Die Zukunft erfinden

Wie gestaltet sich die Arbeitswelt von morgen? Wie interagieren wir zukünftig mit unserem städtischen Umfeld? Dass sich eine Beantwortung dieser Fragen keinesfalls in der Fortschreibung momentaner Trends erschöpfen muss, sondern bereits heute gestaltet werden kann, beweist das Haus der Wissensarbeit des Fraunhofer Instituts für Arbeitsforschung (IAO) in Stuttgart Vaihingen. Ben van Berkels UN Studio verlieh diesem Vorhaben eine Gestalt, die Zukunft schon heute erlebbar macht.

Auf dem Campus der Fraunhofer Gesellschaft in Stuttgart Vaihingen ist man der Zukunft einen großen Schritt näher gekommen - genauer gesagt, der Zukunft unserer Arbeit. Am 20. Juni öffnete in einem Festakt das „Haus der Wissensarbeit“ des Fraunhofer Instituts für Arbeitsforschung (IAO) seine Pforten. Hier vereinigt sich der Anspruch nach internationaler Spitzenforschung mit einem visionären architektonischen Konzept. Das niederländische Architekturbüro UN Studio, das in Stuttgart bereits den vielfach prämierten Entwurf des Benz Museums realisieren konnte, schuf in enger und intensiver Zusammenarbeit mit den „Übermorgenmachern“ des Fraunhofer Instituts einen avantgardistischen Meilenstein der Büroarchitektur. Ein Ort an dem Zukunft bereits heute sichtbar und erlebbar wird.

Schon von außen ist es ein Wahrzeichen: Amorph und mit weiß glänzender Metallfassade ragt der zeichenhafte Kopfbau am Südwestende des Campus in den Himmel – das Gebäude scheint regelrecht aus dem Boden empor zu wachsen. Keine seiner Seiten gleicht der anderen, die umlaufenden gezackten Fensterbänder durchschneiden die homogene Hülle, weiten und schließen sich in fließenden Bewegungen. Dort wo diese Bänder ihren Ursprung haben, weist eine markante kelchförmige Vertiefung den Weg in den Neubau und den angrenzenden Bestand. Der Strenge und Ordnung konventioneller Büroarchitektur setzte der Architekt Ben van Berkel eine organische und vitale Formensprache entgegen, die schon von weitem signalisiert: Hier ist alles im Fluss, seien es die Architektur, die internen Abläufe oder die Gedanken der Wissenschaftler.

Ermöglicht wurde diese avantgardistische Architektur durch einen revolutionären Planungsprozess, in dem das gesamte Gebäude im dreidimensionalen Raum entworfen und entwickelt wurde. Doch nicht nur in ihrer Form kann die Gestaltung überzeugen, sie nimmt sich auch auf vorbildliche Weise den drängendsten Fragen unserer Zeit an und übernimmt eine Vorreiterrolle in Punkto Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Auf 32 000 Quadratmetern Nutzfläche, verteilt auf fünf Geschosse, arbeiten die Forscherinnen und Forscher in einem der nachhaltigsten Gebäude der Bundesrepublik. Zertifiziert nach den Kriterien des U.S Green Building Councils (LEEDZertifikat) und der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen, erhielt das „Haus der Wissensarbeit“, als eines der ersten Gebäude in Deutschland überhaupt, ein Prädikat in Gold.

Ausschlaggebend dafür war ein perfekt abgestimmtes Zusammenspiel eines Systems zur Erdwärmegewinnung, einer intelligenten Fassadensteuerung, einer ganzheitlichen Gebäudeautomation und eines besonders auf Energieeffizienz abgestimmten Lichtdesigns. Besonders letzteres zeigt an diesem Ort was es zu leisten im Stande ist und zu welchen Ergebnissen eine offene und feedbackorientierte Planungsphase führen kann. Begeistert erklärte Institutsleiter Prof. Dieter Späth in seiner Eröffnungsrede, dass im Rahmen des Bauprozesses verschiedene Forschungsprojekte entstanden sind – und das eben auch innerhalb der Beleuchtungstechnik. So unterstützt eine ambitionierte Lichtplanung die Architektur und ihren Anspruch, nachhaltig und zukunftsfähig zu sein.

Neue Wege und Denkweisen haben sich in diesem Zusammenhang durchgesetzt, individuelle und passgenaue Lösungen treten an die Stelle strenger Raster und unflexibler Beleuchtungssysteme. In diesem Sinne verzichtete man darauf, das Gebäude nachts von außen anzustrahlen. Nicht nur die offensichtliche Verschwendung von Ressourcen führte zu diesem Schritt – obwohl sie ihn alleine schon gerechtfertigt hätte - sondern die Idee, dass ein Gebäude auch des Nachts mit seiner Umgebung in Interaktion treten kann und mit ihr kommuniziert. Es leuchtet von Innen heraus, macht interne Abläufe und verschiedene Nutzungen ablesbar und verhilft dem Bauwerk zu noch stärkerer Plastizität und Tiefe, ohne dabei auf das einfallende Sonnenlicht angewiesen zu sein. Was bei Nacht als ikonographisches Gestaltungskonzept sichtbar wird, verwandelt sich bei Tage in gebaute Realität.