Veranstaltung von plan A in Kooperation mit dem Museum für Angewandte Kunst Köln

'Sensing Home'; © Malwine-Rafalski

SENSING HOME: Entfremdung oder Behausung durch Technologie? | Novita del settore

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Kurzvorträge und Gespräch mit:

Gesche Joost Designforscherin, UdK Berlin, Mike Meiré Meiré und Meiré Köln, Mette Ramsgard Thomsen Center for Information Technology and Architecture CITA Kunstakademie Kopenhagen, Begrüßung Petra Hesse Direktorin Museum für Angewandte Kunst Köln, Moderation Nadin Heinich plan A Berlin-München (Veranstaltung in englischer Sprache)

Kooperation und Förderer:

Der Abend war eine Kooperation zwischen dem Museum für Angewandte Kunst Köln und plan A. Ermöglicht wird die Veranstaltung durch die großzügige Unterstützung der Unternehmenspartner Dornbracht, Erco und Miele.

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(Text von Nadin Heinich)

Wozu führen die zunehmende Durchdringung von Gebäuden mit Informations- und Kommunikationstechnologien, die Vernetzung der Steuerungs- und Überwachungssysteme? Zu Häusern mit einem immer stärkeren Eigenleben? Wie nahe beieinander liegen Selbstbestimmung und Fremdkontrolle bei der Verbindung von Architektur und Technologie? Was ist möglich – was ist erstrebenswert? Was, wenn ein Gebäude „empfindsam“ auf die Anwesenheit seiner Bewohner reagieren könnte, jenseits der vorhersehbaren Funktionen so genannter „Smart Homes“? Inwiefern kann Technologie zu einem Gefühl von „Zu-Hause-Sein“ beitragen, zu individualisierter Gestaltung und einer interaktiven Beziehung zwischen Gebäude und Nutzer? Oder wollen wir in unseren vier Wänden nicht einfach nur beschützt sein vor allen äußeren Einflüssen, ganz ohne High Tech? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Veranstaltung „Sensing Home“ im Museum für Angewandte Kunst Köln.

Die Designforscherin Gesche Joost widmete sich in ihrem Kurzvortrag einer grundsätzlichen Betrachtung der Interaktion zwischen Mensch und Computer. Anstatt diese auf „Knöpfe und Tasten“ zu reduzieren, plädiert sie für ein „emotionial interface“ – eine Schnittstelle, bei der alle Sinne involviert werden. Kann z.B. ein Telefon auch taktile Informationen übersenden? Wie schwer ist eine Email? Wie warm oder kalt ist das Handy am Körper?

'Sensing Home'; © Malwine-Rafalski

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Einen sinnlichen Zugang verfolgt auch Mette Ramsgard Thomsen, Architektin und Leiterin des Center for Information Technology and Architecture CITA an der Kunstakademie in Kopenhagen. Mit „Slow Furl“, „Thicket“ und „Listener“ stellte sie drei aktuelle Forschungsprojekte vor. Hierbei handelt es sich um interaktive Textilien, die auf die Anwesenheit des Menschen reagieren, indem sie sich bei Berührung leicht verformen oder pulsieren. Der Fokus liegt auf der Grundlagenforschung, der Entwicklung einer neuen Materialkultur in der Architektur, bei der materialtypische Eigenschaften, wie die Haptik eines Strickstoffes, verbunden werden mit computerbasierten Eigenschaften, wie etwa Textilien, die durch integrierte Sensoren ihre Umgebung wahrnehmen und mit dieser interagieren. Möglich werden dadurch architektonische Oberflächen, die ähnlich einer „sensiblen Haut“ die Präsenz von Menschen im Raum „spüren“ und Feedback geben.

Als „elektronischen Schamanismus“ beschreibt der Designer Mike Meiré seinen Ansatz, neue Technologien einzusetzen, „um den Geist zu stimulieren“. Die vorgestellte Kommunikation für ATT, „Ambiance Tuning Technique“, fokussiert auf das Bad: verschiedene Wasserstrahlarten, Wassermenge und –temperatur werden präzise digital gesteuert, um drei unterschiedliche Choreografien, „Balancing“, „Energizing“ und „De-Stressing“, zu modellieren. Diese Wasserszenarien wirken unmittelbar auf den Körper und das menschliche Wohlbefinden, unterstützen den eigenen Zugang zur Spiritualität.

Im anschließenden Gespräch wurde deutlich, dass trotz ihrer unterschiedlichen Perspektiven – die als Designer, Designforscher bzw. Architekt – alle drei Positionen ein sehr poetischer Zugang zu neuen Technologien verbindet. Der Technologiepush als alleinige treibende Kraft trägt nicht. Notwendig ist es vielmehr, jenseits des funktionalistischen Ansatzes vieler „Smart Homes“, die bisher meist ohne Designer und Architekten realisiert wurden, Konzepte zu entwickeln, die den Menschen als Ganzes in den Blick nehmen, mehrdeutig und vielfältig die Sinne ansprechen.

Die Veranstaltung ist der vierte und letzte Teil der Sensing Space-Reihe, dem Begleitprogramm zur gleichnamigen Publikation „Sensing Space – Technologien für Architekturen der Zukunft“ (jovis 2009).

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Über die Referenten:

Gesche Joost ist Professorin für Designforschung an der Udk Berlin. Seit 2005 leitet sie zudem das Design Research Lab bei den Deutsche Telekom Laboratories. Sie führt ein 20köpfiges Team und verantwortet als Wissenschaftlerin die zentrale Innovationsabteilung der Deutschen Telekom. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der taktilen Human Computer Interaktion, Gender- und Diversity Aspekten in der Mensch Maschine Interaktion und Designforschung. Gesche Joost ist u.a. Jurymitglied der Studienstiftung des Deutschen Volkes und wurde als einer der „100 Köpfe von morgen“ im Rahmen der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ ausgezeichnet. 2008 erhielt sie den Nachwuchwissenschaftspreis des Regierenden Bürgermeisters von Berlin. www.design-research-lab.org

Mike Meiré arbeitet und lebt in Köln. 1987 gründete er zusammen mit seinem Bruder Marc die Agentur Meiré und Meiré, 2001 die Kulturproduktion NEO NOTO. Zu seinen wichtigsten Projekten zählen das Kunst- und Kulturmagazin APART und das mehrfach ausgezeichnete Wirtschaftsmagazin Brand Eins. Neben der Arbeit an Magazinen wie Arch+, 032c, MINIInternational kuratierte er die Projektreihe Dornbracht Culture Projects. Im Rahmen der Kommunikation für Dornbracht wie auch mit eigenen, künstlerische Beiträgen wie The Farm Project, Global Street Food und Energetic Recovery System beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Wohnen, den Lebensbereichen Bad und Küche. Als routinierter Grenzgänger zwischen den Disziplinen wechselt er zwischen den Positionen des Art Directors, des Designers , des Kurators. 2010 erschien der erste Katalog „DAY IN/ DAY OUT“ über seine freien künstlerischen Arbeiten (Gallery BarthaContemporary, London). www.meireundmeire.de

Die Architektin und Wissenschaftlerin Mette Ramsgard Thomsen leitet das Center for Information Technology and Architecture (CITA). Angesiedelt an der Königlichen Kunstakademie in Kopenhagen, erforscht CITA den Einfluss digitaler Kultur auf Theorie und Praxis in der Architektur. Ein Forschungsbereich sind so genannte „Behaving Architectures”. Mette Ramsgard Thomsen versteht unsere gebaute Umwelt als einen dynamischen Ort des Austauschs und der Kommunikation. Ihre Arbeiten untersuchen, wie Architektur als responsives System gedacht, entworfen und realisiert werden kann. Mette wird weltweit zu Vorträgen eingeladen und initiiert selbst Workshops und Konferenzen. http://cita.karch.dk

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Über plan A:

plan A ist eine Architekturplattform, die von Nadin Heinich initiiert wurde. Ziel von plan A ist es, zukunftsweisende Themen und junge Protagonisten aus Architektur und benachbarten Bereichen aufzuspüren, einer breiten (Fach-)Öffentlichkeit zu vermitteln sowie die Kommunikation zwischen den verschiedenen Disziplinen
zu fördern. Das erste Buch von plan A, „Überfunktion“, wurde von der Stiftung Buchkunst als „eines der schönsten deutschen Bücher 2008” ausgezeichnet. Die neue Publikation „Digital Utopia“ (Herbst 2011, Verlag der Akademie der Künste, Berlin) widmet sich dem Einfluss der Digitalisierung auf den Raum und wird, wie „Sensing Space“, von einer Veranstaltungsreihe mit mehreren Stationen in Deutschland begleitet. www.we-are-plan-a.com