Mit ihren Produktentwürfen für zahlreiche namhafte Hersteller gestalten Sven von Boetticher und sein Industriedesignbüro ID AID aus Stuttgart die flexible Arbeitswelt aktiv mit.

Flexibilität bedeutet keineswegs, möglichst viele Optionen zu bieten – es genügt die eine richtige. Zusammen mit Wagner hat ID AID die Dondola-Federung weiterentwickelt. Beim Stuhl S1 ist nur die Sitzhöhe einstellbar. Foto: Carolin Wengert

ID AID: Objekte für den Möglichkeitsraum | Aktuelles

Flexibilität bedeutet keineswegs, möglichst viele Optionen zu bieten – es genügt die eine richtige. Zusammen mit Wagner hat ID AID die Dondola-Federung weiterentwickelt. Beim Stuhl S1 ist nur die Sitzhöhe einstellbar. Foto: Carolin Wengert

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Nahezu alle, die einen Computer als Mittelpunkt ihrer Arbeit begreifen, haben in den zurückliegenden bald drei Jahren einen riesigen Schritt in die Zukunft getan. Jetzt sind es plötzlich nicht mehr nur die digitalen Nomaden, die in Coworking Spaces und Cafés den starren Strukturen eines antiquierten Bürozeitalters zu entfliehen versuchen. Wenigstens ein Tag Homeoffice pro Woche ist nicht Ausnahme, sondern Normalität. Mobiles bzw. Telearbeiten ist im Alltag angekommen. Möglich wurde das, weil wir nun digitale Tools zur Erfüllung von Aufgaben haben, für die das Zusammensitzen einst unabdingbar war – und den Willen, sie zu nutzen.

Soweit klar. Welchen Einfluss aber hat die Digitalisierung auf das Design der uns umgebenden Räume, Möbel und Accessoires? Wer könnte das besser beantworten als einer, der sich der Materie Büro gewissermassen verschrieben hat: Sven v. Boetticher führt in Stuttgart das Industriedesignstudio ID AID. Nicht nur, aber überwiegend entwerfen von Boetticher und sein Team für Hersteller, die im Kontext Büro angesiedelt sind – zum Beispiel für Interstuhl, Wilkhahn, Wagner, Häfele oder Bachmann.

Für mehr Spontaneität: Die sich verändernden Arbeitsformen wirken sich auf das Produktdesign aus. Elektrizität liefert der mobile Stromspeicher Mov:e für Bachmann (oben, Foto: Carolin Wengert). Unten: Steh-Hocker Rider für Wilkhahn

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Für mehr Spontaneität: Die sich verändernden Arbeitsformen wirken sich auf das Produktdesign aus. Elektrizität liefert der mobile Stromspeicher Mov:e für Bachmann (oben, Foto: Carolin Wengert). Unten: Steh-Hocker Rider für Wilkhahn

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Flexibilität einfach gestalten

Sven von Boetticher spürt sehr direkt, wie sich eine Suche nach neuen Arbeitsformen in Gang gesetzt hat, wie er erzählt. Eine Herausforderung dabei ist, das Homeoffice und mobiles Arbeiten keineswegs anstelle, sondern parallel zum Büro und im Zusammenspiel mit den dort sitzenden Kolleginnen und Kollegen zu betrachten. Zugleich erübrigt es sich, jederzeit für jede und jeden im Büro einen festen Platz bereitzuhalten. Teams nutzen die Flächen flexibler, finden Fokus-, Kommunikations- und entspannte Rückzugszonen vor.


Herzstück des Möbels ist sein sogenanntes dreidimensionales Dondola-Sitzgelenk, das den natürlichen Bewegungsablauf des Nutzers fördern soll


Für die Gestaltung von Produkten für diese neuen Arbeitswelten heisst das ganz konkret, dass sie beispielsweise möglichst simpel in der Handhabung sein müssen. Gemeinsam mit dem Unternehmen Wagner etwa haben Sven von Boetticher und sein Team daher mit dem S1 einen Stuhl entwickelt, mit dem sie die Stärken und die Optik des klassischen Atelierstuhls mit heutigen Ansprüchen an ergonomisches Sitzen kombinieren. Herzstück des Möbels ist sein sogenanntes dreidimensionales Dondola-Sitzgelenk, das den natürlichen Bewegungsablauf des Nutzers fördern soll. Konventionelle Mechanik wird durch sichtbare, ästhetisch ausgeführte technische Bauteile ersetzt, die ihre Funktion aus der Geometrie heraus entfalten. Vom temporären Besitzer muss nur noch die Höhe nach Belieben eingestellt werden.

Im Büro und im Homeoffice ist der S1 ein unkomplizierter Partner. Umso anspruchsvoller war die Entwicklung, bei der der ressourcenschonende Einsatz innovativer Materialien ein entscheidender Faktor war. Fotos: Carolin Wengert

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Im Büro und im Homeoffice ist der S1 ein unkomplizierter Partner. Umso anspruchsvoller war die Entwicklung, bei der der ressourcenschonende Einsatz innovativer Materialien ein entscheidender Faktor war. Fotos: Carolin Wengert

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Premiere in Köln: MONOis1 für Interstuhl

Ganz anders die Produktneuheit Mono für Interstuhl, die ihre Premiere derzeit auf der Orgatec in Köln feiert. Mono wurde kreiert, um als universeller Komplementärstuhl die Kollektion des Herstellers zu ergänzen. Das Sitzmöbel ist ebenso schnell wieder verstaut, wie es herbeigeschafft wird. Das macht Räume erheblich wandelbarer. Wie der Name andeutet, handelt es sich um eine Interpretation des Monobloc, des im wortwörtlichen Sinne aus einem Guss gefertigten, stapelbaren Kunststoffstuhls. Herausforderung war es dabei, unter möglichst geringem Materialeinsatz Stabilität zu erzeugen, aber auch eine Form zu finden, die dem verwendeten Polypropylen auf besondere Weise schmeichelt.

Kompliziert ist, wenn es am Ende einfach aussehen soll – so wie bei dem Universalstuhl Mono, den Sven von Boetticher und sein Team gemeinsam mit Interstuhl entwickelt haben. Unten: Work in Progress. Fotos: Carolin Wengert

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Kompliziert ist, wenn es am Ende einfach aussehen soll – so wie bei dem Universalstuhl Mono, den Sven von Boetticher und sein Team gemeinsam mit Interstuhl entwickelt haben. Unten: Work in Progress. Fotos: Carolin Wengert

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„Für einen Universalstuhl ist dieser Kunststoff mit hohen haptischen Qualitäten genau der richtige Werkstoff“, ist Sven von Boetticher überzeugt. Denn Herstellungs- und Anschaffungskosten sowie der Nutzungszyklus, wie er im Objektbereich üblich ist, stehen im unübertrefflichen Verhältnis zueinander. Bei dem gesamten Entwicklungsprozess war es sehr hilfreich, dass Interstuhl neben der extrem hohen Fertigungstiefe am Standort in Tieringen eine grosse eigene Entwicklungsabteilung betreibt. Dies ist der Schlüssel für nachhaltige und innovative Lösungen, so der Designer, bei denen enorme Anstrengungen unternommen werden, um ein letztendlich so einfach und selbstverständlich wirkendes Ergebnis zu erzielen.

Vom ersten 3D-Druck bis zum fertigen Produkt: die Entwicklungsstufen des Mono. Das finale Ergebnis wird aus einem Guss aus Polypropylen gefertigt. Fotos: Carolin Wengert

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Vom ersten 3D-Druck bis zum fertigen Produkt: die Entwicklungsstufen des Mono. Das finale Ergebnis wird aus einem Guss aus Polypropylen gefertigt. Fotos: Carolin Wengert

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„Um darüber hinaus ein Design mit langfristiger Gültigkeit anzubieten, haben wir eine archetypische Form gefunden, die wir schon früh im Entwicklungsprozess definiert haben. Raffiniert gesetzte Übergänge von Konkav- zu Konvexflächen steifen den Stuhl aus.“ Sollte ein Exemplar des Mono eines Tages ausgedient haben, lässt sich der zu Rezyklat verarbeitete Werkstoff bei Interstuhl beispielsweise für Fusskreuze an Drehstühlen verwenden.

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Der JobTisch für Häfele ist gemacht für das Homeoffice. Elektrifizierung, motorisierte Höhenverstellung, Schubfach, Rückwand und eine Auswahl aus verschiedenen Oberflächenmaterialien und Farben inklusive

Ergonomie kompakt

Eine weitere Produktidee hatte ihre Geburtsstunde im zweiten grossen Lockdown der Corona-Pandemie, als von einem Tag auf den nächsten erneut gefühlt die halbe Welt für ungewisse Zeit ins Homeoffice umzog. Eine neue Frage stand ich Raum: Wie begegnet man eigentlich den Richtlinien für ergonomische Arbeitsstätten, wenn doch nur provisorische Schreib- oder Küchentische zur Verfügung stehen? Zusammen mit dem Beschlägehersteller Häfele entwickelte Sven von Boetticher den JobTisch. Der kompakte Schreibtisch verfügt über praktische Features wie eine elektrische Höhenverstellung, Elektrifizierung, Magnetrückwand, ein kleines Schubfach, sogar eine integrierte Befestigungsmöglichkeit für diverse LED-Arbeitsleuchten ist enthalten. Gestaltungsspielraum haben Nutzer ausserdem anhand verschiedener Modellgrössen, Farbkombinationen und Oberflächen wie Furnier, Linoleum oder klassischen Dekoren.

Strom to-go: Unabhängig vom Ort und dessen Gegebenheiten, lassen sich mit Mov:e von Bachmann elektrische Geräte über Schuko- und verschiedene USB-Steckplätze versorgen. Schöne Details: die drehbare Abdeckung und eine Trageschlaufe

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Strom to-go: Unabhängig vom Ort und dessen Gegebenheiten, lassen sich mit Mov:e von Bachmann elektrische Geräte über Schuko- und verschiedene USB-Steckplätze versorgen. Schöne Details: die drehbare Abdeckung und eine Trageschlaufe

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Noch flexibler liesse es sich nur arbeiten, wenn man gar nicht mehr an einen Raum und seine Gegebenheiten gebunden ist. Und auch dafür haben Sven von Boetticher und sein Team ein Produkt entwickelt. Nämlich die mobile Stromversorgung Bachmann Mov:e mit USB- und Schuko-Steckplätzen. Mit der zylindrischen, tragbaren Box von der Grösse eines Sektkühlers lassen sich Smartphone, Laptop, aber auch Präsentationsbildschirme oder Projektoren lange genug mit Strom versorgen, selbst wenn man gerade mitten in der Wildnis sitzt. Agiler arbeiten geht nicht – vorausgesetzt die Internetverbindung steht.

© Architonic

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