Die allseits geforderte Reduktion des Energieverbrauchs betrifft viele Aspekte der Architektur. Entwürfe, bei denen traditionelle und aktuelle Beschattungselemente und Belüftungsmethoden zum Einsatz kommen, lassen Klimaanlagen obsolet werden. Architonic wirft einen Blick auf einige ökologisch innovative Projekte.

Die Fassade des Wanda Reign Hotels von Make Architects besteht aus 902 reflektierenden Aluminiummodulen. Diese sind nach unten geneigt, um Erwärmung und ungewollte Spiegelungen im Innenbereich zu verhindern

Natürlich cool | Aktuelles

Die Fassade des Wanda Reign Hotels von Make Architects besteht aus 902 reflektierenden Aluminiummodulen. Diese sind nach unten geneigt, um Erwärmung und ungewollte Spiegelungen im Innenbereich zu verhindern

×

Bei der Gestaltung eines Gebäudes erfüllen Fenster viele wichtige Funktionen: Sie lassen Licht einfallen, schützen aber dennoch vor schlechtem Wetter; sie dämmen den Innenbereich und bieten zudem einen Ausblick auf die Umgebung. Der Trend der letzten beiden Jahrzehnte, ganze Gebäude mit Glashüllen zu überziehen, bringt jedoch auch negative Auswirkungen auf die Umwelt mit sich. Aus diesem Grund wurde in den letzten Jahren verstärkt nach Alternativen gesucht. In Abgrenzung zu Glastürmen, die Wärme stauen und die mechanisch gekühlt werden müssen, setzen heutige Entwürfe auf passive Beschattungs- und Belüftungselemente, um das Innenraumklima zu regulieren.

Der britische Architekt Ken Shuttleworth war dreissig Jahre lang im Londoner Büro Foster + Partners am Bau unzähliger Glasgebäude, unter anderem der Londoner City Hall und 30 St Mary Axe, involviert. In einem Interview im BBC Radio 4 gab er kürzlich zu bedenken, dass Glasbauten an Relevanz verloren hätten und rief zu nachhaltigeren Alternativen auf. „Um neue Bauvorgaben zu erfüllen und 2019 Null-Kohlenstoffemission aufweisen zu können, müssen wir entweder die Anzahl der Fenster in Gebäuden reduzieren oder die Glasindustrie muss neue Produkte entwickeln“, schlug Shuttleworth vor.

55 Prozent der Fassade bestehen aus festem Baukörper. Die 46 Prozent lichtdurchlässigen Fenster werden von Aluminiumlinsen gerahmt

Natürlich cool | Aktuelles

55 Prozent der Fassade bestehen aus festem Baukörper. Die 46 Prozent lichtdurchlässigen Fenster werden von Aluminiumlinsen gerahmt

×

Jedes Modul mit reflektierender Oberfläche enthält Fenster, die zur Belüftung geöffnet werden können

Natürlich cool | Aktuelles

Jedes Modul mit reflektierender Oberfläche enthält Fenster, die zur Belüftung geöffnet werden können

×

Eines der kürzlich abgeschlossenen Projekte von Make, dem Büro, das Shuttleworth 2004 gegründet hat, legt einen deutlich umweltbewussteren Ansatz der Fassadengestaltung an den Tag. Die Oberfläche des Wanda Reign Hotels im chinesischen Wuhan setzt sich aus 902 hexagonalen Aluminiummodulen zusammen, die nach vorne geneigt und schräg angeordnet sind, um die Räume vor Hitze zu schützen. Ungefähr 55 Prozent der Fassade bestehen aus festem Baukörper. Die reflektierenden Aluminiumpaneelen fassen Verglasungen mit geringer visueller Lichtdurchlässigkeit sowie Scheiben ein, die geöffnet werden können, um natürliche Durchlüftung zu ermöglichen. Die innovative Anordnung von Oberflächenelementen ergibt eine gemusterte Struktur, die sich je nach Blickwinkel verändert und von integrierten LED Leuchten unterstrichen wird.

Vor dem Hintergrund eines gestiegenen Bedarfs an intelligenten und nachhaltigen Lösungen für Fassaden hat die südkoreanische Firma Hanwha dem weltweit führenden Umwelt-Energieunternehmen UNStudio vorgeschlagen, das Firmen-Headquarter in Seoul unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit zu sanieren. Die Renovierung hat zum Ziel, die ökologische Leistung des Gebäudes und das Innenraumklima durch die Verwendung von isolierten Fenstermodulen in verschiedenen Formen und Grössen zu verbessern. Die Form dieser aluminiumgerahmten Elemente wird von ihrer Position in Relation zum Sonnenstand und zu den umgebenden Gebäuden bestimmt. Tageslichteinfall und Blicköffnungen wurden optimiert, während Sonnenschutz durch die leichte Neigung der Fenster erzielt wird. „Umfassende Entwurfsstrategien gewährleisten, dass heutige Fassaden als bedarfsgesteuerte und aktive Hüllen fungieren, die gleichermassen kontextuell und konzeptuell auf ihre Umgebung reagieren und auch das Klima im Innenraum regulieren,“ erklärt Ben van Berkel vom UNStudio.

Dreidimensionale Fenstermodule verschiedener Tiefe sind an der Fassade des Headquarters von UNStudio angebracht, um den Innenraum vor direktem Sonnenlicht zu schützen

Natürlich cool | Aktuelles

Dreidimensionale Fenstermodule verschiedener Tiefe sind an der Fassade des Headquarters von UNStudio angebracht, um den Innenraum vor direktem Sonnenlicht zu schützen

×

An der Süd-und Ostfassade sind Photovoltaicmodule oberhalb der Fensterrahmen angebracht

Natürlich cool | Aktuelles

An der Süd-und Ostfassade sind Photovoltaicmodule oberhalb der Fensterrahmen angebracht

×

Ein in die Fassade integriertes LED-System erzeugt ein sich wandelndes Muster, das unter anderem die Gestaltung des Innenraums widerspiegelt

Natürlich cool | Aktuelles

Ein in die Fassade integriertes LED-System erzeugt ein sich wandelndes Muster, das unter anderem die Gestaltung des Innenraums widerspiegelt

×

Wie beim Wanda Reign Hotel von Make belebt das unregelmässige Muster der dreidimensionalen Fassade das Erscheinungsbild des Gebäudes und hebt es somit von den für Geschäftsviertel typischen Glasboxen ab. Um den Status des Kunden als drittgrösster Photovoltaic-Hersteller hervorzuheben, werden Solarzellen in lichtundurchlässige Paneelen eingesetzt, die an den Gebäudeflächen, die dem Sonnenlicht am stärksten ausgesetzt sind, angebracht sind. In die Fassade wird auch LED Beleuchtung integriert, die die Gestaltung des Innenraums und die digitalen Anzeigetafeln der angrenzenden Hanbit Avenue aufgreift und ein sich wandelndes Muster erzeugt.

Eine dreidimensionale Fassade mit natürlichen Beschattungselementen ist eine der einfachsten und nachhaltigsten Lösungen, ein Gebäude zu kühlen. Die spielerische und praktische Fassade des Eurostars Book Hotels in München besteht aus geschwungenen mit Glasfasern verstärkten Betonpaneelen, die sich von den Gebäudewänden abzuschälen scheinen, um Fensterreihen zu beschatten. Das Hotel hat ein literarisches Motto. Stockwerke nehmen auf verschiedene Literaturgenres Bezug und einzelne Räume sind Charakteren gewidmet. Aus diesem Grund hat das Büro Capella Garcia Arquitectura den Paneelen die Form von aufgeschlagenen Buchseiten gegeben. Die von der österreichischen Firma Rieder produzierten fibreC Elemente werden aus natürlichen Materialien hergestellt und bieten eine Alternative zu kostspieligen mechanischen Schiebeläden. Die Paneelen können praktisch in jede Form gebracht werden und geben Architekten unbeschränkte Möglichkeiten der dekorativen und leistungsstarken Fassadengestaltung.

Geschwungene Betonpaneelen, die an Buchseiten erinnern, schützen die Fenster des von Capella Garcia Arquitectura entworfenen Eurostars Book Hotel

Natürlich cool | Aktuelles

Geschwungene Betonpaneelen, die an Buchseiten erinnern, schützen die Fenster des von Capella Garcia Arquitectura entworfenen Eurostars Book Hotel

×

Durch passive Techniken können Wärme, Licht und Belüftung im Gebäudeinneren auf verschiedene Weisen reguliert werden. Auch auf geografische Begebenheiten, den Kontext und spezielle Verwendungsanforderungen kann reagiert werden. In Regionen, in denen die hochstehende Sommersonne Überhitzung verursachen kann, bietet etwa ein Lamellensystem mit Jalousien Schutz für die Fassade. Die vom Paris Büro rh+ architecture entworfene Bibliothek auf dem Universitätscampus in Cayenne in Französisch-Guyana ist auf allen Seiten von schattenspendenden Holzleisten umgeben. Die Bibliothek selbst ist in einem geschickt in die Holzstruktur eingepassten Betonkubus mit abfallender Dachpartie behaust. Die wichtigste Errungenschaft von rh+ architecture stellt die Kreation eines zusätzlichen öffentlichen Raumes zwischen der Betonfassade und dem Lattenabschirmung dar. Dieser periphere Korridor fungiert als geschützter Versammlungsort für Studenten auf ihrem Weg zur Bibliothek. Die durchlässige Oberfläche lässt gefiltertes Sonnenlicht in das Gebäude dringen und gibt Blicköffnungen frei, die Bibliothek mit dem Rest des Campus verbinden.

Die Lattenabschirmung trägt zur Kühlung der Bibliothek und zum Schutz vor Sonneneinstrahlung bei, lässt aber dennoch gleichmässig Licht in das Gebäude fallen. Über die Fassade sind kleine Fenster verteilt, um den Hauptlesesaal und das Mezzanin mit natürlichem Licht ohne störende Reflexionen zu beleuchten. Das Projekt macht deutlich, wie passive Lösungen im Rahmen von Grossprojekten angewendet werden können, um wohltemperierte Aussen- und Innenräume zu schaffen.

Die Bibliothek des guyanischen Universitätscampus von rh+ architecture ist von einer Lattenkonstruktion eingefasst, die das Gebäude vor der starken Sonneneinstrahlung schützt

Natürlich cool | Aktuelles

Die Bibliothek des guyanischen Universitätscampus von rh+ architecture ist von einer Lattenkonstruktion eingefasst, die das Gebäude vor der starken Sonneneinstrahlung schützt

×

Der Raum zwischen der Fassade der Bibliothek und dem Sonnenschutzsystem wird als schattiger Korridor genutzt

Natürlich cool | Aktuelles

Der Raum zwischen der Fassade der Bibliothek und dem Sonnenschutzsystem wird als schattiger Korridor genutzt

×

Das eintreffende Licht wird durch die vorgelagerte Konstruktion gefiltert und dringt durch die kleinen Fenster in den Innenraum ein

Natürlich cool | Aktuelles

Das eintreffende Licht wird durch die vorgelagerte Konstruktion gefiltert und dringt durch die kleinen Fenster in den Innenraum ein

×

Der Entwurf des vietnamesischen Architekten Vo Trong Nghia für eine Schule in der Nähe von Ho Chi Minh City basiert auf dem gleichen Prinzip wie die Bibliothek von rh+ architecture. Aufgrund eines limitierten Budgets wird der Klassenraum ohne Klimaanlage gekühlt und belüftet. Enge Lamellen bedecken die geschwungenen Fassaden und leiten die Luft in Richtung der Klassenräume und durch die Korridore entlang des Gebäudes. Die vorgefertigten Betonelemente sind vertikal entlang der gesamten Fassade angebracht und fungieren als Sonnenschutz, der verhindert, dass direktes Licht in das Gebäudeinnere eindringt.

Die Zwischenräume zwischen den Sonnenschutzelementen und der Fassade der Schule werden zu Korridoren, die die Innenräume mit zwei Innenhöfen verbinden, die durch den geschwungenen Grundriss entstehen. Lichtundurchlässigere Wände mit perforierten geometrischen Mustern schützen das Treppenhaus, lassen aber dennoch gesprenkeltes Licht und Luft in den Innenraum dringen. Vo Trong Nghias Projekt zeigt, dass natürliche Belüftung und andere traditionelle passive Kühlungstechniken, wie die Verwendung von Pflanzen und Brunnen, Lösungen für das Bauen in heissen Gebieten darstellen, die der Gesundheit förderlichere und komfortablere Räume kreieren.

Vertikale Lamellen leiten die Luft in Richtung der Klassenräume der von Vo Trong Nghia entworfenen Binh Duong Schule

Natürlich cool | Aktuelles

Vertikale Lamellen leiten die Luft in Richtung der Klassenräume der von Vo Trong Nghia entworfenen Binh Duong Schule

×

Der Sonnenschutz verläuft parallel zur geschwungenen Gebäudefassade und erzeugt schattige Zwischenräume

Natürlich cool | Aktuelles

Der Sonnenschutz verläuft parallel zur geschwungenen Gebäudefassade und erzeugt schattige Zwischenräume

×

Die Wände weisen perforierte Muster auf und schützen die Treppenaufgänge

Natürlich cool | Aktuelles

Die Wände weisen perforierte Muster auf und schützen die Treppenaufgänge

×

Im privaten Wohnbereich kann die Verwendung von passiven Beschattungs- und Belüftungselementen Hausbesitzern helfen die Energie einzusparen, die ehemals für Klimaanlagen gebraucht wurde. Beim Miramar House in Portugal von e|348 arquitectura kommt ein einfaches System von Holzschiebetüren zum Einsatz, das einen vorkragenden Balkon im Obergeschoss des Gebäudes umschliesst und die Schlafzimmer und die Wohnräume im Untergeschoss abschirmt.

Die vertikalen Lattenelemente sind an der sonnigen Süd- und Westfassade angebracht und spenden in den heissen Sommermonaten Schatten. Im Winter können sie vollständig geöffnet werden, so dass das Licht in den Innenraum strömen kann. Die Architekten setzten bewusst ein Element ein, das die durchgehend weisse Fassade des Gebäudes durchbricht und als flexibler Aussenbereich fungiert, der ausreichend Schatten und Privatsphäre bietet.

Der von Sonnenschutzelementen umgebene vorkragende Balkon des Miramar House von e|348 arquitectura

Natürlich cool | Aktuelles

Der von Sonnenschutzelementen umgebene vorkragende Balkon des Miramar House von e|348 arquitectura

×

Die Holzläden können geöffnet werden, um den Balkon von einem Innen- in einen Aussenraum zu verwandeln

Natürlich cool | Aktuelles

Die Holzläden können geöffnet werden, um den Balkon von einem Innen- in einen Aussenraum zu verwandeln

×

In den Sommermonaten spenden die Holzläden Schatten, im Winter können sie geöffnet werden, um warmes Licht in das Haus strömen zu lassen

Natürlich cool | Aktuelles

In den Sommermonaten spenden die Holzläden Schatten, im Winter können sie geöffnet werden, um warmes Licht in das Haus strömen zu lassen

×

Klappläden sind eine unkomplizierte und traditionelle Beschattungsmethode, die überall auf der Welt zum Einsatz kommt. Der Entwurf von e|348 arquitectura feiert diese nachhaltige Lowtech-Lösung, indem er übertrieben grosse Läden mit einer zeitgenössischen Gebäudetypologie kombiniert. „Wir sind überzeugt, dass Gestaltung viele klimatisch bedingte Probleme lösen kann“, sagt der Architekt. „Um Lösungen zu finden, können wir alle traditionellen Gestaltungs- und Bautechniken überprüfen, die ohne Verwendung von Elektrizität einen erheblichen Komfortgewinn bieten könnten.“

Unsere Begeisterung für Glas und alles, was es zu bieten hat, wird wohl weiterhin fortbestehen. Viele Architekten sind sich jedoch bewusst, dass die Verwendung von Fenstern kritisch überdacht werden sollte und dass andere Materialien womöglich effizientere Aussenverkleidungslösungen bieten. Im Radiointerview gab Ken Shuttleworth zu bedenken, dass Fenster als „Privileg“ gesehen werden sollten. Das mag übertrieben klingen, aber trägt der sich wandelnden Einstellung gegenüber Fassaden Rechnung.

Erwähnte Profile