Sebastian Herkner hat für Freifrau die gängige gestalterische Perspektive aufs Stuhldesign verschoben. Theia macht das Gestell zum Protagonisten, indem die Sitzschale wie ein Juwel eingefasst wird. 



Beim Sessel Theia von Freifrau dreht sich alles um das Gestell. Die Rohrbeine des Sessels erheben sich und bilden zwei Ringe, in denen eine gepolsterte Sitzschale bequem Platz findet

Theia von Freifrau – ein Schmuckstück zum Sitzen

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Beim Sessel Theia von Freifrau dreht sich alles um das Gestell. Die Rohrbeine des Sessels erheben sich und bilden zwei Ringe, in denen eine gepolsterte Sitzschale bequem Platz findet

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Nur wenige Unternehmen der deutschen Möbelbranche produzieren lokal. Ein Großteil von ihnen sind alteingesessene Familienbetriebe, die Traditionen fortführen und auf ein lange etabliertes Netzwerk zurückgreifen. Letzteres trifft auch auf Freifrau zu – allerdings ist der Hersteller gerade einmal zehn Jahre jung. Im Jahr 2012 gründete Hansjörg Helweg die Marke mit dem Ziel, manufakturell in Deutschland zu produzieren. Sinnlich sollten die Möbel sein, ästhetisch mutig und bequem. Auf diese „femininen“ Attribute weist der Name des Unternehmens augenzwinkernd hin, und auch die Möbel tragen ausschließlich weibliche Vornamen.

Das Gestell des Sessels ist nicht nur strukturell von Bedeutung, sondern trägt auch entscheidend zur Ästhetik des schlichten Sessels bei.

Theia von Freifrau – ein Schmuckstück zum Sitzen

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Das Gestell des Sessels ist nicht nur strukturell von Bedeutung, sondern trägt auch entscheidend zur Ästhetik des schlichten Sessels bei.

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Zum Zeitpunkt der Gründung war Hansjörg Helweg Ende Vierzig. Mehr als dreissig Jahre hat der gelernte Schreiner damals als Angestellter in der Möbelindustrie gearbeitet. Da entscheidet er sich, etwas Eigenes, etwas Neues zu beginnen. Und er hat Erfolg: Jahr für Jahr wuchs die Marke Freifrau und gehört heute zu den wichtigsten deutschen Designmöbelproduzenten. Seit drei Jahren sind seine Söhne Niklas und Marc an Bord – und der Vater zieht sich langsam zurück: Freifrau ist ein Familienunternehmen auf Fast Forward, mit den guten alten Werten in der DNA und der Zukunft im Fokus.

Sebastian Herkner, der Designer von Theia, teilt Freifraus Fokus auf Nachhaltigkeit und Designethos und begrüsste die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen während der gesamten Entwurfsphase des Stuhls

Theia von Freifrau – ein Schmuckstück zum Sitzen

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Sebastian Herkner, der Designer von Theia, teilt Freifraus Fokus auf Nachhaltigkeit und Designethos und begrüsste die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen während der gesamten Entwurfsphase des Stuhls

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Handwerk aus der Nachbarschaft


Sebastian Herkner, der mit dem Stuhl Theia gerade seinen zweiten Entwurf für Freifrau fertig gestellt hat, schätzt die progresssive Haltung und die nachhaltigen inneren Werte von Freifrau. Und er erzählt, wie diese mit Blick auf Qualität und Ökologie getroffene Entscheidung für lokale Partner in der Zeit der Lockdowns und lahmgelegter globaler Lieferketten schnell zum Vorteil wurde. Die erste Besprechung für das neue Modell, den Stuhl Theia, fiel mitten in die Pandemiezeit. „Wir konnten uns unkompliziert mit dem Auto oder der Bahn besuchen. Die Handwerker und Produzenten sind vor Ort und durch die kurzen Wege waren wir in der Lage in den direkten Austausch zu gehen und die Entwicklung schnell voran zu bringen“, erzählt Herkner. Während ganze Produktlinien bei anderen Unternehmen an einer Kiste Spezialschrauben scheitern konnte, die irgendwo im internationalen Sendungsverkehr festhing, ging es bei Freifrau in Lemgo weiter. „Das war nochmal der Beleg, dass die Entscheidung von Freifrau, lokal zu produzieren, aus vielen Gründen richtig ist“, sagt Herkner. Das Krisenjahr 2020 war für Freifrau das erfolgreichste Jahr ihrer bisherigen Geschichte – weil die Deutschen in ihr Zuhause investierten, aber auch, weil Freifrau seine Möbel auch liefern konnte.

Da Theia vor Ort produziert und aus lokalen Materialien hergestellt wird, konnten Design, Entwicklung und Produktion des Stuhls schnell vorangetrieben werden, selbst mitten in einer Pandemie

Theia von Freifrau – ein Schmuckstück zum Sitzen

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Da Theia vor Ort produziert und aus lokalen Materialien hergestellt wird, konnten Design, Entwicklung und Produktion des Stuhls schnell vorangetrieben werden, selbst mitten in einer Pandemie

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Entwicklung im Dialog

Herkner schätzt auch den Aspekt, dass Freifrau ein Familienunternehmen ist. „Da entsteht eine andere Zusammenarbeit, bei Freifrau gibt es eine gegenseitige Vertrauensbasis mit Respekt und Kontinuität“, beschreibt er. Der Dialog ist ihm wichtig – auch, weil eine gestalterische Idee manchmal die Diskussion braucht. Bei Theia, den er die letzten beiden Jahre entwickelt hat, traf er sich immer wieder mit Hansjörg Helweg und den beiden Söhnen Marc und Niklas, um erst die Skizzen zu besprechen, dann die 3D-gedruckten Modelle und schließlich die ersten Prototypen, auf denen man gemeinsam Probe saß. „Mein Entwurf war eine Herausforderung an den Produzenten. Für Theia brauchte man ein wenig Mut, und ich war sehr dankbar, dass Freifrau sich darauf eingelassen hat“, meint Herkner. „Das markante Detail, die Öffnung im Rücken, ist handwerklich nicht ganz einfach umzusetzen. Denn das Polster muss hier mit der Hand zugenäht werden – ein sehr aufwändiger Fertigungsschritt für ein Serienprodukt.“

Die offene Rückenlehne von Theia wurde sorgfältig durchdacht, um nicht nur die Form des Stuhls zu erleichtern und sinnlich zu gestalten, sondern auch um den Rahmen zu betonen, der sich sanft um die Öffnung wölbt

Theia von Freifrau – ein Schmuckstück zum Sitzen

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Die offene Rückenlehne von Theia wurde sorgfältig durchdacht, um nicht nur die Form des Stuhls zu erleichtern und sinnlich zu gestalten, sondern auch um den Rahmen zu betonen, der sich sanft um die Öffnung wölbt

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Das Gestell als dekorativer Rahmen


Auch bei der Gestaltung von Theia ist Sebastian Herkner einen ungewöhnlichen Weg gegangen. Statt die Sitzschale zum Zentrum des Entwurfs zu machen, ist es das Gestell. „Das Metallrohr bildet nicht nur die Basis, es läuft über den Rücken und scheint den Stuhl zu umarmen. Das erinnert an die feine Fassung von Schmuckstücken“. Frei nach Dieter Rams' gestalterischer These „Gutes Design ist ehrlich“ wird die technische Konstruktion nicht versteckt, sondern im Gegenteil prominent inszeniert und zu einem ästhetischen Element. So bringt Herkner Polster und Basis miteinander in ein Bedeutungsgleichgewicht. „Das Gestell bildet nicht nur die Füsse, es akzentuiert und definiert auch den Sitz. In der Entwicklung haben wir lange überlegt, ob wir den Rücken öffnen oder nicht. Ich fand dieses Element sehr wichtig, denn der Rahmen umschreibt die Aussparung.“ Theia zitiert mit der feinen, streng gepolsterten Schale und dem umschließenden Metallrahmen auch Entwürfe aus den 1960ern. Das Design ist zurückhaltend und doch ausdrucksstark, was Theia zu einem Universalmöbel macht, das sich in den Objektbereich ebenso gut einfügt, wie in Wohnräume. Herkner sieht seinen Entwurf als logische Erweiterung des Portfolios von Freifrau „Der Charakter einer Marke ergibt sich aus der Summe der Produkte – und mit jedem neuen Entwurf kann man ein Attribut hinzufügen, nochmal eine andere Sprache ins Programm bringen.“

© Architonic

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