Wenn am 30. Oktober dieses Jahres in Langenthal die Auszeichnungen beim Design Preis Schweiz (DPS) bekannt gegeben werden, wird damit die 13. Ausgabe abgeschlossen. Dank „diversifizierter Wettbewerbsstruktur“ (O-Ton des Veranstalters) verzeichnet der DPS in diesem Jahr 450 Einsendungen in zwölf Prei

Der TexPavillon entstand im Rahmen eines KTI-Forschungsprojekts zur Verwendung von Textilien als dauerhafter Werkstoff im Hochbau; Foto: KTI-Forschungsprojekt

Zur Zukunft des Designs in der Schweiz | Aktuelles

Der TexPavillon entstand im Rahmen eines KTI-Forschungsprojekts zur Verwendung von Textilien als dauerhafter Werkstoff im Hochbau; Foto: KTI-Forschungsprojekt

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Wenn am 30. Oktober dieses Jahres in Langenthal die Auszeichnungen beim Design Preis Schweiz (DPS) bekannt gegeben werden, wird damit die 13. Ausgabe abgeschlossen. Dank „diversifizierter Wettbewerbsstruktur“ (O-Ton des Veranstalters) verzeichnet der DPS in diesem Jahr 450 Einsendungen in zwölf Preiskategorien; fünfzig Prozent mehr als bei der letzten Auslobung (2013/14).

Wenn heute in vielen Branchen bereits eine Nomination als Auszeichnung gilt, war dies keinesfalls immer so. Auch wenn die Zahl 13 anderes vermuten liesse, bleibt festzuhalten: Der DPS hat den pubertären Odeur des „teen spirit“ (Kurt Cobain) abgelegt. Die bereits 1991 ins Leben gerufene Auszeichnung ist erwachsen geworden – eindrücklich bestätigt durch die Qualität der diesjährigen Nominierungen. Merke: Design muss sein!

Die Trennwand- und Akustiksysteme von USM Haller traten am DPS ebenso in der „Königsdisziplin“ an wie der von Christoph Jenni für die Firma Maxdesign entworfene Appia Stuhl

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Die Trennwand- und Akustiksysteme von USM Haller traten am DPS ebenso in der „Königsdisziplin“ an wie der von Christoph Jenni für die Firma Maxdesign entworfene Appia Stuhl

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Die Schweiz genoss immer schon einen exzellenten Ruf grandioser Ingenieursleistungen. Nicht nur die Uhrenindustrie, der Ingenieur Robert Maillart oder die Lokomotive „Krokodil“ zeugen davon. Gleichzeitig bestätigt viel von dem, was in der Schweiz produziert wird und uneingeschränkte Funktionserfüllung garantiert, die Erkenntnis, dass der Ingenieur besser nicht zum Designer gemacht werden sollte. Der DPS tritt 2015/16 den Beweis an, dass im weltweiten Wettbewerb ein exzellentes Engineering allein – etwa bei Seilbahngondeln oder Skischuhen – längst nicht mehr ausreicht.

Weiterhin gilt aber auch: Was bei der SBB spätestens seit der Ausrangierung der liebevoll „Kroki“ gehätschelten Lokomotive (1968) zu einer Synthese zwischen Design und Ingenieursleistung fand, die – und das gerade im weltweiten Vergleich – als richtungsweisend gelten kann, spiegelt sich auch heute noch bloss in Ansätzen in den Einreichungen wider. So ist etwa der Kabinenhersteller Gangloff mit dem Bauherrn (Stanserhorn-Bahn) vertreten, während sich etwa eine international aktive Stadler Rail offenbar solch einem benchmarking konsequent entzieht. Was verwundert, wird doch selten die Schweizer Qualität so bemüht, wie bei dem Lieferanten von Rollmaterial aus Bussnang. Keinesfalls tröstlich: Stadler Rail ist da nicht allein. Von der Investitionsgüter- bis zur Uhrenindustrie liessen sich weitere Unternehmen aufzählen.

Die mit einem LED-Licht ausgestattete Strassenleuchte GO von Jörg Boner wurde in der Kategorie „Product Investment Goods“ nominiert; Foto: Oskar DaRiz

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Die mit einem LED-Licht ausgestattete Strassenleuchte GO von Jörg Boner wurde in der Kategorie „Product Investment Goods“ nominiert; Foto: Oskar DaRiz

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Ganz anders stellt sich die Situation in der „Königsdisziplin“ dar, die eigentlich den Entwurf von Stühlen meint, längst aber Leuchten, Möbel-, Textil- und andere Gegenstände des Wohnens einschliesst. Wenn beispielsweise ein Alfredo Häberli oder Hannes Wettstein noch ohne Auszeichnung durch den DPS als
Karrierebeschleuniger auskamen, war dies auch einer anderen, noch weniger turbokapitalistisch akzelerierten und nicht durch das Produktionsland China dominierten Weltwirtschaft geschuldet.

Über die letzten zwanzig Jahre haben sich Jörg Boner (2013/14 beim DPS ausgezeichnet; aktuell erneut nominiert) und das atelier oï (diverse Nominationen und Juryteilnahmen am DPS) in der Schweizer Designszene einen Namen geschaffen. Den verdanken sie vor allem der Möbelbranche, während Entwerfer, die im Bereich der Investitionsgüter tätig sind, vor dem Erfolg und der Anerkennung ein weit härteres Brot kauen müssen (Beispiel: Bureau Sturm). Das jedoch beweist, dass ein prozessorientiertes Designverständnis, das Innovation fördert, auch hundert Jahre nach den ersten Gehversuchen immer noch nicht in den Köpfen Abakus trainierter Betriebswirtschaftsstudenten à la HSG St. Gallen verankert ist. Als alternative Erklärung kommt wohl nur in Frage, dass den Absolventen von MBA-Studiengängen derart viel Angst vor ihrem Scheitern eingetrichtert wurde, dass sie Neues bestenfalls da ermöglichen, wo es jederzeit quantitativ messbar und für sie kontrollierbar bleibt. So hätten denn auch als wohl letzte Innovationen der Absatzförderung zu gelten, dass 500 durch 750 ml PET-Flaschen und 125 durch 250 g Verpackungen ersetzt wurden, was sich das Marketing als fünfzig bis hundert Prozent Mehrumsatz auf die Bilanzfahne schreibt. Der Applaus der Konsumenten? Der bleibt jedoch weit hinter jenem Beifall zurück, den echte consumer benefits – ein Zauberwort in Asien – erhalten.

Beim Stanserhorn Cabrio handelt es sich um die weltweit erste Seilbahn mit offenem Oberdeck, nominiert in der Kategorie „Product Investment Goods“; Foto: Stanserhorn Bahn

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Beim Stanserhorn Cabrio handelt es sich um die weltweit erste Seilbahn mit offenem Oberdeck, nominiert in der Kategorie „Product Investment Goods“; Foto: Stanserhorn Bahn

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Zur Zukunft ein Vergleich

Dänemark steht in Europa an vorderster Front, wenn es darum geht, die Weichen dessen, was als „Dritte Industrielle Revolution“ bezeichnet wird, radikal neu zu stellen. So entschied die Dänische Regierung im Mai dieses Jahres, 100 Mio. DKK (ca. 15 Mio. CHF) zur Förderung der einheimischen Produktion bereitzustellen (Quelle: Danish Design Centre). Dies nicht etwa als Einzelmassnahme, sondern im Rahmen eines ganzen Bündels an Aktivitäten, um eine bis anhin nicht bekannte Innovationskultur zu begünstigen, die deshalb aber auch keinerlei Gewähr für den Erfolg bieten kann.

Das ist auch ein Indiz dafür, dass der Wettbewerb längst nicht mehr innerhalb enger nationalstaatlicher Grenzen stattfindet. Er findet vielmehr weltweit zwischen Innovationszonen statt: etwa zwischen San Francisco (Silicon Valley) und Boston (Harvard / MIT), aber auch zwischen Tokio und Shanghai oder Kopenhagen, London und Zürich. Dabei sind es Köpfe und Infrastrukturen, welche den Prozess – von der Idee zur Anwendung oder zum Produkt – fördern. Dem Hinterland kommt dabei lediglich noch Bedeutung als Distributionszentrum, Produktionsstätte oder Testgelände zu.

Auch die Metal Base Collection von Création Baumann, das KTI-Projekt der Forschungsgruppe Produkt & Textil der Hochschule Luzern und die vom OLED Design Lab entwickelte gleichnamige Zukunftstechnologie wurden am DPS nominiert

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Auch die Metal Base Collection von Création Baumann, das KTI-Projekt der Forschungsgruppe Produkt & Textil der Hochschule Luzern und die vom OLED Design Lab entwickelte gleichnamige Zukunftstechnologie wurden am DPS nominiert

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Ein grandioses Beispiel für Innovationskultur lieferte kürzlich Deyan Sudjic, der Direktor des Design Museums in London. Sudjic diente PayPal, und da insbesondere das Design des Bezahlknopfes, als Indiz für ein Designverständnis, demzufolge Entwerfer prozessgebunden Teil des Teams sind. Die Ironie der Geschichte? Laut Sudjic kam der Designer, der angeblich nur für einen „Job“ angeheuert hatte, erst wirklich zu Geld, als PayPal an die Börse ging

Innovative Verwendung von Materialien: Beim Lautsprecher L242 von estragon kam Faserzement zum Einsatz, bei den Stoffen der Metal Base Collection von Création Baumann wahlweise Messing, Kupfer, Aluminium oder Stahl

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Innovative Verwendung von Materialien: Beim Lautsprecher L242 von estragon kam Faserzement zum Einsatz, bei den Stoffen der Metal Base Collection von Création Baumann wahlweise Messing, Kupfer, Aluminium oder Stahl

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Als sichtbarer Beweis der realen Innovationsfähigkeit in der Schweiz lässt der DPS hoffen. Bei dieser Hoffnung kann sich die Auszeichnung besonders auf die ECAL in Lausanne stützen, die ungeheuer viel für die Qualität der Einreichungen getan hat. Ähnliches gilt wohl auch für erfolgreiche Firmen wie Création Baumann, Freitag oder USM Möbelbausysteme. (Alle beim DPS vertreten und Beispiele einer gelebten Innovationskultur). Insofern müssten sich eigentlich alle Nicht-Einreicher die Frage stellen, ob sie nicht grundsätzlich viel zu wenig am benchmarking interessiert und somit zu wenig wettbewerbsorientiert sind. Nur schon die Einreichungen bestätigen schliesslich, dass Designer oder (für die Einreichung verantwortliche) Firmenvertreter, die am DPS teilnehmen, in der ersten Reihe einer zukunftsorientierten Gestaltung sitzen und für eine innovative Unternehmenspolitik einstehen. Folglich verursachen diejenigen, die den Wettbewerb scheuen und sich auf den Verdiensten der Vergangenheit ausruhen, zwangsläufig volkswirtschaftlich weit grösserer Probleme. Hängt doch die Wettbewerbsfähigkeit massgeblich davon ab, bis zu welchem Grad eine Innovationskultur gefördert und prozessorientiertes – also ergebnisoffenes – Denken gestützt und gefördert wird.

Ganz in diesem Sinn sollte sich nicht nur der Kurator Michel Hueter freuen können, wenn – mit dessen Worten – „der Werk- und Industrieplatz Schweiz Design vermehrt als ganzheitlichen Ansatz nutzt, um Lösungen zu entwickeln, die wirtschaftlich und gesellschaftlich relevant sind“. Lässt das nicht hoffen?

Das Wärmerückgewinnungs-System Joulia-Inline nutzt warmes Duschabwasser, um das kalte Zulaufwasser vorzuwärmen und reduziert den Energieverbrauch um bis zu 50 %, nominiert in der Kategorie „Product Investment Goods“

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Das Wärmerückgewinnungs-System Joulia-Inline nutzt warmes Duschabwasser, um das kalte Zulaufwasser vorzuwärmen und reduziert den Energieverbrauch um bis zu 50 %, nominiert in der Kategorie „Product Investment Goods“

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