Zooarchitektur muss planerisch zwei Perspektiven berücksichtigen: die des Besuchers und die der dort lebenden Tiere. Ein Zoo ist eben doch kein Kino.

Die Giraffen-Aufzuchtstation im Auckland Zoo von Monk Mackenzie und Glamuzina Patterson reflektiert das Grössenverhältnis von Tier zu Mensch

Tierisch gut gebaut: Die neue Zooarchitektur | Aktuelles

Die Giraffen-Aufzuchtstation im Auckland Zoo von Monk Mackenzie und Glamuzina Patterson reflektiert das Grössenverhältnis von Tier zu Mensch

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Wer für Zootiere baut, hat es als Planer nicht leicht. Gefordert sind komplexe Anlagen, die eine artgerechte Haltung der Tiere gewährleisten und zugleich eine ansprechende Erlebniswelt für die Besucher erschaffen.

Zoos in denen Tiere noch wie museale Ausstellungsstücke in Käfigen präsentiert werden, sind schon lange nicht mehr üblich. Heute werden sie in auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Landschaften gehalten, die den Besucher in exotische Welten entführen sollen. Einer der ersten Zoos mit solch einer artifiziellen Landschaft war der zoologische Park von Paris-Vincennes, der 1934 angelegt wurde. Die Umgestaltung von Bernard Tschumi Architects greift dieses Konzept erneut auf und inszeniert die Tiere in ihren „natürlichen“ Lebensräumen Europas, Madagaskars und Guyanas sowie den weiten Flächen, welche der sudanesischen Sahelzone und der Hochebene Patagoniens nachempfunden sind. Für den Besucher wird so die Illusion von Weite und wilder Natur geschaffen, in der er sich auf Entdeckungstour begeben kann.

Bernard Tschumi Architects gestalteten den Zoo de Vincennes neu. Der grösste Tierpark von Paris war bei seiner Eröffnung 1934 einer der ersten, der Tiere in einer künstlichen, an die Herkunftsorte seiner Bewohner angelehnten Natur präsentierte

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Bernard Tschumi Architects gestalteten den Zoo de Vincennes neu. Der grösste Tierpark von Paris war bei seiner Eröffnung 1934 einer der ersten, der Tiere in einer künstlichen, an die Herkunftsorte seiner Bewohner angelehnten Natur präsentierte

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Anfang des 20. Jahrhunderts war es der deutsche Tierhändler und Zoodirektor Carl Hagenbeck, der die Zoogestaltung revolutionierte. Für den Zoo bei Hamburg liess er naturalistische Freigehege anlegen und nutzte anstatt sichtbarer Gitter Wasserbecken und Vegetation zur Abgrenzung. Heute hat sich diese Idee zu Erlebnisanlagen mit sogenannten Immersionsgehegen weiterentwickelt, die dem Besucher das Gefühl vermitteln, sich im heimischen Territorium des Tieres zu bewegen und nicht einfach nur mehr Zaungast zu sein.

Der neue Kaeng-Krachan-Elefantenpark im Zoo Zürich von Markus Schietsch Architekten und Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur und Städtebau verfolgt ein ähnliches Prinzip. Den Elefanten steht ein grosses Freigehege zur Verfügung, das ihnen mit Wasseranlagen, üppiger Vegetation und versteckten Futterstellen Abwechslung bietet und den Besucher zugleich auf eine Safari durch Thailand schickt. Diese setzt sich im Inneren der Halle fort, das von einer freitragenden hölzernen Dachschale überdeckt wird. Die unregelmässige Netzstruktur der Überdachung lässt ein Licht- und Schattenspiel entstehen, welches das Gefühl vermittelt unter einem Blätterdach zu sein.

Das 6800 qm grosse, netzartige Holzdach des Elefantenpark Zürich kommt ohne stützende Elemente im Inneren aus. Markus Schietsch Architekten und Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur und Städtebau gestalteten auch ein grosszügiges Freigehege

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Das 6800 qm grosse, netzartige Holzdach des Elefantenpark Zürich kommt ohne stützende Elemente im Inneren aus. Markus Schietsch Architekten und Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur und Städtebau gestalteten auch ein grosszügiges Freigehege

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Manchmal steht aber auch die Funktionalität der Bauten im Vordergrund, wie etwa bei der neuen Giraffen-Aufzuchtstation des Auckland Zoo von Monk Mackenzie und Glamuzina Patterson, die zwei unterschiedliche Massstäbe vereinen musste. Zwei ineinander gesteckte Volumen mit Pultdächern lösen das Problem und vereinen das Mass für Mensch und Tier: Die Tierpfleger betreten das Gebäude auf einer der niedrigen Seiten, wo eine Treppe im Inneren ihnen die Interaktion mit den Tieren auf Augenhöhe ermöglicht. Deren Eingänge befinden sich hingegen an den hohen Seiten, die verschiedene Freibereiche erschliessen. Für den Bau stand nur ein geringes Budget zur Verfügung, weshalb sich die Architektur in schlichter Funktionalität zurücknimmt.

Monk Mackenzies und Glamuzina Pattersons Giraffen-Aufzuchtstation im Zoo von Auckland ist schlicht und funktional. Die Pfleger betreten das Gebäude auf einer der niedrigen Seiten und erreichen über eine Treppe im Inneren Augenhöhe mit den Giraffen

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Monk Mackenzies und Glamuzina Pattersons Giraffen-Aufzuchtstation im Zoo von Auckland ist schlicht und funktional. Die Pfleger betreten das Gebäude auf einer der niedrigen Seiten und erreichen über eine Treppe im Inneren Augenhöhe mit den Giraffen

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Nicht immer bedarf es der Reise in ferne Welten, um die Besucher, im Besonderen die Kinder, zu begeistern. Auch die weniger exotischen Tierwelten haben einiges zu bieten, vor allem wenn man ihnen im Streichelzoo ganz nahe sein kann. So auch im kürzlich zur Landesgartenschau 2016 eröffneten Streichelzoo im südöstlichen Teil des Schlossgartens Öhringen. Kresings Architektur haben Stall und Vogelvoliere als ovale Bauten mit markanter Holzlamellenkonstruktion aus unbehandeltem Lärchenholz konzipiert. Die offene Struktur erlaubt vielfältige Blickbezüge und nimmt besonders auf die Perspektive der kleinen Besucher Rücksicht.

Der kürzlich eröffnete Streichelzoo in Öhringen von Kresings Architektur berücksichtig durch seine offene Struktur besonders die Perspektive der jungen Besucher

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Der kürzlich eröffnete Streichelzoo in Öhringen von Kresings Architektur berücksichtig durch seine offene Struktur besonders die Perspektive der jungen Besucher

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Die Faszination für den Zoo liegt in der Begegnung mit Tieren aus nächster Nähe und der Entdeckung ferner Welten. Damit die perfekte Illusion geschaffen werden kann und sich die Tiere zugleich wohl fühlen, bedarf es technisch und planerisch komplexer Anlagen und einer kreativen Gestaltung, die all dies verbindet. Die zeitgenössischen Projekte zeigen, wie dies auf unterschiedlichste Art und Weise umgesetzt werden kann.

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