Nachdem wir in der Vergangenheit einen unterkühlten Iran erlebt haben, hat für das Land nun eine heisse Phase im Bereich der Architektur begonnen. Andererseits wird manchenorts argumentiert, dass die angespannte Ära der Sanktionen den jungen iranischen Architekten ein kreativ ertragreiches Terrain geboten hat.

Das dekorative, polychrome äussere Erscheinungsbild des Teheraner Büros des industriellen Glasherstellers Kaveh, das 2015 fertiggestellt wurde, legt Zeugnis von dem Material ab, das die Firma herstellt

Architektur im Iran | Aktuelles

Das dekorative, polychrome äussere Erscheinungsbild des Teheraner Büros des industriellen Glasherstellers Kaveh, das 2015 fertiggestellt wurde, legt Zeugnis von dem Material ab, das die Firma herstellt

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Am 16. Januar, am Tag der Inkraftsetzung, bestätigte die Internationale Atomenergiebehörde, dass der Iran allen Verpflichtungen nachgekommen ist, die im letzten Sommer im Abkommen über die Beschränkung des Atomprogramms vereinbart wurden. Das Datum markierte das Ende der zehn Jahre andauernden und durch das Nuklearprogramm verursachten Sanktionen, die das Land wirtschaftlich gelähmt haben. Und führt die Möglichkeit vor Augen, dass der Iran wieder Anschluss an die Weltwirtschaft findet. Hierfür befindet sich das Land in einer guten Ausgangslage: Es hat die zweitgrösste Wirtschaftsleistung im Mittleren Osten nach Saudi-Arabien und besitzt die grössten Gas- und viertgrössten Ölvorkommen. Trotz der internationalen Isolation, die durch Sanktionen bedingt war, hat man im Iran kulturelle Veränderungen nicht verschlafen: Die Hälfte aller Einwohner besitzen Smartphones und sind in sozialen Netzwerken aktiv.

Die Prämisse unter der A Beveled Building renoviert wurde, so die Architekten von Ayeneh Office war, den Ausblick auf einen störenden Telegrafenmast und das gegenüberliegende Gebäude zu verdecken. Abgeschrägte Fenster leiten den Blick

Architektur im Iran | Aktuelles

Die Prämisse unter der A Beveled Building renoviert wurde, so die Architekten von Ayeneh Office war, den Ausblick auf einen störenden Telegrafenmast und das gegenüberliegende Gebäude zu verdecken. Abgeschrägte Fenster leiten den Blick

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Hinzu kommt, dass ein neuer Gesetzesrahmen eingeführt wurde, um vermehrt Investitionen aus dem Ausland anzuregen. Er ermöglicht es beispielsweise, eine iranische Firma mit hundert Prozent Auslandskapital einzutragen. Zwei vormals rückläufige Sektoren, von denen man sich verspricht, dass sie hierdurch profitieren werden, sind Irans Baugewerbe und Wohnungsmarkt. Noch bevor die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben wurden, befand sich seine Architektur im Aufschwung. Heute haben manche gar das Gefühl, dass die kulturelle Isolierung des Landes diese Blütezeit erst bewirkte – und dass eine Wiederannäherung an seine vormaligen Feinde mitsamt dem unausweichlichen Zusammenwachsen mit der globalisierten Welt – diese Entwicklung unterlaufen könnte.

Die uninspirierende dreieckige Parzelle des Bürogebäudes Niayesh veranlasste die Architekten eine visuell ansprechende Fassade mit faszinierenden Variationen der Flurhöhen und Dimensionen der Fenster zu entwerfen

Architektur im Iran | Aktuelles

Die uninspirierende dreieckige Parzelle des Bürogebäudes Niayesh veranlasste die Architekten eine visuell ansprechende Fassade mit faszinierenden Variationen der Flurhöhen und Dimensionen der Fenster zu entwerfen

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„Die Sanktionen der letzten Jahre hielten die ausländischen Architekten und insbesondere Stararchitekten davon ab, in den Iran zu kommen, und das war ein Segen“, sagt der Architekt Amir Sanei von Sanei+Hopkins Architects in London, geboren und aufgewachsen im Iran, ausgebildet in Grossbritannien. „Sie ermöglichten jungen iranischen Architekten, eine eigene charakteristische Sprache zu finden innerhalb sanktionsbedingter Einschränkungen hinsichtlich Technologien und Materialien.“

Die starken horizontalen Linien des Bürogebäudes werden im Inneren wiederholt, mit seinen langen, engen, dramatischen winkeligen Aussparungen in der Decke, die die Beleuchtung fassen

Architektur im Iran | Aktuelles

Die starken horizontalen Linien des Bürogebäudes werden im Inneren wiederholt, mit seinen langen, engen, dramatischen winkeligen Aussparungen in der Decke, die die Beleuchtung fassen

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Der Blick auf eine Auswahl gegenwärtiger iranischer Projekte verrät, dass sich die Architekten dieses Landes typischerweise mit Geometrie, Licht, Farbe und Kontext beschäftigen. Man nehme beispielsweise das Beveled Building in der Stadt Najafabad im Zentraliran, einen bereits bestehenden Bau, der von Ayeneh Office geschickt umgestaltet wurde. Das durchaus pragmatische Hauptziel bestand darin, die bis dato unausweichlichen Aussichten auf einen Telegrafenmast und auf das gegenüberliegende Gebäude zu kaschieren. In seiner Neugestaltung wurde der Bezug des Gebäudes zu seiner Umwelt raffiniert überarbeitet, indem zur abgeschrägten Frontseite überstehende winkelförmige Fenster hinzukamen. Dadurch erfreut sich das Auge am üppigen Grün und an den Bergen. Die Architekten entschieden sich ausserdem für eine einheitlich weisse Fassade, die auf das Spiel von Licht und Schatten setzt und die Oberfläche vereinheitlicht, damit diese nicht durch die vielen hervorstehenden und unterschiedlich grossen Fenster zu unruhig wirkt.

Hooba Design Group, die Architekten des Valiahdi-Einkaufszentrum in Karaj, verwenden die Bezeichnung „Multidimensionalität“, um die komplexe, rhythmisch gemusterte Fassade zu beschreiben; Fotos: Parham Taghioff (oben) und Abbas Havashemi (unten)

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Hooba Design Group, die Architekten des Valiahdi-Einkaufszentrum in Karaj, verwenden die Bezeichnung „Multidimensionalität“, um die komplexe, rhythmisch gemusterte Fassade zu beschreiben; Fotos: Parham Taghioff (oben) und Abbas Havashemi (unten)

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Behzad Atabakis neues, sechs Stockwerke hohes Niayesh Bürogebäude in Teheran ist vom Gefühl der Architekten beeinflusst, dass seine beinahe dreieckige Anlage wenig inspirierend wirkt und neue Belebung braucht. Um visuell monotone Formen zu vermeiden, hat der Architekt eine Struktur mit Stockwerken geschaffen, die zudem unterschiedliche Höhen aufzuweisen scheinen. Hinzu kommt eine exzentrische Verbindung schmaler Fenster, die langestreckt erscheinen und paarweise mit konventionelleren rechteckigen Fenstern angeordnet sind. Nichtsdestotrotz haben die Architekten dieses fragmentiert wirkende Äussere vereinheitlicht, indem sie es mit einem einzigen Material verkleidet haben: Stein. Obwohl sie eigenwillig sind, bieten starke horizontale Linien, Flachdach und abgerundete Ecken einen vertrauten Anblick und rufen sowohl den Internationalen Stil in Erinnerung als auch die Art-déco-Architektur.

Die dynamischen Muster der Aussenfassade des Valiahdi-Gebäudes setzen sich im Inneren dank der Buntglasfenster fort, die farbige Muster werfen, wenn sie vom Sonnenlicht getrfoffen werden; Fotos Pooyeh Nouryan (oben) und Parham Taghioff (unten)

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Die dynamischen Muster der Aussenfassade des Valiahdi-Gebäudes setzen sich im Inneren dank der Buntglasfenster fort, die farbige Muster werfen, wenn sie vom Sonnenlicht getrfoffen werden; Fotos Pooyeh Nouryan (oben) und Parham Taghioff (unten)

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Der Städtebauliche Kontext hat auch die Struktur des zwanzig Kilometer westlich von Teheran gelegenen Valiahdi-Büroblock stark beeinflusst: Die Fenster der wellenartigen Aussenseite sind nach einem Raster angeordnet, das von der umliegenden Strassengestaltung inspiriert wurde. Sieht man den Block in Verbindung mit den beiden Bauprojekten Niayesh und A Beveled Building, so vermutet man, dass eine besondere iranische Neigung für Fassaden existiert, die komplexe geometrische 3-D-Aufbauten aufweisen. Sanei zufolge ist das kein neues Phänomen: „Die Architektur des persischen Reichs beschäftigte sich über die letzten 2500 Jahre hinweg mit Geometrie, Licht und Raum“. Tatsächlich ist die Art, wie Licht und Farben beim Valiahdi-Bürogebäude verwendet und kombiniert werden, ein weiteres zentrales Merkmal. Die Fenster sind von der alten persischen Orosi-Tradition (Glasmalkunst) inspiriert und ausserordentlich lebhafte Beispiele dessen, was es im Golestanpalast in Teheran zu sehen gibt.
Die Farben der Bürofenster – Türkis und Ziegelrot –, die oft in der traditionellen persischen Architektur genutzt wurden berufen sich ganz bewusst auf Irans Vergangenheit. Das gefärbte Glas erfüllt auch einen praktischen Nutzen und hilft, die Hitze abzuleiten, die durch die starke Sonneneinstrahlung in das Gebäude eintritt.

Das Grundstück des Bürogebäudes von Kaveh zwang die Architekten dazu, eine rechteckige Form zu wählen. Um zu verhindern, dass diese monoton aussieht, haben sie eine vielfarbige visuell spektakuläre Glasfassade entworfen

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Das Grundstück des Bürogebäudes von Kaveh zwang die Architekten dazu, eine rechteckige Form zu wählen. Um zu verhindern, dass diese monoton aussieht, haben sie eine vielfarbige visuell spektakuläre Glasfassade entworfen

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Noch weitaus verschwenderischer wurden Licht und Farben im Teheraner Büro des Industrieglas-Unternehmens Kaveh eingesetzt, das Amirabbas Aboutalebi von AA Design entworfen hat. Auch hier hat der Standort das längliche und rechteckige Profil bestimmt, obwohl die mehrfarbige Fassade zwar an
Le Corbusiers L’Unité d’Habitation Apartment-Block in Marseille erinnert, aber mit ihrem Atrium, das durch die Leisten aus Glasjuwelen leuchtet und dabei eine auffallende Musterung zeigt, alles andere als vorhersehbar ist. Nachhaltigkeit und psychologisches Wohlbefinden sind weitere Bezugspunkte des Projekts: Die Fülle an Tageslicht, das ins Innere dringt wurde konzipiert, um den Bedarf an elektrischer Beleuchtung zu reduzieren und Energie einzusparen; der Überfluss von Farben in den Fenstern soll zum Wohlbefinden der 4000 Beschäftigten beitragen und das Atrium speichert die Wärme während des Winters und verbannt die stehende, warme Luft im Sommer.

Gegenwärtige iranische Architektur referiert auf alte architektonische Traditionen, tut dies jedoch auf spielerische Weise und mit Verve. Nun muss sich noch zeigen, wie sie sich entwickelt – und ob sie sich ihre Integrität bewahren kann – wenn sie die Weltbühne tatsächlich wieder betreten hat.

Die singenden Farben des Atriums im Kaveh-Gebäude sind genauso praktisch wie dekorativ – auch sie bringen Licht in das Gebäude. Mittig angebrachte Achtecke auf verschiedenen Wandhöhen stellen ein weiteres dekoratives Element dar

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Die singenden Farben des Atriums im Kaveh-Gebäude sind genauso praktisch wie dekorativ – auch sie bringen Licht in das Gebäude. Mittig angebrachte Achtecke auf verschiedenen Wandhöhen stellen ein weiteres dekoratives Element dar

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