeschlossen ist, die Türen verriegelt sind, die Heizung auf Nachtbetrieb geschaltet wurde und die Lampen gedimmt sind.“

Ohne jeden Zweifel sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt zahlreiche Entwickler – in einigen höchst inspirierenden Arbeitsumgebungen – damit beschäftigt Zubehör für das Apple HomeKit zu entwickeln. Es ist derzeit eine aufregende Sache, sich mit der Zukunft zu beschäftigen.

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