Diese neuen Projekte nutzen offene und geschichtete Fassaden, um sich selbst zu schützen, während sie gleichzeitig Geschichte und Zweck offenlegen. Mit dabei: c+d Design Center, allmannwappner, PAU - Praxis für Architektur und Urbanismus und Wutopia Lab.

Das brandneue Gebäude in der denkmalgeschützten Domino Sugar Refinery in Brooklyn wird von einem gläsernen Tonnengewölbe gekrönt, das an den amerikanischen Rundbogenstil der ursprünglichen Fabrik erinnert. Foto: Max Touhey

Zwiebellook: Mehrzweckgebäude mit mehrschichtigen Fassadenlösungen | Aktuelles

Das brandneue Gebäude in der denkmalgeschützten Domino Sugar Refinery in Brooklyn wird von einem gläsernen Tonnengewölbe gekrönt, das an den amerikanischen Rundbogenstil der ursprünglichen Fabrik erinnert. Foto: Max Touhey

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Während manche das Tragen einer Maske mit „falsch“ oder „doppelzüngig“ gleichsetzen, je nachdem, auf welche Seite der Generationslinie man fällt, wechseln die meisten von uns als Menschen regelmässig – und oft unbewusst – die Masken, die wir tragen. Es ist ganz natürlich, dass wir anderen die beste Version von uns selbst verkaufen und uns in die Version verwandeln, von der wir glauben, dass sie sich am wohlsten fühlt.


Die Fassade spielt eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der Nutzung und des Charakters eines Gebäudes


Als Maske eines Gebäudes spielt die Fassade eine entscheidende Rolle bei der Definition seiner Nutzung und seines Charakters und damit auch des Charakters seiner Besucher:innen – der Angestellten, Bewohner:innen, Student:innen und Zuschauer:innen –, die mit den Gebäuden, die sie aufsuchen, einen kleinen Teil ihrer selbst definieren. Da sie ihre Masken nicht so leicht wechseln können wie Menschen, ist die Fassade eines Gebäudes ein konstanteres, ehrlicheres Spiegelbild. Diese grossen Gebäude nutzen mehrschichtige Fassaden nicht, um sich unter einer Maske zu verstecken, sondern um die verborgenen Tiefen ihrer Geschichte und ihres Charakters zu offenbaren.

Eine zusätzliche Schicht aus glasierten Tonlamellen sitzt vor einer Hintergrundfassade im Athletendorf der Asian Games und nutzt die Tiefe von Licht und Schatten, um eine Landschaft auf das Gebäude zu malen. Fotos: Arch-Exist Fotografie

Zwiebellook: Mehrzweckgebäude mit mehrschichtigen Fassadenlösungen | Aktuelles

Eine zusätzliche Schicht aus glasierten Tonlamellen sitzt vor einer Hintergrundfassade im Athletendorf der Asian Games und nutzt die Tiefe von Licht und Schatten, um eine Landschaft auf das Gebäude zu malen. Fotos: Arch-Exist Fotografie

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Asian Games Athlete Village in Hangzhou, China, von c+d Design Center

„Traditionelle Kultur in der heutigen Zeit als Fenster für die kulturelle Übermittlung zu interpretieren“, war eine der Hauptaufgaben, mit denen der von c+d Design Center neu errichtete Asian Games Athletes Village-Komplex im Vorfeld der Veranstaltung Ende 2023 betraut wurde, wie die Projektarchitekt:innen in Erinnerung rufen.

Als Antwort darauf wurde eine Fassade aus glasiertem türkisfarbenem Töpferton als Hauptmaterial für einen der markantesten Abschnitte gewählt, der dem Gebäude „sowohl die Seladonfarbe als auch ein Gefühl von jadeartiger Wärme und Sanftheit“ verleiht, wie das c+d Design Center erklärt.


Eine geschichtete Lamellenfassade ermöglichte die abstrakte Ableitung einer Landschaftskarte


Durch die Verwendung von Ton zur Herstellung einer geschichteten Fassade aus Lamellen in Verbindung mit digitalen Designpraktiken konnte „eine komplizierte Landschaftskarte abstrakt abgeleitet und mit dem anmutigen Winkel und der Drehung der Lamellen und den daraus resultierenden Feinheiten zwischen chromatischer Aberration und Schatten dargestellt werden“, erläutern die Architekt:innen, die die Technik nutzten, um die „kulturellen Merkmale der Region südlich des Jangtse-Flusses“ auf die Fassade zu übertragen.

Im Texoversum Innovation Center, dem selbsternannten Haus der textilen Innovation, wurde eine gewebte Fassade aus Kohle- und Glasfaserfliesen mit Hilfe eines robotergestützten Wickelverfahrens hergestellt. Fotos: Brigida González

Zwiebellook: Mehrzweckgebäude mit mehrschichtigen Fassadenlösungen | Aktuelles

Im Texoversum Innovation Center, dem selbsternannten Haus der textilen Innovation, wurde eine gewebte Fassade aus Kohle- und Glasfaserfliesen mit Hilfe eines robotergestützten Wickelverfahrens hergestellt. Fotos: Brigida González

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Texoversum Innovation Center in Reutlingen, Deutschland, by allmannwappner, Menges Scheffler Architekten and Jan Knippers Ingenieure

Als Teil der Hochschule Reutlingen – der Teil, der Querschnittstechnologien in der Textilindustrie erforscht, lehrt und schliesslich innoviert – ist das treffend benannte Texoversum eindeutig nicht schüchtern mit dem, was es ist und was es tut. Neben der Verwendung des passenden Portmanteaus Textiluniversum als Name des Gebäudes wurde das Innovationszentrum in eine „Fassade aus gewebten Carbon- und Glasfaserfliesen“ gehüllt, erklären die Architekt:innen.


Eine Fassade aus gewebten Kohlenstoff- und Glasfasern ist ein Symbol für das zukünftige Potenzial innovativer Materialien und textiler Techniken


„Ein Symbol für das zukünftige Potenzial innovativer faserbasierter Materialien und textiler Techniken“, so die Architekt:innen. Die Spinnennetzhaut des Gebäudes besteht aus einzelnen, selbsttragenden Fliesen, die keinen tragenden Rahmen benötigen. Doch während die Textilfassade sowohl ästhetisch als auch symbolisch eingesetzt wird, ist sie auch ein äusserst funktionaler Aspekt des Gebäudedesigns.

Das mehrschichtige Erscheinungsbild und die Anordnung der Fliesen sind so konzipiert, dass sie dem Lauf der Sonne folgen, und ihre gestaffelte Anordnung bietet dem geschützten Balkon auch einen ungehinderten Blick auf die umliegende Landschaft.

Das neue Gebäude der Domino Sugar Refinery wurde von der ursprünglichen Fabrikfassade um 10 bis 12 Fuss zurückgesetzt, um die Aussicht mit einer gut beleuchteten Grünfläche einzurahmen. Fotos: Max Touhey

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Das neue Gebäude der Domino Sugar Refinery wurde von der ursprünglichen Fabrikfassade um 10 bis 12 Fuss zurückgesetzt, um die Aussicht mit einer gut beleuchteten Grünfläche einzurahmen. Fotos: Max Touhey

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Domino Sugar Refinery in Brooklyn, NY, USA, von PAU – Practice for Architecture and Urbanism

Die 1882 erbaute Braunsteinfassade und der dominante Schornstein der Domino Sugar Refinery sind ein Wahrzeichen der Skyline und des Hafens von Brooklyn und wurden 2007 aufgrund ihrer historischen Bedeutung unter Denkmalschutz gestellt. Aufgrund der enormen Ausmasse der erforderlichen Anlagen weist die denkmalgeschützte Fassade der offenen Fabrik jedoch unregelmäßig grosse Stockwerke auf, die nicht an die heutigen Standards angepasst werden konnten.


„Indem man sich von den ursprünglichen Wänden zurückzieht, wird ein Abstand von 10 bis 12 Fuss zwischen dem neuen und dem alten Gebäude geschaffen, um eine einheitliche Geschosshöhe zu erreichen“


Obwohl vielleicht die einfachste und naheliegendste Lösung, war der Plan von PAU - Practice for Architecture and Urbanism für die Sanierung des Gebäudes auch die abenteuerlichste: „ein brandneues Gebäude in die bestehende Hülle einzubauen.“ „Indem man sich von den ursprünglichen Wänden zurückzieht, wird ein Abstand von 10 bis 12 Fuss zwischen dem neuen und dem alten Gebäude geschaffen, um eine einheitliche Geschosshöhe zu erreichen.“

Die vollständig verglaste Innenfassade des neuen Gebäudes sorgt dafür, dass kein natürliches Licht in das Innere gelangt, und indem die Lücke mit sorgfältig angebrachter Begrünung und architektonischer Beleuchtung gefüllt wird, entsteht in dem Zwischenraum eine magische Welt – eine herrliche Begleitung der immer höher werdenden Skyline von Brooklyn und Manhattan.

500 weisse Aluminiumplatten in drei separaten Schichten bilden die Stahlregen-Fassadeninstallation vor der Buchhandlung. Sie vermittelt Besucher:innen das behagliche Gefühl, sich hinter einem Wasserfall zu befinden. Fotos: CreatAR

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500 weisse Aluminiumplatten in drei separaten Schichten bilden die Stahlregen-Fassadeninstallation vor der Buchhandlung. Sie vermittelt Besucher:innen das behagliche Gefühl, sich hinter einem Wasserfall zu befinden. Fotos: CreatAR

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DoBe WE @Shanghai Book City in Shanghai, China, von Wutopia Lab

Das DoBe WE @Shanghai Book City-Geschäft nutzt eine Kunstinstallation als Gesicht und bringt „500 weisse Aluminiumplatten in drei verschiedenen Breiten an, um ein zufälliges Muster zu erzeugen, das einen Regenguss simuliert“, erklären die Projektarchitekt:innen, Wutopia Lab. Von der anderen Straddenseite aus bietet die beleuchtete, niedrige Fassade ein ikonisches Bild tanzender Fontänen, die an die berühmten Bellagio-Brunnen in Las Vegas erinnern. Wenn die Besucher:innen jedoch näher an den Eingang des Ladens herangeführt werden, fällt die Stahlregen-Fassade „wie ein Wasserfall herab“, erklären die Architekt:innen und vermitteln so das Gefühl von starkem Regen.


Die Stahlregen-Fassade fällt wie ein Wasserfall herab und vermitteln so das Gefühl von starkem Regen


Im Inneren des Geschäfts erzeugt die perforierte Fassade in den unteren Etagen des Gebäudes flackernde Lichteffekte, die den Besucher:innen, die durch den Wasserfall gehen, das Gefühl geben, eine geheime Welt zu betreten. Während es draussen ständig regnet, herrscht im Inneren des Ladens ein behagliches, geschütztes Gefühl. Ähnlich wie wenn man sich in den Seiten eines Buches verliert.

© Architonic

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