Es ist schon erstaunlich, wenn zwei grosse Designer in derselben Saison dieselbe Idee umsetzen. Sowohl bei Martin Margiela als auch bei Hussein Chalayan stand die Herbst / Winter 2006 Kollektion ganz im Zeichen der Möbel.

Es ist schon erstaunlich, wenn zwei grosse Designer in derselben Saison dieselbe Idee umsetzen. Sowohl bei Martin Margiela als auch bei Hussein Chalayan stand die Herbst / Winter 2006 Kollektion ganz im Zeichen der Möbel. Es ist aber nicht so, dass die Kleider an sich Ähnlichkeiten aufweisen würden, sieht man über den einen oder anderen Sofa-Verweis hinweg.

Hussein Chalayans Sofa-Mantel, Fotos von Don Ashby

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Hussein Chalayans Sofa-Mantel, Fotos von Don Ashby

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Während es bei Margiela ein spontaner Gedanke zur Ausstattung seiner Umgebung war: «Aha! wie kann man daraus Kleider schaffen?» fundierte Chalayans Inspiration in der Beziehung zwischen dem Zustand der Bewegung und der Statik im Innenbereich.

Martin Margiela H/W 2006, Photos by Marcio Madeira

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Martin Margiela H/W 2006, Photos by Marcio Madeira

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Martin Margielas Platz in der Modegeschichte beschreibt eine Kritik zum Buch Maison Martin Margiela in treffenden Worten: «Seine Kollektionen sind bekannt für deren Mix aus Innovation und Tragbarkeit, für seine raffinierten Lösungen, sich die Elemente eines essentiellen Kleidungsstücks neu auszudenken.»

Nach einem zweijährigen Einsatz bei Jean Paul Gaultier zeigte er 1988 die erste Kollektion unter eigenem Label. Von vielen als Teil der Avant-Garde-Designer angesehen, ist Margiela ein Meister der Dekonstruktion und Rekonstruktion von Bekleidung.

Maison Martin Margiela

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Margiela überschreitet die gängige Vorstellung von Kleid und Material - so bleiben uns auch die aus alten Socken und einem Abendkleid gefertigten Jacken in Erinnerung.

Doch ist seine Idee nicht bloss das Recycling als vielmehr die Kreation von Neuem. Er hat uns bei weitem die intelligentesten und schönsten Fashion Statements der letzten Jahre geschenkt.

Autositz-Überzüge aus Holzmurmeln, Flockfaser-Tapeten, wattierte Chesterfield Sofas verwandelte Margiela 2006 zu Kleidern. Auch Teppiche, Telefone, 70er-Jahre Ledersessel, Vorhänge und Autositze inklusive Sicherheitsgurt dienen nun als Jacke, Hose, High-Heels. Gerade ausreichend blieb vom ursprünglichen Material erhalten, um die Lesbarkeit der Herkunft zu sichern.

Der Konzeptionalist und Philosoph Hussein Chalayan sagt über seine Show, sie sei eine Heimreise. «Am Anfang ist es, als würdest du dich draussen befinden. Während du weitergehst, siehst du die Welt und kommst schliesslich in einen häuslichen Bereich, eine Umgebung wie ein Wohnzimmer.»

Chalayan spielt mit der Art, wie wir gewisse Sachen anschauen und erreicht so, dass seine Kleider den Raum erfassen. Heimat, Identität und Geschichte sind Themen, mit welchen er sich auseinandersetzt.

Schon zuvor hatte er Kampfflieger-Sitze, Teppiche und hölzerne Sideboards zu Kleidern verarbeitet, doch diesmal zauberte er die bequemen Polstermöbel zu Wunderkleidern, welche zudem beim Tragen keinen grossen Kraftaufwand erfordern.

Es war bestimmt kein Zufall, dass die als erstes präsentierten übergrossen Kragen wunderbar zum saisonalen Hype der umhüllten, aufbauschenden Halsausschnitten passte.

Die Doppelkeil-Schuhe, deren Sohle an einen Kunststoffpuffer eines Bürotisches erinnern, liegen heute noch im Trend und werden in Varianten von kleinen und grossen Designern kopiert.

In der Kollektion wurden viele spezielle Drucktechniken und Applikationen angewandt. Mit Vielschichtigkeit und zahlreichen unterschiedlichen Textilien in jedem Kleid weist der Designer auf die Inspiration der Holzverarbeitung hin. Chalayan überzeugt immer wieder durch sein erstaunlich anti-kommerzielles Design.
Mit dem häuslichen Möbeldekor als Stage wird frau in diesen Kleidern nicht untergehen - wie auch, in einer Jacke, deren gerollter, gestopfter Lederkragen direkt von einem Altmänner-Fauteuil auf die Schultern gesetzt scheint?