Der Traum eines jeden Designstudenten verwirklichte sich für zwei Studierende der TU Wien: Der Bauherr des Spar-Supermarkts in Alland entdeckte ihren Prototyp einer 3-D-Fassadenplatte, die sich wellt wie nasser Stoff. Die massgeschneiderte Hülle verleiht dem Neubau ein prägnantes Aussehen. Anna Roos Wo liegen die Grenzen der Formbarkeit von Faserzement? Mit dieser Frage setzten sich die Studenten der Technischen Universität Wien im Sommersemester 2013 auseinander. Sie sollten ein System entwickeln, das einen Raum oder ein Objekt mit einzelnen Elementen umhüllen oder bedecken kann. Zum Abschluss des Semesters reisten die Studierenden nach Vöcklabruck nahe Salzburg ins Eternit-Werk und entwickelten in Zusammenarbeit mit den Fachleuten Prototypen ihrer Entwürfe. Die beiden Studierenden Eva Manhart und Philipp Ehfrank wollten mit ihrer Arbeit den Werkstoff Faserzement betonen, so Ehfrank, «ihn aber auch leichter und textiler erscheinen lassen». «Und eine gewisse Eleganz reinbringen», ergänzt Manhart. Als Vorlage für ihren Entwurf diente ein grosses Stück Stoff, dass die beiden Designer intuitiv drapierten. Um die Stofffalten mit Faserzement nachzubilden, formten und modellierten sie das Material in feuchtem Zustand. Für ihr Fassadensystem entwickelten sie acht verschiedene Prototypen, die man horizontal oder vertikal montieren kann. Bei der Schlusspräsentation erhielten die beiden angehenden Designer ein gutes Feedback. Dass ein Unternehmen ihren Entwurf aber gleich zur Umsetzung auswählen würde, damit hatten weder sie noch Eternit gerechnet. Individuell gefertigte Fassade betont expressive Dachform Die Supermarktkette Spar plante im kleinen Dorf Alland etwa vierzig Kilometer südlich von Wien an prominenter Lage eine neue Filiale: in Sichtweite der Kirche, auf einem Grundstück, das gut an die lokale Infrastruktur angebunden ist und an einem Verkehrsknotenpunkt liegt. Ein neuer Supermarkt würde den bisher ungenutzten Platz aufwerten und ein bestehendes Gebäude ersetzen. Der architektonische Ausdruck des Neubaus war wichtig, denn an der exponierten Lage sollte ein Zeichen gesetzt werden. Das Konzept des Architekten Christian Mang sah vor, dem Gebäude mit einer innovativen, dreidimensionalen Fassade einen starken Ausdruck zu verleihen. Als er Manhart und Ehfranks Prototyp zum ersten Mal sah, so Mang, «war ich sofort überzeugt, dass es das richtige Bekleidungsmaterial für unser Spar-Projekt ist. Es passte zu unserem Entwurf.» Die grossen strukturierten Oberflächen, die die Platten erzeugen, beeindruckten ihn. Zudem würde die 3-D-Fassade die dynamische Wirkung des weit auskragenden Dachs betonen. Die Anfrage von Spar sorgte einen Moment lang für heisse Köpfe in Vöcklabruck. Ein Material dreidimensional zu verformen, sei für einen Prototyp relativ einfach, erläutert Produktionsmanager Christoph Pohn. Eine grosse Herausforderung sei es hingegen, die Platten für einen effektiven Bau standardisiert und exakt zu fertigen. Es dauerte rund ein Jahr, bis Manhart und Ehfranks Prototypen serienreif waren und die Platten für die Fassade des Supermarkts produziert werden konnten. Dabei wurden die Faserzementplatten feucht auf die beschichteten Holzmodelle gelegt und anschliessend von Hand in die Falten und Ausbuchtungen gestrichen. Die Faserzementplatten drapieren sich wie nasser Stoff um die Fassade des Supermarkts. Als wollten sie an den feuchten, formbaren Zustand bei der Entstehung der Platten erinnern, weckt die Oberflächenstruktur in mattem Grau den Eindruck eines weichen, plastischen Materials.

Architects:
Mang Architekten, Furth-Palt
Designteam:
DESIGN FASERZEMENTPLATTEN: Eva Manhart und Philipp Ehfrank

GENERALUNTERNEHMUNG: Swietelsky Baugesellschaft GmbH, Feldkirch
FASSADENBAU: SH Systembau GmbH, Scheifling