Konflikte, Naturkatastrophen, Wohnungsnot. Architekten und Designer in aller Welt entwerfen intelligente Fertiglösungen für humanitäre und soziale Krisen.

Das faltbare Better Shelter von Ikea soll vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHRC an obdachlose Familien in aller Welt ausgegeben werden. 10.000 Stück der 17,5 Quadratmeter grossen Hütte befinden sich derzeit in Produktion

Gimme Shelter | Aktuelles

Das faltbare Better Shelter von Ikea soll vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHRC an obdachlose Familien in aller Welt ausgegeben werden. 10.000 Stück der 17,5 Quadratmeter grossen Hütte befinden sich derzeit in Produktion

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Die Zahlen sagen alles.

Der nicht enden wollende Konflikt in Syrien gilt als grösste humanitäre Tragödie seit dem Zweiten Weltkrieg. Um das Ausmass des Elends fassbar zu machen, zitieren die Medien gerne die traurigste aller Statistiken: 7,6 Millionen Vertriebene im Land selbst plus über 4 Millionen registrierte Flüchtlinge in den Nachbarländern. Die Zahl derer, die derzeit in Europa Asyl suchen, ist da noch gar nicht mitgerechnet. Ziffern solcher Grössenordnung haben etwas Abstraktes, aber das darf uns nicht über die Realität hinwegtäuschen, die das Leben der Flüchtlinge tagtäglich prägt.

Von Natur und Mensch verursachte Katastrophen sind natürlich nichts Neues. Ebenso wenig wie die Versuche von Architekten und Designern, einen kleinen, aber konkreten Beitrag dazu zu leisten, all jenen, die plötzlich und gewaltsam ihres Heimes beraubt wurden, ein Grundbedürfnis zu erfüllen – das Bedürfnis nach einem Dach über dem Kopf. Jean Prouvés Maisons démontables, einräumige Fertigteilhäuser aus Holz, Stahl und Aluminium für die Obdachlosen und Vertriebenen im Frankreich der Nachkriegszeit, die noch heute als Musterbeispiel für rationelles und zugleich humanes Design geschätzt werden, sowie die Paper Log Houses des Pritzker-Preisträgers Shigeru Ban für die Opfer des Erdbebens von Kōbe 1995 zählen zu den richtungsweisenden Entwürfen, die sich in internationalen Krisen als temporäre oder permanente Unterkünfte bewährten.

Better Shelter bietet Platz für maximal fünf Personen. Ein Stahlgerüst trägt eine Reihe leichter, wärmedämmender Kunststoffwände. Die Notunterkunft wurde bereits im Irak und in Äthiopien getestet

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Better Shelter bietet Platz für maximal fünf Personen. Ein Stahlgerüst trägt eine Reihe leichter, wärmedämmender Kunststoffwände. Die Notunterkunft wurde bereits im Irak und in Äthiopien getestet

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Es mag eine besondere Koinzidenz sein, dass Flüchtlinge, die vor der Gewalt totalitärer Regime (und nicht selten auch vor den Folgewirkungen ausländischer Versuche, einen Regimewechsel herbeizuführen) in demokratischen Nationen Schutz suchen, in Selbstbau-Hütten des wohl demokratischsten Möbelherstellers überhaupt, Ikea, untergebracht werden. Das schwedische Einrichtungshaus produziert für das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHRC 10.000 faltbare Unterkünfte, die weltweit an obdachlose Familien ausgegeben werden sollen. Das 17,5 Quadratmeter grosse Better Shelter besteht aus einer Reihe leichter, wärmedämmender Kunststoffwände, die per Steckverbindung an einem Stahlgerüst befestigt werden. Die Hütte für fünf Personen hat eine Lebensdauer von maximal drei Jahren und wurde bereits in Äthiopien und im Irak getestet.

Fertigbaulösung für den Ernstfall: Das Büro Garrison Architects in Brooklyn, New York, entwickelte im Auftrag der Stadtgemeinde ein flexibles industriell herstellbares Wohnmodul für den Katastropheneinsatz. Foto: Andrew Rugge/archphoto

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Fertigbaulösung für den Ernstfall: Das Büro Garrison Architects in Brooklyn, New York, entwickelte im Auftrag der Stadtgemeinde ein flexibles industriell herstellbares Wohnmodul für den Katastropheneinsatz. Foto: Andrew Rugge/archphoto

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Die Vorteile von Fertigbaulösungen in Krisensituationen unterstreichen Projekte der Büros Rogers Stirk Harbour + Partners in London und Garrison Architects in Brooklyn, New York. Garrison entwickelte im Auftrag des New York City Office of Emergency Management ein Wohnmodul für Katastrophenfälle, das per Kran am Zielort abgeladen und dort in weniger als 15 Stunden zu mehrstöckigen Wohnblocks kombiniert werden kann. Die Einheiten lassen sich einzeln aufstellen, reihen oder stapeln, wie es den individuellen Bedürfnissen ihrer Benutzer entspricht. RSHPs Antwort auf den Wohnungsmangel heisst Y:Cube. Jedes der 26 Quadratmeter grossen, serienproduzierten Fertigmodule bietet einer Familie eine Wohnqualität, die im traditionellen Wohnungsbau nur mit weitaus höherem Geld- und Zeitaufwand zu erreichen wäre. Der ersten Anwendung in South London werden sicherlich weitere folgen.

Rogers Stirk Harbour + Partners entwarfen die modulare Wohneinheit Y:Cube als Antwort auf die wachsende Obdachlosigkeit in London. Trotz einfacher Fertigbauweise wird ein Optimum an Wohnqualität erzielt. Fotos: RSHP (oben) und Grant Smith

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Rogers Stirk Harbour + Partners entwarfen die modulare Wohneinheit Y:Cube als Antwort auf die wachsende Obdachlosigkeit in London. Trotz einfacher Fertigbauweise wird ein Optimum an Wohnqualität erzielt. Fotos: RSHP (oben) und Grant Smith

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Wenn es um Soforthilfe im Ernstfall geht, ist das Angebot der türkischen Designberatung Designnobis nicht vom Planungstisch zu weisen: Das transportable Tentative Shelter kommt in einer flachen Glasfaserbox, die im fertigen Haus als Boden und Dach dient, und besteht aus einem leichten Rahmen mit Türen und wärmedämmenden Stoffwänden. Die Grundfläche von 8 Quadratmetern bietet Platz für zwei Erwachsene und zwei Kinder. Ein architektonischer David, der den gigantischen Krisen, die auf uns zukommen, mutig entgegentritt.

Das Tentative Shelter des türkischen Designberaters Designnobis bietet Platz für zwei Erwachsene und zwei Kinder. Die Unterkunft inklusive Türen und Wände kann aus der flachen transportablen Glasfaserbox herausgeklappt werden

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Das Tentative Shelter des türkischen Designberaters Designnobis bietet Platz für zwei Erwachsene und zwei Kinder. Die Unterkunft inklusive Türen und Wände kann aus der flachen transportablen Glasfaserbox herausgeklappt werden

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