Seit Jahren schießen „Design Shopping Events“ wie Pilze aus dem Boden. Leider ist nicht immer drin, was drauf steht: Allzu oft wird Design schlicht als Handgemacht übersetzt, Gestaltungsqualität ist Nebensache. Lasst uns darum mal einen genaueren Blick auf die blickfang werfen, die mit jährlich sieben Standorten, 700 ausstellenden Designern und 135.000 Besuchern zu den größten Designverkaufsmessen Europas zählt und mit dem Motto „Where Design gets personal“ Menschen anzulocken versucht. Hat sie den Titel Design verdient?

Eine nette Location macht noch kein Design – dennoch fühlt man sich auf der blickfang an Orten wie den Hamburger Deichtorhallen sofort wohl. Foto: blickfang

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Eine nette Location macht noch kein Design – dennoch fühlt man sich auf der blickfang an Orten wie den Hamburger Deichtorhallen sofort wohl. Foto: blickfang

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Betritt man eine blickfang, egal in Kopenhagen oder Wien, Stuttgart oder Zürich, ist der erste Eindruck immer der gleiche: hippe Menschen flanieren an noch hipperen Ausstellern vorbei; junge Frauen beugen sich tuschelnd über filigrane Schmuckstücke; ein älterer Herr nimmt probeweise auf einem Stuhl Platz. Im Hintergrund summt Musik, und natürlich findet sich irgendwo eine Lounge, in der Möbel von Ausstellern oder Partnern wie Fritz Hansen eine Rückzugsmöglichkeit vom Messetrubel bieten, während tätowierte Barkeeper mit Grandeur Frucht- und Gemüsesäfte mixen. Aber Wohlfühlatmosphäre macht noch kein Design. Das passiert erst an den Ständen: In zwischen vier bis 25 Quadratmeter großen Boxen bieten Aussteller ihre Produkte aus den Bereichen Möbel, Leuchten, Tableware, Mode und Schmuck an.

Auf der blickfang steht immer der Designer selbst am Stand. Ansprechen ist ausdrücklich gewünscht. Foto: blickfang

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Auf der blickfang steht immer der Designer selbst am Stand. Ansprechen ist ausdrücklich gewünscht. Foto: blickfang

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Tatsächlich steht auf der blickfang immer der Denker, Macher, Vater des Entwurfs am Stand. Ansprechen ist ausdrücklich erwünscht – damit das passieren kann, was die Macher als „Where design gets personal“ bezeichnen. Und da eine Jury dafür sorgt, dass Selbstgefilztes von vornherein gar nicht erst ausgestellt werden darf, macht das näher-hinschauen und kennen lernen wirklich Spaß.

Joscha Brose und Matteo Fogale ließen ihre Anstellungen bei renommierten Designbüros sausen, um eigene Möbelentwürfe zu realisieren. Foto: blickfang

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Joscha Brose und Matteo Fogale ließen ihre Anstellungen bei renommierten Designbüros sausen, um eigene Möbelentwürfe zu realisieren. Foto: blickfang

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Da sind zum Beispiel brose~fogale, ein Londoner Start Up. Joscha Brose und Matteo Fogale kennen sich vom Fußballspielen – und beschlossen eines Tages, ihre Anstellungen bei Tom Dixon und Barber Osgerby zugunsten eigener Entwürfe sausen zu lassen. Gemeinsam entwickelten sie clevere wie zeitgemäße Möbel und Spiegel. „Unsere Entwürfe sollen sein wie eine App“, sagt Matteo über das Label: „unkompliziert, flexibel, und zur Lösung eines klar umrissenen Problems gemacht.

Der Berliner Designer Alex Valder präsentiert und verkauft auf der blickfang Entwürfe wie seine Hocker „Boekkle“, die trotz ihrer kleinen Sitzfläche überraschend bequem sind. Foto: Steven J. Scott

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Der Berliner Designer Alex Valder präsentiert und verkauft auf der blickfang Entwürfe wie seine Hocker „Boekkle“, die trotz ihrer kleinen Sitzfläche überraschend bequem sind. Foto: Steven J. Scott

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Der Designer Alex Valder hingegen hat sich selbst den Zeitrahmen von zehn Jahren gesetzt, um von seinem Hauptjob als reinen Designer in die Rolle eines Designers, Produzenten und Verteibers in Personalunion hineinzuwachsen. Zu seinem Sortiment gehört beispielsweise die Hockerserie „Boekkle“. Die scheinen mit ihrer ungeheuer kleinen Sitzfläche zunächst viel zu filigran zum Sitzen. Glücklicherweise ist die blickfang kein Designmuseum – denn beim Sitztest erweisen sich die Hocker als erstaunlich bequem. Von ihm aus ist es keine drei Schritte zu dem jungen Potsdamer Möbellabel Rejon, denn nicht selten teilen sich auf der blickfang befreundete Designer einen Stand.

Mal rough, mal glatt, und immer von Hand genäht: dir Entwürfe der Autodidaktin Nicole Komitov aka Milk. Foto: Mato Johannik

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Mal rough, mal glatt, und immer von Hand genäht: dir Entwürfe der Autodidaktin Nicole Komitov aka Milk. Foto: Mato Johannik

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Manche Aussteller freilich haben keinen Designbackground. Sie sind Autodidakten oder Quereinsteiger – aber was für welche. Die Wienerin Nicole Komitov betreibt beispielsweise ein Modelabel namens Milk. Durch ihre Nanny lernte sie von Kindesbeinen an, dass man sich nicht in Stangenware kleiden braucht, wenn man das nötige handwerkliche Geschick mitbringt. Heute lebt Nicole davon, dass sie Traumgebilde – mal rough, mal glatt, immer schwarz – konzipiert, und Hand in Hand mit buglarischen Näherinnen realisiert.

Jonas Schroeder ist eigentlich kein gelernter Designer, sondern BWLer. Seinen Möbelentwürfen sieht man das freilich nicht an. Foto: Joval

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Jonas Schroeder ist eigentlich kein gelernter Designer, sondern BWLer. Seinen Möbelentwürfen sieht man das freilich nicht an. Foto: Joval

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Auch Jonas Schroeder, der Kopf hinter Joval, ist kein gelernter Designer – sondern BWLer. Dementsprechend gründlich plante er seinen Einstieg in die Designszene und nutzte etwa den blickfang Designworkshop in Boisbuchet, um seine Entwürfe (wie auch seinen Businessplan) von Experten rund um blickfang Curator of the Year Sebastian Wrong durchleuchten zu lassen.

Bei den blickfang Designworkshops nehmen Experten wie der Curator of the Year Entwürfe – und Businesspläne – der teilnehmenden Designer kritisch unter die Lupe. Foto: blickfang

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Bei den blickfang Designworkshops nehmen Experten wie der Curator of the Year Entwürfe – und Businesspläne – der teilnehmenden Designer kritisch unter die Lupe. Foto: blickfang

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Und schon sind wir bei dem Teil der blickfang, den kaum ein Besucher bewusst wahrnimmt: Der Austausch innerhalb der Designszene, etwa durch den „Kurator des Jahres“ oder „blickfang Designworkshops“. Seit 22 Jahren gibt es das Shopping Event, seit 22 Jahren stellen die Macher rund um den Gründer Dieter Hofmann und CEO Jennifer Reaves die blickfang auf die Beine – und seit 22 Jahren knüpfen sie Kontakte in die internationale Designszene.

International bekannte Designer wie Sebastian Wrong begleiten die blickfang für eine Messesaison als „Curator of the Year“. Foto: blickfang

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International bekannte Designer wie Sebastian Wrong begleiten die blickfang für eine Messesaison als „Curator of the Year“. Foto: blickfang

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So entstand beispielsweise im Austausch mit dem amerikanischen Designer Stephen Burks die Idee, einen international agierenden Designer als „Kurator des Jahres“ zu engagieren, der die blickfang von außen betrachtet, hinterfragt und berät – und sich innerhalb seines Kuratorenjahres zunehmend in die Messe einfindet. Sebastian Wrong beispielsweise kannte die blickfang vor seinem Engagement nicht; doch schon nach seiner ersten live miterlebten Messe sagt er: „Die blickfang als Messe der lokalen und individuellen statt industriellen Serienproduktion empfinde ich als Antwort auf aktuelle Designströmungen.“ Das geht nicht nur ihm so: Auf jeder blickfang werden zwei mit je 1.500 Euro dotierte MINI design awards an die talentiertesten Aussteller vergeben. Neben dem Kurator engagieren sich Szenegrößen wie Percy Thonet, Rossana Orlandi, Jörg Boner oder Nils Holger Moormann unentgeltlich für die Jury.

Kurz: Ja, die blickfang ist ein Shopping Event. Es geht ums Wohlfühlen, ums Entdecken, ums Staunen und Kaufen. Doch selbst wenn man bei Designfestivals oder Design Weeks mehr professionelle Designer auf einem Fleck antreffen mag: Nirgendwo sonst hat man die Gelegenheit, von ihnen nicht nur Visitenkarten, sondern auch Entwürfe mit heim zu nehmen. Das „Design“ im Titel hat die blickfang also verdient.

Überzeug dich davon selbst in München (21. bis 23. Februar 2014), Stuttgart (14. bis 16. März 2014), Basel (9. bis 10 Mai), Wien (17. bis 18. Oktober), Kopenhagen (14. bis 16. November), Zürich (21. bis 23. November) oder Hamburg (28. bis 30. November).

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