Technology

Die technologische Aufrüstung unserer Stuben schreitet voran. Und weil der Klügere nachgibt bleibt die Technik dabei meist im Hintergrund. Manchmal allerdings bekommt sie die Hauptrolle.

Nur das Beamen klappt noch nicht, daher wird das Spaceship Home von NOEM über eine original Flugzeugtreppe von Spanair betreten

Smart Homes | Aktuelles

Nur das Beamen klappt noch nicht, daher wird das Spaceship Home von NOEM über eine original Flugzeugtreppe von Spanair betreten

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In Jacques Tatis Film „Mon oncle“ von 1958 stolpert ein verträumter Monsieur Hulot durch die mit allerlei technischen Finessen ausgestattete Villa Arpel. Das moderne Zuhause ist der ganze Stolz von Hulots Schwester und deren Mann, die dort mit ihrem kleinen Sohn leben, der sich in der automatisierten, klinisch sauberen Umgebung jedoch zu Tode langweilt. Zum Glück nimmt sich ihm der feingeistige Onkel an und belustigt den Zuschauer durch seine Deplatziertheit in der kalten, technisierten Welt. Das Wohnhaus dient, so zeigt sich schnell, eher der Repräsentation als dem Komfort seiner Bewohner. Diese passen sich mehr und mehr dem Haus an und bald bestimmt die Technik ihre Lebensweise.

Das Smart Home von heute will natürlich das Gegenteil erreichen. Ziel der Entwicklung ist ein optimiertes Gebäude, das sich seinen Bewohnern anpasst und ihnen damit das Leben erleichtert, nicht umgekehrt. Neben der Steigerung des Komforts bieten die Möglichkeiten der Gebäudeautomation dem Bewohner zudem eine Erhöhung der Sicherheit und der nachhaltigen Bewirtschaftung. Für den Architekten bedeutet die Miteinbeziehung des Technikexperten die Integration eines weiteren Akteurs in den Entwurfsprozess.

Die Kontrollzentrale erinnert ganz bewusst an ein Raumschiff. Von hier können alle technischen Funktionen im Haus gesteuert werden

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Die Kontrollzentrale erinnert ganz bewusst an ein Raumschiff. Von hier können alle technischen Funktionen im Haus gesteuert werden

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Die Smart-Home-Technik soll, so der Wunsch der meisten Bauherren, kaum sichtbar in die eigenen vier Wände integriert werden. Wie sie hingegen als Gestaltungsmittel fungieren kann zeigt das spanische Büro NOEM mit dem futuristisch anmutenden Spaceship Home, das aus drei vorfabrizierten Modulen besteht, die vor Ort zusammengefügt und auf vier Meter hohe Stützen montiert wurden. Die Smart-Home-Technologie erfüllt dort ihre Aufgaben auf kleinstem Raum und hilft bei der Verwirklichung eines beinahe kindlichen Traumes: die Idee des Baumhauses als geschützter Rückzugsort mit weiter Sicht. Hier wird daraus, in Kombination mit modernster Technik, eine Raumschiffkulisse. Nicht die Grösse des Zuhauses, sondern die technische Ausstattung steht für ein gesteigertes Komfortgefühl und macht den Wert des kleinen Wohnhauses aus. Die Liebe des Bauherren zum Film, die Affinität zu Gebäudeautomation und der Wunsch nach Komfort haben die Architekten dazu inspiriert ein Gebäude mit „Star Wars“-Charakter zu entwerfen. Dessen Kernstück ist die grosse Kontrollzentrale im Eingangsbereich, von der aus alle technischen Funktionen im Haus gesteuert werden können. Am eindrucksvollsten ist aber letztlich doch der Ausblick von der Terrasse, der keinerlei Technik bedarf.

Nico van der Meulen Architects haben dem Kloof Road House ein skulpturales Erscheinungsbild verliehen. Die Idee der fliessenden Übergängen findet sich auch in der bewusst zurückhaltenden Integration der Smart-Home-Technik wieder

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Nico van der Meulen Architects haben dem Kloof Road House ein skulpturales Erscheinungsbild verliehen. Die Idee der fliessenden Übergängen findet sich auch in der bewusst zurückhaltenden Integration der Smart-Home-Technik wieder

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Zahlreiche Ausblicke bietet auch das Kloof Road House von Nico van der Meulen Architects in Johannesburg. Die Smart-Home-Technik wurde bei diesem Projekt allerdings erst nachträglich integriert, da es sich um den Umbau eines Bestandsgebäudes handelt. Auf Wunsch des Bauherren wurde dabei dem Aussenraum besondere Bedeutung beigemessen, weshalb die Übergänge in die Innenräume beinahe nahtlos verlaufen. Die dunkle Stahlträgerkonstruktion mit grossflächigen Verglasungen wurde teils mit geknickten Stahlpanelen verkleidet, deren markante Formensprache sowie Materialität im Inneren des Gebäudes fortgeführt wurde. Doch nicht nur Innen- und Aussenbereiche sowie deren Gestaltung sollen sich übergangslos ineinander fügen. Auch die Technik, die das gesamte Haus vernetzt und auf ihre unterschiedlichen Bewohner angepasst ist, galt es möglichst zurückhaltend zu integrieren. Im Gegensatz zum Spaceship Home fand daher keine bewusste Inszenierung der Geräte statt. Über mehrere Touchscreens, die, wie auch die Flachbildschirme, in die Innenwände eingelassen sind, können Audio- und Videosysteme, die Belichtung und sämtliche Jalousien von jedem zentralen Punkt im Gebäude ferngesteuert werden. Auch hier dient die Smart-Home-Technik vorrangig der Steigerung des Komforts und bietet innerhalb der grosszügigen Villa mit ihren mehr als 1000 Quadratmetern Fläche einen zusätzlichen Luxus.

Die Holzfassade des W.I.N.D. House (UNStudio) lässt nicht auf ein Smart Home schliessen, aber integrierte Gebäudeautomation und offene Raumgestaltung ermöglichen ein Maximum an Flexibilität. Fotos: Fedde de Weert (oben), Inga Powilleit (mitte, unten)

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Die Holzfassade des W.I.N.D. House (UNStudio) lässt nicht auf ein Smart Home schliessen, aber integrierte Gebäudeautomation und offene Raumgestaltung ermöglichen ein Maximum an Flexibilität. Fotos: Fedde de Weert (oben), Inga Powilleit (mitte, unten)

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In welcher Form die Gebäudeautomation zu mehr Nachhaltigkeit und Flexibilität beitragen kann, zeigt das in der niederländischen Polderlandschaft gelegene W.I.N.D. House von UNStudio. Auf den ersten Blick lässt das Gebäude nicht unbedingt auf eine hochtechnisierte Ausstattung schliessen. Der ungewöhnliche Grundriss zeigt die Form einer Blüte mit vier Blütenblättern, Fassade und Dach des Einfamilienhauses sind mit Holzlatten verkleidet und im Inneren sorgen Lehmputz an Wänden und Decken sowie Lehmziegel für ein angenehmes Klima. Im Nullenergiehaus wurden natürliche Materialien mit moderner Technik kombiniert und so lassen sich die Luft-Wasser-Wärmepumpe, die mechanische Belüftung mit Wärmerückgewinnung und die Sonnenkollektoren mittels eines übergreifenden Gebäudeautomationssystems steuern. Klimaanlage und Fussbodenheizung zur Temperierung der Innenräume können über einen zentralen Touchscreen sowie individuell über dezentrale Geräte in den einzelnen Räumen bedient werden. Die Mitte des Gebäudes fungiert mit den Treppenaufgängen als Verteilerzone, von der alle Bereiche und Split-Level-Ebenen erschlossen und unterschiedliche Ausblicke in die Umgebung freigegeben werden. Nicht nur mittels der integrierten Gebäudeautomation, sondern auch durch die offene Raumgestaltung wollten die Architekten ein Maximum an Flexibilität erreichen und damit ein Haus schaffen, das sich an seine Bewohner und deren unterschiedliche Lebenssituationen anzupassen vermag.

Die skulpturale Form der Villa M von Hirschmüller Schindele Architekten ist von der Natur bestimmt. Im Inneren lässt sich durch ein ausgeklügeltes System von den Vorhängen über die LED-Beleuchtung bis zur Lüftung alles per Smartphone steuern

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Die skulpturale Form der Villa M von Hirschmüller Schindele Architekten ist von der Natur bestimmt. Im Inneren lässt sich durch ein ausgeklügeltes System von den Vorhängen über die LED-Beleuchtung bis zur Lüftung alles per Smartphone steuern

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Grosszügig und mit einer auffälligen Formensprache zeigt sich auch die Villa M von Hirschmüller Schindele Architekten in Berlin-Grunewald. Das skulpturale Haus vereint komplexe Technik mit einer ebensolchen Architektur und sticht damit aus der Villenkolonie deutlich hervor. Über gut 400 Quadratmeter und drei Geschosse sind die Wohnräume der Familie um ein überdachtes Atrium angeordnet, das der maximalen Belichtung im Inneren dient. Für zusätzliche Flexibilität sorgen Vorhänge, die per Smartphone gesteuert werden und verschiedene Raumunterteilungen ermöglichen. Eine Ausstattung mit modernster Smart-Home-Technik allein war den Bauherren aber noch nicht genug. Das Problem ist häufig die Konvergenz der unterschiedlichen Systeme, weshalb man eine eigene App entwickeln liess, mittels derer die Bereiche Haussteuerung, Home Entertainment, Netzwerktechnik und Sicherheit gesteuert werden können. Die Sole/Wasser-Wärmepumpe für die Fussbodenheizung und die Bauteilaktivierung und die kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung sind darin ebenfalls integriert. Trotz aller Technik sei die Architektur von der Natur bzw. dem Lauf der Sonne beeinflusst, sagen die Architekten, die eine optimale Lichtführung im Gebäude und eine möglichst geringe Verschattung des nach Norden orientierten Gartens erzielen wollten.

Die technischen Entwicklungen der modernen Welt, die in Tatis Film zugleich Faszination und Unbehagen ausüben und durch das Verhalten der Menschen eine gewisse Komik entwickeln, bieten heute eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Möglichkeiten. Meist bildet die Smart-Home-Technologie einen neuen, beinahe unsichtbaren Layer, der mehr Flexibilität in den vier Wänden verspricht, den Komfort steigern und den Energieverbrauch senken soll. Darüberhinaus wird sie auch im Bereich des betreuten und altengerechten Wohnens erprobt und soll Menschen mit Einschränkung mehr Unabhängigkeit und Sicherheit ermöglichen. Die Zukunft wird zeigen, wie diese Technik das Zusammenleben im Wohnhaus beeinflusst.

© Architonic

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