Sei es aus funktionalen, ästhetischen oder energetischen Gründen: weltweit werden Architekten oberflächlich und umhüllen existierende Strukturen oder überarbeiten Fassaden.

Die Düsseldorfer Architekten von sop umhüllten ein ehemaliges Kasernengebäude mit Naturaluminium. Wichtig war der Erhalt des aussdrucksstarken Saarhauses mit seiner gelben Klinkerfassade. Foto: sop architekten, krischerfotografie

Haut drauf: alte Häuser, neue Hüllen - Teil 1 | Aktuelles

Die Düsseldorfer Architekten von sop umhüllten ein ehemaliges Kasernengebäude mit Naturaluminium. Wichtig war der Erhalt des aussdrucksstarken Saarhauses mit seiner gelben Klinkerfassade. Foto: sop architekten, krischerfotografie

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Was tun, wenn ein Gebäude ausgedient hat, weil es den aktuellen energetischen Ansprüchen nicht mehr genügt oder optisch nicht in seine Umgebung passt? Statt Abriss lautet die Lösung der Stunde ästhetische und technische Schadensbehebung in Form neuer Hüllen oder signifikanter Eingriffe in die Fassade. Bei den hier vorgestellten Projekten gehen Alt und Neu in kreativer Weise auf Tuchfühlung.

Clara und Robert, Düsseldorf, sop

Die Anlage der wilhelminischen Ulanenkaserne in Düsseldorf entstand um 1890 im Stadtteil Derendorf. Um die ehemaligen Kasernengebäude als Büros nutzbar zu machen wurden sie durch aufwendige Sanierung und Erweiterung von den Architekten von slapa oberholz pszczulny (sop) aus Düsseldorf zu neuem Leben erweckt. Wichtig war dabei der Erhalt des ausdrucksstarken Saarhauses mit seiner charakteristischen, gelben Klinkerfassade. Die Architekten fanden die optimale Lösung in der Umhüllung und Ergänzung des historischen Baus.

Das Resultat ist ein weithin sichtbares Bürogebäude-Ensemble, das zwei moderne Neubauten mit dem Saarhaus verbindet. „Clara und Robert“ heisst der Komplex, in dessen Neubauten die bestehende Struktur integriert wurde. Das neue Ganze wirkt, als würde die moderne Form aus der alten erwachsen. Namens- und Ideengeber für die beiden L-förmigen, miteinander verzahnten Winkelbauten mit einer vermietbaren Fläche von rund 16.800 Quadratmetern, ist das Komponistenpaar Clara und Robert Schumann.

Die Klinkerfassade wird von der auskragenden Hülle des Neubaus gerahmt. Nach oben wurde das alte Saarhaus um eine massive Cortenstahl-Box mit zwei zusätzlichen Etagen erweitert. Fotos: sop architekten, krischerfotografie

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Die Klinkerfassade wird von der auskragenden Hülle des Neubaus gerahmt. Nach oben wurde das alte Saarhaus um eine massive Cortenstahl-Box mit zwei zusätzlichen Etagen erweitert. Fotos: sop architekten, krischerfotografie

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Die neue, mit vertikalen Schlitzen versehene Gebäudehülle aus geschliffenem Natur-Aluminium erinnert an alte Musik-Lochplatten, die um die Jahrhundertwende als Tonträger für mechanische Musikinstrumente eingesetzt wurden. Das matt glänzende Material spiegelt dezent die wechselnden Lichtverhältnisse und taucht das Gebäude so in unterschiedliche Stimmungen. Neben der Ästhetik hat die neue Fassade eine wichtige Funktion als Lärmschutz. Die markante Klinkerfassade des historischen Saarhauses wird von der auskragenden Gebäudehülle des Neubaus eingerahmt. Statt eines Daches wurde das Saarhaus um eine massive Cortenstahl-Box erweitert, die sich in der Farbgebung am alten Klinker orientiert und den Altbau kontrastvoll um zwei Etagen erweitert. Die Ergänzung schafft nicht nur eine bauliche sondern auch eine optische Verbindung zum neuen Komplex. Die entstehende Flachdachkonstruktion dient darüber hinaus als Dachterrasse.

Die Eingangsbereiche haben die Architekten als Willkommensgeste mit einer grosszügigen Glasfassade versehen. Da die beiden siebengeschossigen Bürogebäude jeweils flexible Grundrissstrukturen haben ist die Integration von unterschiedlich grossen Mieteinheiten möglich. Auf allen Etagen ist der Nutzungsbereich variabel aufteilbar und so als Einzel- oder Gruppenbüro, als Kombizone oder Open-Space-Fläche nutzbar. Die Untergeschosse verbinden die beiden Gebäude miteinander und werden als Technik- und Lagerflächen sowie als Tiefgarage mit rund 300 Stellplätzen genutzt.

Die matt glänzende Aluminiumhülle mit ihren vertikalen Schlitzen erinnert an die alten Lochplatten für mechanische Musikinstrumente, dient aber auch dem Lärmschutz. Fotos: sop architekten, krischerfotografie

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Die matt glänzende Aluminiumhülle mit ihren vertikalen Schlitzen erinnert an die alten Lochplatten für mechanische Musikinstrumente, dient aber auch dem Lärmschutz. Fotos: sop architekten, krischerfotografie

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Optisch bilden die Überlagerung und das Nebeneinander von Alt und Neu trotz unterschiedlicher Materialien und Strukturen ein harmonisches Ganzes. Während ursprünglich der Abriss des historischen Saarhauses geplant war verleihen „Clara und Robert“ ihrer Umgebung durch die abwechslungsreiche Ästhetik aus Aluminium, gelbem Backstein und mit rotem Sandstein eingefassten Fenstern einen modernen Industriecharme.

Crystal Houses, Amsterdam, MVRDV

Wie Clara und Robert funktioniert auch das von MVRDV entworfene Crystal-Houses-Projekt in Amsterdam als eindrucksvolles Beispiel für die architektonische Partnerschaft von Alt und Neu.

Die meisten Gebäude in der exklusiven Einkaufstrasse P.C. Hooftstraat in Amsterdam beherbergen Luxusmarken wie Prada, Rolex oder Dior. Auf Erdgeschossebene musste der ursprüngliche Charakter der Bauten, also die alten Backsteinfassaden, den immer gleichen, gläsernen Shop-Fronten weichen. Mit ihrem Pionier-Projekt Crystal Houses fanden MVRDV aus Rotterdam eine Lösung, die dieser Entwicklung entgegenwirkt und dem Mieter Chanel zugleich ein äusserst ansprechendes Resultat bietet.

Die Architekten von MVRDV sehen ihr Projekt Crystal Houses als „poetischen Eingriff“. Die transparenten Glassteine erlauben eine nahtlose Integration in vorhandene Strukturen und Umgebungen. Foto: Daria Scagliola & Stijn Brakkee

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Die Architekten von MVRDV sehen ihr Projekt Crystal Houses als „poetischen Eingriff“. Die transparenten Glassteine erlauben eine nahtlose Integration in vorhandene Strukturen und Umgebungen. Foto: Daria Scagliola & Stijn Brakkee

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Den Architekten gelang es, das Alte durch Neues zu bewahren: Erstmalig wurde mit transparenten Glasbausteinen in Ziegelform eine traditionelle Backsteinfassade rekonstruiert. Nicht nur die Ziegel wurden aus Glas nachgebildet, auch die Türzargen und Fensterrahmen des Crystal Houses sind aus dem neuartigen Baumaterial gefertigt. Als optisches Highlight verschmelzen in den oberen Geschossen die Glaselemente mit den Tonziegeln der Originalfassade und erzeugen die Illusion, dass sich die Wand Richtung Himmel sukzessive auflöst.

Die Glasziegel sind härter als Beton und optisch der heutigen Nutzung des Gebäudes als extravagantes Luxusgeschäft angemessen. Zur Herstellung der vollständig recycelbaren Ziegeln bedarf es einer ausgeklügelten Technik, die Spezialisten mehrerer Länder zusammenbrachte. Das für Crystal Houses erstmals angewandte Verfahren ermöglicht eine neuartige Glasfabrikation unter Verwendung spezieller Lasertechnologie und wurde ist einer Zusammenarbeit der Technischen Universität Delft mit dem Ingenieurbüro ABT aus Arnheim und Wessels Zeist aus Zeist entwickelt. Das Glas stammt aus Venedig und der extrem starke Spezialkleber, mit dem die Steine zusammenhalten, kommt von der Firma DELO aus Deutschland.

Das Projekt verdeutlicht die Möglichkeit, historische Fassaden mit modernen Mitteln zu erhalten, statt sie durch eintönige Schaufensterfronten zu ersetzen und berücksichtigt das Interesse von Store-Betreibern. Fotos: Daria Scagliola & Stijn Brakkee

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Das Projekt verdeutlicht die Möglichkeit, historische Fassaden mit modernen Mitteln zu erhalten, statt sie durch eintönige Schaufensterfronten zu ersetzen und berücksichtigt das Interesse von Store-Betreibern. Fotos: Daria Scagliola & Stijn Brakkee

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Die Architekten von MVRDV sehen ihren „poetischen Eingriff“ als Vorreiterprojekt. Es soll die Möglichkeit verdeutlichen, auch in anderen Städten historische Fassaden zu erhalten, statt sie den immer gleichen Schaufensterfronten zu opfern. Dank ihrer Transparenz und der Fähigkeit, ursprüngliche Strukturen zu imitieren passen sich die Glassteine nicht nur nahtlos dem jeweiligen Gebäude, sondern der gesamten Umgebung an. Das Projekt kombiniert Modernität mit historischen Elementen und stellt eine zeitgemässe, attraktive Lösung dar, das Interesse von Store-Betreibern mit der Bewahrung baukulturellen Erbes unter einen Hut zu bringen.

Erstmalig wurde mit den neuartigen Glasbausteinen eine traditionelle Backsteinfassade rekonstruiert. Die Glasziegel werden in einem ausgeklügelten Verfahren hergestellt und sind härter als Beton. Foto: Daria Scagliola & Stijn Brakkee

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Erstmalig wurde mit den neuartigen Glasbausteinen eine traditionelle Backsteinfassade rekonstruiert. Die Glasziegel werden in einem ausgeklügelten Verfahren hergestellt und sind härter als Beton. Foto: Daria Scagliola & Stijn Brakkee

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