Architekten zeigen mit neuen Projekten, dass hohe Wohnhäuser eine hohe Wohndichte haben können, die nicht auf Kosten von Sicherheit oder Kontextsensibilität geht. 

Durch Geschossflächen unterschiedlicher Grösse entstehen in Herzog & de Meurons New Yorker Projekt 56 Leonard Street Balkons mit besonderem Ausblick, die zugleich den direkten Blick auf Wohnungen der Nachbarn verhindern. Foto: Iwan Baan

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Durch Geschossflächen unterschiedlicher Grösse entstehen in Herzog & de Meurons New Yorker Projekt 56 Leonard Street Balkons mit besonderem Ausblick, die zugleich den direkten Blick auf Wohnungen der Nachbarn verhindern. Foto: Iwan Baan

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In Zusammenhang mit dem berüchtigten Pruitt-Igoe Wohnkomplex in St. Louis, Missouri, der Anfang der 70er Jahre abgerissen wurde, oder dem dystopischen Roman High-Rise von JG Ballard aus dem Jahr 1975, haben sich Wohntürme einen schlechten Ruf erworben. Der tragische Brand am Londoner Grenfell Tower hat das noch verschlimmert. Doch neu gebaute Wohntürme erfordern zur Vermeidung solcher Katastrophen kaum Nachrüstungen. Und sie sind eine unverzichtbare Lösung, um Wohnraum in Städten mit hoher Bevölkerungsdichte zu schaffen.

Waren die Wohntürme des 20. Jahrhunderts als entmenschlichend stigmatisiert, fördern die aktuellen Bauten soziale Interaktionen, kommunizieren mit dem urbanen Gefüge und dem Strassenleben und bieten zahlreiche Annehmlichkeiten. Ausserdem sind die prestigeträchtigen Wohntürme längst nicht mehr den Superreichen vorbehalten.

Urby in New Jersey, entworfen von Concrete, wird bei Fertigstellung aus drei 69-stöckigen Türmen mit 762 Mietwohnungen und freiem Blick auf Manhattan bestehen. Zwei der am Hudson River gelegenen Wolkenkratzer mit ungehindertem Blick auf Manhattan werden im nächsten Jahr errichtet, einer ist bereits fertiggestellt. Statt durch eine anonyme Lobby betreten die Bewohner das Gebäude über ein einladendes Café im Erdgeschoss. Weiter oben befinden sich Fitnessraum, Garten, Swimmingpool und Gemeinschaftsküche, in der Kochkurse abgehalten werden. Einige Geschosse sind auskragend, was den Turm eher organisch als monolithisch wirken lässt.

Architektur und Interieur von Jersey Citys Urby-Projekt erzeugen eine Individualität, wie sie in Wohntürmen selten ist. Über den hausförmigen Eingang gelangen Bewohner und Besucher in ein gemütliche Café im Erdgeschoss. Fotos: Ewout Huibers

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Architektur und Interieur von Jersey Citys Urby-Projekt erzeugen eine Individualität, wie sie in Wohntürmen selten ist. Über den hausförmigen Eingang gelangen Bewohner und Besucher in ein gemütliche Café im Erdgeschoss. Fotos: Ewout Huibers

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Auch Herzog & de Meurons New Yorker Projekt 56 Leonard Street in Tribeca trotzt dem Stereotyp des geometrischen Wohnklotzes. Das Gebäude wurde von innen nach aussen entworfen. Seine auskragenden Geschossebenen und Variationen der Wohnungsgrössen prägen das unregelmässige, skulpturale Äussere. Verschiedene Grössen im Sockel, der eine Lobby und ein Parkhaus beherbergt, spiegeln das breite Spektrum der Umgebungsarchitektur wider, von Townhouses bis hin zu grösseren Industriegebäuden.

56 Leonard Street steht mit seinen markanten Obergeschossen, die 10 Penthouses beherbergen, in der New Yorker Tradition der ikonischen Wolkenkratzer. Die Rohbetonkonstruktion wird im Innenraum zum Feature. Fotos: 1 Iwan Baan; 2,3 Alexander Severin

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56 Leonard Street steht mit seinen markanten Obergeschossen, die 10 Penthouses beherbergen, in der New Yorker Tradition der ikonischen Wolkenkratzer. Die Rohbetonkonstruktion wird im Innenraum zum Feature. Fotos: 1 Iwan Baan; 2,3 Alexander Severin

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Der Rothschild Tower von Richard Meier and Partners reagiert ebenfalls auf seinen architektonischen Kontext – die flache, bauhausbeinflusste Architektur der Weissen Stadt in Tel Aviv. Der gläserne Sockel und die darin integrierte Einkaufspassage lassen das Gebäude durchlässig und zugänglich wirken.

Transparente Lamellenblenden an der Fassade des Rothschild Tower kaschieren seine imposante Grösse. Eine wichtige Überlegung angesichts der niedrigeren Umgebungsgebäude. Ähnlich leicht wirken die hellen Innenräume. Fotos: Roland Halbe

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Transparente Lamellenblenden an der Fassade des Rothschild Tower kaschieren seine imposante Grösse. Eine wichtige Überlegung angesichts der niedrigeren Umgebungsgebäude. Ähnlich leicht wirken die hellen Innenräume. Fotos: Roland Halbe

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Konsequenter wurde die Idee des zeitgenössischen Wohnhochhauses als autarkes, gemischt genutztes Gebäude in UNStudios ultrafuturistischer Raffles City in Hangzhou, China verwirklicht. Die beiden organisch geschwungenen Türme entspringen einem Sockelgebäude mit Einzelhandelsflächen und nehmen mit ihrer Form Bezug auf den Verlauf des nahen Qiantang-Flusses. Das Projekt verbindet Nachhaltigkeit – natürliche Belüftung und Tageslicht durch ein Oberlicht über dem Sockelgebäude – mit Integration der Öffentlichkeit.

Die strukturell komplexe Raffles City in Hangzhou beherbergt in ihren Türmen Büros, ein Hotel und einen Hubschrauberlandeplatz und im 116.000 qm grossen Sockel Geschäfte, Restaurants und Parkplatz. Fotos: 1 Jin Xing; 2, 3 Seth Powers; 4 Hufton+Crow

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Die strukturell komplexe Raffles City in Hangzhou beherbergt in ihren Türmen Büros, ein Hotel und einen Hubschrauberlandeplatz und im 116.000 qm grossen Sockel Geschäfte, Restaurants und Parkplatz. Fotos: 1 Jin Xing; 2, 3 Seth Powers; 4 Hufton+Crow

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Das klischeehafte Bild des dystopischen, seine Bewohner entfremdenden Hochhauses wird durch diese Projekte mindestens in Frage gestellt.

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