Im zweiten Teil der Busch-Jaeger Intelligence Series – einer Reihe von drei Artikeln, die vom Spezialist für Elektroinstallationstechnik und Gebäudeautomation gesponsert werden – erläutert die Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) die Fortschritte auf dem Gebiet der klimabewussten Architektur und erklärt, welche Rolle die Technik bei der Verwirklichung unserer Zukunftsziele spielt.

Eine sichere, intelligente und nachhaltige Zukunft der Elektrifizierung ist machbar. Mit einem smarten Energiemanagement wird der Energieverbrauch in Zweck- und Wohngebäuden automatisiert und optimiert

Klimabewusstsein für die Zukunft: die Busch-Jaeger Intelligence Series |

Eine sichere, intelligente und nachhaltige Zukunft der Elektrifizierung ist machbar. Mit einem smarten Energiemanagement wird der Energieverbrauch in Zweck- und Wohngebäuden automatisiert und optimiert

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Betrachtet man den weltweiten Energieverbrauch, so zeigt sich, dass fast ein Drittel davon auf Gebäude zurückzuführen ist, 40 % des weltweiten CO2-Ausstosses auf ihre Nutzung. Wie baut man möglichst so, dass schon beim Bau sowie später im Betrieb weniger Energie benötigt wird? Welchen Beitrag leisten Stoffkreisläufe? Und inwiefern können technische Lösungen wie etwa smarte Features und integriertes Energiemanagement, im Bestand ebenso wie im Neubau, dabei helfen, den Klimaherausforderungen unserer Zeit entschlossen zu begegnen? Das fragten wir den geschäftsführenden Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), Dr. Christine Lemaitre.

Dr. Lemaitre ist seit Februar 2010 geschäftsführende Direktorin der DGNB, erhielt mehrere Auszeichnungen für ihre Rolle in der Baubranche und engagiert sich unter anderem in der Initiative Building Sense Now und der Climate Positive Europe Alliance (CPEA)

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Dr. Lemaitre ist seit Februar 2010 geschäftsführende Direktorin der DGNB, erhielt mehrere Auszeichnungen für ihre Rolle in der Baubranche und engagiert sich unter anderem in der Initiative Building Sense Now und der Climate Positive Europe Alliance (CPEA)

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Dr. Lemaitre, als geschäftsführender Vorstand der DGNB sind Sie besonders nah am Thema Nachhaltigkeit in der Architektur und in der Baubranche allgemein. Welche Entwicklung der vergangenen Jahre lässt sich besonders hervorheben?

Ich denke, die Sensibilität für die Sache hat in den letzten Jahren stark zugenommen – wahrscheinlich nicht nur, aber auch dank Fridays for Future. Als wir vor 15 Jahren mit der DGNB begonnen haben, war Nachhaltigkeit noch eher ein Nischenthema und man hat schon sehr argumentieren müssen, warum dieser Aspekt im Bau so wichtig ist. Mittlerweile wird uns nicht mehr die Frage nach dem Warum, sondern des Wie gestellt. Auch das Thema Materialität ist sehr stark in den Fokus gerückt, die Emissionen, die wir zum einen bei der Herstellung der Bauprodukte haben, aber auch das Thema der Lieferketten und der Ressourcenverknappung. Da hat sich durchaus ein Grundverständnis in der Branche entwickelt.

Der Busch-Jaeger Standort in Lüdenscheid wurde 2019 zum weltweit ersten nahezu klimaneutralen und kostenoptimierten Produktionsstandort der ABB-Gruppe

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Der Busch-Jaeger Standort in Lüdenscheid wurde 2019 zum weltweit ersten nahezu klimaneutralen und kostenoptimierten Produktionsstandort der ABB-Gruppe

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Mit ihrem Zertifizierungssystem versuchen Sie, dies alles abzudecken. Gleichzeitig dient genau dieses Prinzip als Brücke zum Fragen stellen. Wenn das Ziel ist, ein Projekt zertifizieren zu lassen, empfehlen Sie als DGNB daraufhin die möglichen Mittel?

Genau, das Zertifikat ist im Grunde ein Optimierungs-Tool, ein Planungswerkzeug, mit dem man die ganze Breite an Themen auf dem Schirm hat und die Abwägungen systematisch treffen kann. Nachhaltigkeit, gerade im Bauen, ist ja oft auch ein Zielkonflikt, bei dem es kein Schwarz oder Weiss gibt, sondern Fragen, die es abzuwägen und aus denen es die entsprechend beste Lösung abzuleiten gilt: Für wen, wie viel und wo baue ich?


Nachhaltigkeit, gerade im Bauen, ist ja oft auch ein Zielkonflikt, bei dem es kein Schwarz oder Weiss gibt, sondern Fragen, die es abzuwägen und aus denen es die entsprechend beste Lösung abzuleiten gilt


Letztendlich ist es auch ein Instrument zur Qualitätssicherung. Denn neben der erwähnten Sensibilisierung haben wir es hier mit einer Branche zu tun, die es eigentlich nicht gewöhnt ist, noch einmal kritisch auf das zurückzuschauen, was sie umgesetzt hat. Zudem ist es eine Branche, die sehr kleinteilig ist, in der sich Planungsteams immer wieder neu zusammensetzen und immer neuen Herausforderungen gegenüberstehen. Da ist das Zertifizierungssystem ein Mittel, auch danach zu schauen, wo man, gemessen anhand von Daten, eigentlich steht.

Dabei geht es nicht nur um Neubau, sondern es wird von Ihnen auch im Bestand zertifiziert.

Richtig, wir betrachten die gesamte gebaute Umwelt. Das heisst, wir sind sehr breit in der Vielfalt der Nutzungsprofile, wie wir es nennen, also der Gebäudearten, die wir berücksichtigen. Wir unterscheiden zwischen Neubauzertifikaten, die ab dem Tag der Baufertigstellung ausgestellt werden, und Zertifikaten, die die Optimierung im laufenden Betrieb bewerten und unterstützen. Wir haben aber auch ein Rückbauzertifikat in der Erstanwendung – Stichwort: Kreislaufwirtschaft. Mittlerweile bieten wir auch ein System für Bestandsgebäude an, die saniert werden. Damit greifen wir die Themen sehr passgenau auf und stellen das jeweils richtige Instrument zur Verfügung.

2019 erhielt Busch-Jaeger als erstes Unternehmen weltweit das Cradle to Cradle-Zertifikat für sein Lichtschalterprogramm future® linear – ein Beleg für sichere Materialien, Recycling, sauberes Wasser, erneuerbare Energie und soziale Gerechtigkeit

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2019 erhielt Busch-Jaeger als erstes Unternehmen weltweit das Cradle to Cradle-Zertifikat für sein Lichtschalterprogramm future® linear – ein Beleg für sichere Materialien, Recycling, sauberes Wasser, erneuerbare Energie und soziale Gerechtigkeit

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Die Wahl der entsprechenden Materialien ist ein grosser Bestandteil des klimaneutralen Bauens. Welche sonstigen Massnahmen können Architekt:innen und Designer:innen berücksichtigen, um klimafreundlicher zu planen?

Was Architekt:innen sich selbst und auch ihre Bauherr:innen immer wieder fragen müssen, ist, ob überhaupt neu gebaut werden muss. Eigentlich muss man auch mal aus der Suffizienzdenke kommen und kritisch hinterfragen, ob wir das alles brauchen. Wie viel Fläche benötigen wir ehrlicherweise? Dann gilt es, vernünftig mit der Umgebung zu arbeiten. Also mit der Ausrichtung des Gebäudes. Braucht es wirklich so grosse Fensterflächen oder können diese minimiert werden, um den solaren Wärmeeintrag zu reduzieren? Vielleicht kann man auch natürliche Verschattungssituationen durch Bebauung oder durch Bäume schaffen, um Überhitzung im Sommer zu verhindern.


Wir sollten mehr CO2-reduzierte Materialien nutzen oder auch die Verwendung nachwachsender Rohstoffe prüfen. Und immer wieder fragen: Geht es einfacher, geht es robuster, um es auf eine lange Lebenszeit hin auszurichten?


Erst dann kommt das Thema der Materialwahl, die sich logisch aus der Bauaufgabe ergeben sollte. Wir sollten mehr CO2-reduzierte Materialien nutzen oder auch die Verwendung nachwachsender Rohstoffe prüfen. Und immer wieder fragen: Geht es einfacher, geht es robuster, um es auf eine lange Lebenszeit hin auszurichten? Wie sieht das Gebäude in 100 Jahren aus? Ist es umnutzbar, ist es flexibel im Sinne der Raumgestaltung?

Über Bedienelemente wie das SmartTouch können verschiedene Smart-Home-Lösungen eingestellt und gesteuert werden. Mit einer automatisierten Elektroinstallation lassen sich sämtliche Anwendungen einfach und individuell regeln

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Über Bedienelemente wie das SmartTouch können verschiedene Smart-Home-Lösungen eingestellt und gesteuert werden. Mit einer automatisierten Elektroinstallation lassen sich sämtliche Anwendungen einfach und individuell regeln

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Welche Rolle spielt die Technologie, z.B. in Form von Smart Homes und besserer Energievernetzung?

Die Technik müssen wir als Baustein im Kontext bewerten. Einen Gewinn über technische Lösungen haben wir auf jeden Fall beim Thema Monitoring, bei der Frage, wie viel Energieverbrauch man wirklich hat. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass Technik und Langlebigkeit nicht immer gut zusammenpassen. Wenn wir Gebäude haben wollen, die Jahrhunderte überdauern sollen, müssen wir über technische Systeme reden, die auch leicht aus- und umbaubar sind, die vielleicht kabellos funktionieren, um maximal flexibel zu sein.


Wenn wir Gebäude haben wollen, die Jahrhunderte überdauern sollen, müssen wir über technische Systeme reden, die auch leicht aus- und umbaubar sind, die vielleicht kabellos funktionieren, um maximal flexibel zu sein


Und auch die Angemessenheit betrifft natürlich nicht nur das, was und womit ich baue, sondern auch die Technik. Denn technische Komponenten enthalten oft Seltene Erden. Damit ergeben sich hier eigentlich die ganzen grossen Herausforderungen, die eher im Elektrogerätesegment stattfinden – umso entscheidender ist hier eine vorausdenkende Konzeption.

Wenn ich als Beispiel eine smarte Heizungssteuerung nenne, die in der Anschaffung und im technischen Sinne einen überschaubaren Aufwand bedeutet und relativ einfach austauschbar ist, wie schätzen Sie das ein?

Wenn Technologie so genutzt wird, dass insgesamt Energie eingespart wird, ist das natürlich sinnvoll. Wenn also beispielsweise nur dann geheizt wird, wenn es auch wirklich nötig ist oder Energiegewinne aus Solar effizient genutzt werden können. Es kommt aber letztlich immer auf die Nutzer:innen an. Der eine ist vielleicht technisch affin, hat Spass daran und Vertrauen. Wir müssen uns aber auch Gedanken darum machen, wie die Integration der Nutzer:innen in solche Systeme funktioniert. Denn eine smarte Installationen nützt natürlich nichts, wenn Nutzer:innen ständig das Fenster öffnen, obwohl das aus Effizienzgründen nicht ratsam ist. Daher glaube ich, dass solche technische und smarte Systeme am besten funktionieren, wenn sie einen unterstützenden und motivierenden Charakter haben sollten.

Die emissionsfreie Mobilität gehört ebenso zum klimaneutralen Fussabdruck. Dabei unterstützen das Fahrrad oder Elektroautos, für die mittlerweile bei Neubauten und Modernisierungen Ladepunkte eingeplant werden

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Die emissionsfreie Mobilität gehört ebenso zum klimaneutralen Fussabdruck. Dabei unterstützen das Fahrrad oder Elektroautos, für die mittlerweile bei Neubauten und Modernisierungen Ladepunkte eingeplant werden

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Wie Sie bereits angedeutet haben, ist der zirkuläre Gedanke in Architektur und Design ein entscheidender Faktor und zuletzt immer wegweisender geworden. Wie kennzeichnet sich eine Kreislaufwirtschaft in der konkreten Ausführung?

Wenn man vom Ziel ausgeht, dass wir so schnell wie möglich CO2-Emissionen reduzieren, dass wir Ressourcen schonend nutzen sollten, dann bedeutet das für alles heute Gebaute, mit Komponenten zu arbeiten, die wiederverwendet sind oder aus recycelten Bestandteilen bestehen. Denn das hat im Grunde unmittelbar den positiven Effekt, den wir ganz dringend brauchen, um den Klimawandel einzuschränken.


Wir müssen das zirkuläre Bauen konsequent im Hier und Jetzt umsetzen – mit allen Herausforderungen, die es mit sich bringt


Gleichzeitig sollten wir die Fehler der Vergangenheit heute nicht wiederholen und uns schon in der Planung und Ausführung darauf fokussieren, dass man nachher auch alles wieder auseinandernehmen kann. Wir sollten uns aber bewusst sein, dass letzteres eine sehr zukunftsorientierte Strategie ist, die heute noch keinen positiven Beitrag geleistet hat. Ob das in fünfzig Jahren einen Mehrwert bringt, das können wir nur hoffen. Aber dafür müssen wir das zirkuläre Bauen konsequent im Hier und Jetzt umsetzen – mit allen Herausforderungen, die es mit sich bringt.

Mit Smartifizierung und Digitalisierung wird ein Booster im Bereich der Nachhaltigkeit gesetzt. Einfache, smarte Anwendungen wie Bewegungsmelder oder Raumtemperaturregler, die mit jedem eingesparten Grad den Energieverbrauch um ca. 6 % senken

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Mit Smartifizierung und Digitalisierung wird ein Booster im Bereich der Nachhaltigkeit gesetzt. Einfache, smarte Anwendungen wie Bewegungsmelder oder Raumtemperaturregler, die mit jedem eingesparten Grad den Energieverbrauch um ca. 6 % senken

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Gibt es in Deutschland besondere Anreize dafür, klimaneutral zu bauen? Wie können sich Fachleute zum Thema informieren?

Seit April letzten Jahres gibt es die QNG-Systematik (Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude) in der KfW-Förderung, die einen Nachhaltigkeitsbonus integriert hat und dafür eben auch Nachhaltigkeit fordert. Wir sehen bereits einen grossen Effekt im Sinne der ganz konkreten Umsetzung. Um das jetzt viel stärker nachgefragte Wissen zu vermitteln, haben wir unsere Ausbildungsangebote im Rahmen unserer DGNB Akademie stark erweitert und kooperieren auch mit Architektenkammern und Energieberater:innen.

Blickt man einmal über die Grenzen Deutschlands hinaus, gibt es international ähnliche Organisationen, mit denen Sie zusammenarbeiten oder die sich an Ihren Kriterien orientieren?

Ja, mittlerweile gibt es über 80 Green Building Councils weltweit. Als Deutscher Green Building Council sind wir im World Green Building Council ebenfalls vertreten und hier sogar das zweitgrösste Netzwerk. Wir kooperieren seit 2009 mit dem Österreichischen und dem Schweizerischen Green Building Council, seit 2011 mit dem Dänischen, seit knapp drei Jahren mit dem Spanischen und seit einem Jahr mit dem Kroatischen Green Building Council. Sie alle haben das DGNB-System auf ihre Länder angepasst. Zertifiziert und geschult wird unter der Marke DGNB. Letztes Jahr haben wir zusammen eine Non-Profit-Organisation in Brüssel gegründet: die Climate Positive Europe Alliance.

© Architonic

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