Das DesignTaleStudio, das unternehmenseigene Labor des Premiumherstellers CERAMICHE REFIN, ist seit zehn Jahren ein Ort, an dem dank unorthodoxer Kooperationen die Grenzen dessen, was in der Welt der Keramikgestaltung technisch und ästhetisch möglich ist, fortwährend ausgelotet werden.

Alessandro und Francesco Mendinis geometrisch-abstrakte Kollektion Filo kam ebenfalls im Jahr 2014 in vier Farbgebungen auf den Markt: Die unterschiedlichen Zick-Zack-Muster erzeugen die Illusion räumlicher Tiefe

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Alessandro und Francesco Mendinis geometrisch-abstrakte Kollektion Filo kam ebenfalls im Jahr 2014 in vier Farbgebungen auf den Markt: Die unterschiedlichen Zick-Zack-Muster erzeugen die Illusion räumlicher Tiefe

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„Vor zehn Jahren war es eher ungewöhnlich, wenn ein Architekt bei der Nennung des Namens Refin wusste, wer wir sind“, sagt Paolo Cesana, Marketingleiter des führenden italienischen Feinsteinzeugherstellers Ceramiche Refin. „Heute ist es sehr ungewöhnlich, wenn man uns in dieser Branche nicht kennt.“

Und diese Veränderung in der Wahrnehmung kommt nicht von ungefähr. Sie ist sowohl auf eine höchst ausgeklügelte Marketingstrategie als auch auf die Gründung eines eigenen Forschungslabors im Jahr 2005 zurückzuführen. Die Idee für das DesignTaleStudio (kurz: DTS) genannte Labor entstand laut Cesana aus zwei Überlegungen heraus. „Einerseits wollten wir unser Image ändern und uns für Architekten und Planer attraktiver aufstellen, andererseits suchten wir nach Wegen, innerhalb des Unternehmens Refin eine hochwertige Marke zu etablieren, in der sich Forschung nach den technologischen und kreativen Möglichkeiten von Feinsteinzeug durchführen liess.“

Die DTS-Neuheit des Jahres 2015 ist Labyrinth. Das Design von Giulio Iacchetti ist eine Referenz an die hypnotischen Werke des niederländischen Zeichners M. C. Escher

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Die DTS-Neuheit des Jahres 2015 ist Labyrinth. Das Design von Giulio Iacchetti ist eine Referenz an die hypnotischen Werke des niederländischen Zeichners M. C. Escher

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Das DTS ist sozusagen die Spielwiese für Refin, der Ort, an dem unkonventionelle Herstellungsverfahren und Gestaltungstechniken erforscht werden können, ohne sich den Beschränkungen der auf kommerzielle Verwertbarkeit ausgerichteten Produktionslinien beugen zu müssen, denn in diesen gelten die ehernen Gesetze von Kostendruck, Massenfertigung und Massentauglichkeit. „Der grosse Vorteil des DTS ist, dass wir Neues erfinden können und Zeit haben, nachzudenken und Dinge auszuprobieren“, so Cesana. „Das DTS ist unsere Kreativschmiede. Hier experimentieren wir und investieren in Innovationen.“ Ganz nach dem Muster von Autobauern, die sich ein Formel-1-Team leisten, um die Grenzen dessen auszuloten, was technologisch und materialtechnisch möglich ist.

Dem Forscherteam des DTS, das sich aus hauseigenen Mitarbeitern der Marketing- und Forschungsabteilung zusammensetzt und regelmässig auch externe Verstärkung sucht, ging es ursprünglich um die Wiederentdeckung und Neubelebung der traditionellen Keramikmanufaktur. Eine der ersten Kollektionen nannte sich Prototipi d’Autore (Eigenkreation des Künstlers), eine Serie von Hand gestalteter Keramikfliesen, an denen solch namhaften Designer und Architekten wie Alessandro Mendini und Mario Bellini mitwirkten, aber auch Künstlerkoryphäen aus Disziplinen wie Musik, Kunst und Mode, wie z. B. Vivienne Westwood, Elio Fiorucci und Lucio Dalla.

Kasia Zarebas DTS-Kollektion Fossil zeigt von Hand gezeichnete Muster, inspiriert durch urzeitliche Versteinerungen von Pflanzen und Tieren, vor allem von den Kopffüßlern Ammoniten

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Kasia Zarebas DTS-Kollektion Fossil zeigt von Hand gezeichnete Muster, inspiriert durch urzeitliche Versteinerungen von Pflanzen und Tieren, vor allem von den Kopffüßlern Ammoniten

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Die polnische Designerin Kasia Zareba gewann im Jahr 2014 die DTS-Ausschreibung „Create Your Tile“. Foto: Kasia Zareba mit den Juroren Alessandro und Francesco Mendini sowie Refin-Marketingleiter Paolo Cesana

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Die polnische Designerin Kasia Zareba gewann im Jahr 2014 die DTS-Ausschreibung „Create Your Tile“. Foto: Kasia Zareba mit den Juroren Alessandro und Francesco Mendini sowie Refin-Marketingleiter Paolo Cesana

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Aus diesen erwuchs die unter weniger illustrer Besetzung zustande gekommene Kollektion Pareti d’Autore. Die 60 x 120 cm grossen Kacheln waren zum Teil Kunstwerke, zum Teil handwerkliche Meisterstücke der Keramik, die man sich durchaus als Unikate oder in mal harmonierenden, mal kontrastierenden Ensembles an die Wand hängen konnte. Bei diesem Projekt ging es darum, den Designern Raum für das Experimentieren mit Materialien und für die Gestaltung der Oberflächen zu lassen. So kamen neben Metallen (Gold, Kupfer und Kobalt) auch Keramikglasuren auf Quartzgrundlage zum Einsatz, die lebendige, leuchtende Farben und Lichteffekte kreierten. Darüber hinaus wurden dünnere und minimalistischere Versionen dieser Kacheln mit von Hand aufgetragenen Pigmenten, Glasgranulaten und Glasuren hergestellt, die attraktive, taktile Oberflächen ergaben.

Im Jahr 2012 schlug das DTS mit der Kollektion Frame eine neue Richtung ein. In Cesanas Augen markiert dieses Jahr einen wichtigen Wendepunkt. „Nachdem wir uns mehrere Jahre auf die eher traditionellen Keramikmaterialien und komplizierten handwerklichen Herstellungsprozesse konzentriert hatten, deren Kosten hoch waren und die uns nur sehr kleine Stückzahlen erlaubten, erforschten wir nun die Möglichkeiten von Feinsteinzeug“, erklärt er. „Wir wollten die altitalienische Majolikakunst wiederbeleben und mit modernen Mitteln und innovativer, digitaler Gestaltungstechnologie neu interpretieren.“

Frame greift auf die komplexen Möglichkeiten der heutigen Digitaldrucktechnologie zurück und brachte ein Revival von Farbe und Dekor. Für diese Kollektion war das Mailänder Studio FM Designpartner von DTS. Abb.: Majolika-Muster

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Frame greift auf die komplexen Möglichkeiten der heutigen Digitaldrucktechnologie zurück und brachte ein Revival von Farbe und Dekor. Für diese Kollektion war das Mailänder Studio FM Designpartner von DTS. Abb.: Majolika-Muster

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Mit Frame stellte das DTS auf der Grundlage des überlieferten Majolika-Scherben eine Kollektion extrem grafisch wirkender Fliesen mit zeitgenössischer Ausstrahlung vor. Dahinter steckte die Idee, dass die verlegten Fliesen Muster von hoher Individualität hinsichtlich Komposition und Textur kreieren sollten, unabhängig davon, ob nun lediglich ein Fliesentyp verwendet wurde oder eine Kombination unterschiedlicher Entwürfe. Die Designs lassen eine reiche Auswahl an Stilen und Epochen Revue passieren, von Bauhaus über Anni Albers bis zur klassischen japanischen Textilkunst Shibori, und entstanden in Zusammenarbeit mit dem in Mailand ansässigen Büro für Grafikdesign Studio FM.

Cesana definiert die Kooperation mit externen Kreativpartnern und Designern als unverzichtbares Kernstück in der Arbeit des DTS: „Würden wir uns nach aussen hin abschotten, könnten wir nicht ein derart hohes Niveau an Kreativität erlangen. Uns ist ein ständiger Ideenaustausch sehr wichtig.“ Und dieser Austausch an Ideen beschränkt sich nicht nur auf die Entwürfe oder die Konzepte für die Fliesenkollektionen. Immer wieder diffundiert das in den Experimenten des DTS gewonnene Wissen auch hinüber in die Hauptproduktionslinien von Refin. So geschehen beispielsweise beim Einsatz der Digitaldrucktechnologie, mit der im DTS innovative Muster für die Frame-Kollektion ausprobiert wurden und die später in der Produktion einer kommerziellen Refin-Linie Anwendung fand.

Der italienische Designer Massimiliano Adami hat bereits einige Male mit DTS zusammengearbeitet. Seine Kollektion Terraviva erschien im Jahr 2010

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Der italienische Designer Massimiliano Adami hat bereits einige Male mit DTS zusammengearbeitet. Seine Kollektion Terraviva erschien im Jahr 2010

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„Gelegentlich geht aus einer DTS-Partnerschaft tatsächlich ein Refin-Produkt hervor“, fügt Cesana hinzu. „Aus unserer Zusammenarbeit mit den Designern Massimiliano Adami und Luca Nichetto für eine Installation unter freiem Himmel für die Mailänder Möbelmesse 2010 wurden später zwei Produktreihen: Terraviva und Kaos.“ Das Erkennungszeichen von Terraviva (noch in Produktion) sind stilisierte „Risse“, Ausdruck der Spuren, welche die Zeit hinterlässt und ein Verweis auf die organische und wechselhafte Natur der Materialien. Kaos (Produktion eingestellt) hingegen wies eine dreidimensionale Textur auf, bei der grafische Dekorationen einander wie Molekülstrukturen scheinbar beliebig (tatsächlich jedoch hoch organisiert) überlagern.

Vor nicht ganz so langer Zeit, im Jahr 2014, veranstaltete das DTS einen Wettbewerb, der Designer dazu aufrief, Fliesenentwürfe einzureichen, die mit Originalität überraschen würden. Aus dieser Initiative gingen zwei neue Kollektionen hervor: die Reihe Fossil der jungen polnischen Designerin Kasia Zareba (ausgewählt aus über 840 Einsendungen aus allen Teilen der Welt), die sich von urzeitlichen Versteinerungen inspirieren liess, sowie die Kollektion Filo der Juroren und Designkoryphäen Alessandro und Francesco Mendini. „Das enorm positive Echo auf diese Kollektionen beweist, dass das Material Keramik bei Designern, Planern und Architekten hoch im Kurs steht“, sagt Paolo Cesana. „Das ist nicht immer so gewesen. Als Feinsteinzeug seinen Einzug hielt, hatten viele Gestalter das Interesse verloren, weil es für sie lediglich ein Nachahmermaterial war. Heute hingegen erkennen viele Objekteure und Architekten, dass Feinsteinzeug ein selbstständiges Material mit individuellen Eigenschaften und eigenem Charakter ist.“

Wenige Jahre nach seiner Gründung präsentierte das DTS zusammen mit Kreativpartnern aus Architektur, Design, Kunst und Mode die Kollektion Prototipi d’Autore

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Wenige Jahre nach seiner Gründung präsentierte das DTS zusammen mit Kreativpartnern aus Architektur, Design, Kunst und Mode die Kollektion Prototipi d’Autore

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In diesem Jahr wollte das DTS noch einen weiteren Aspekt von Feinsteinzeug erforschen und gab Designer Giulio Iacchetti den Auftrag, eine Bodenfliesenkollektion zu entwerfen, die die Zweidimensionalität durchbrach. „Die dreidimensionalen Möglichkeiten digitaler Gestaltungstechnologie wurden bisher nur zur Imitation natürlicher Vorlagen, beispielsweise Holzoberflächen, eingesetzt, aber nicht zur Erschaffung von etwas gänzlich Neuem“, so Cesana. Aus Iacchettis Entwurf entstand die Kollektion Labyrinth. Scheinbar endlose Musterabfolgen, die mit ihrer hypnotischen Kraft an die Grafiken des Künstlers M. C. Escher erinnern. Der modulare Charakter der Bodenfliesen lässt auch den Endkunden Spielraum zur aktiven Gestaltung ihres höchst eigenen, häuslichen Labyrinths.

Obwohl Labyrinth eher eine gedankliche, denn eine tatsächliche Interpretation von Dreidimensionalität ist, wird das DTS dieses Konzept zukünftig auch auf der visuellen und physischen Ebene weiter ausloten, so Cesana. Doch soll nichts überstürzt werden. Der zentrale Teil „Tale“ im Namen der Refin-Kreativwerkstatt bedeutet „Geschichte“ und so ist auch der zentrale Aspekt des DTS das Narrative, das sich Entwickelnde. Es geht darum, den industriellen Fertigungsprozess mit handwerklichen Techniken und Kreativität zu verschmelzen und sich dafür Zeit zu lassen. Man darf gespannt sein auf das, was die kommenden zehn Jahre Forschung in der Welt der Keramik hervorbringen werden.

Im Hauptsitz von Refin in Sassuolo, dem Kerngebiet der norditalienischen Keramikindustrie, werden die Rohmaterialien für die Fliesenproduktion unter den Markennamen Refin und DTS (DesignTaleStudio) ausgestellt

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Im Hauptsitz von Refin in Sassuolo, dem Kerngebiet der norditalienischen Keramikindustrie, werden die Rohmaterialien für die Fliesenproduktion unter den Markennamen Refin und DTS (DesignTaleStudio) ausgestellt

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