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Wer den Namen RICHARD NEUTRA hört, denkt sofort an seine legendären modernistischen Villen im sonnigen Südkalifornien. Doch wie das führende deutsche Möbelhaus VS an passender Stelle vorführt, fielen die bahnbrechenden Ideen des österreichisch-amerikanischen Architekten auch in Europa auf fruchtbaren Boden.

Das führende deutsche Möbelhaus VS macht das Gesamtkunstwerk komplett: Hochwertige Reeditionen klassischer Möbeldesigns von Richard Neutra sind erstmals in dessen Haus Rang (1964, Königstein im Taunus) zu sehen

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Das führende deutsche Möbelhaus VS macht das Gesamtkunstwerk komplett: Hochwertige Reeditionen klassischer Möbeldesigns von Richard Neutra sind erstmals in dessen Haus Rang (1964, Königstein im Taunus) zu sehen

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Wenn Wörter oder andere Ausdrucksformen von fremden Kulturen übernommen werden und dann wieder an ihren Ausgangsort zurückkehren, erhalten sie dort eine faszinierende Doppelnatur: Sie wirken zugleich vertraut und exotisch.

Nehmen wir zum Beispiel das englische Wort „ticket“, das von französisch „étiquette“ abgeleitet ist. Heute wiederum stehen Millionen patriotische Franzosen Schlange, um sich le ticket zu kaufen.

Als der arrivierte österreichische Architekt und Designer Richard Neutra im Jahr 1923 sein Ticket in die Neue Welt löste, ahnte er nicht, welche Zukunft ihm bevorstand. Der Student von Adolf Loos an der Technischen Universität Wien und kurzzeitige Mitarbeiter im Büro von Erich Mendelsohn war drauf und dran, eine wichtige Position in einer kleinen Gruppe von Architekten zu übernehmen, die – mit Mitgliedern wie Charles Eames und Pierre Koenig – ein neues, durch und durch modernes Zukunftsbild des American Way of Life entwarf. Später wandten sich fortschrittliche europäische Auftraggeber mit dem Wunsch an Neutra, er möge doch ein Stück seines exportierten Modernismus für eines ihrer Domizile in die Alte Welt rückimportieren.

Offener Grundriss, lichterfülltes Leben: In den 1960er-Jahren brachte Neutra den sonnigen Lifestyle Kaliforniens in einer Reihe exquisiter Villen nach Europa, darunter das Haus Rang für einen Professor der Universität Frankfurt und seine junge Familie

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Offener Grundriss, lichterfülltes Leben: In den 1960er-Jahren brachte Neutra den sonnigen Lifestyle Kaliforniens in einer Reihe exquisiter Villen nach Europa, darunter das Haus Rang für einen Professor der Universität Frankfurt und seine junge Familie

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Neutras ewiges Ruhmesblatt sind die lichtdurchfluteten Villen mit Flachdächern und Glaswänden, die er in den 1940er- und 1950er-Jahren in Südkalifornien realisierte. Darunter das Kaufmann House in Palm Springs (1947) und das Tremaine House in Montecito (1948), das den Rationalismus des Internationalen Stils durch eine weniger strenge, natürlichere Materialsprache mildert, die reichlich Holz und Naturstein einbindet. Als Neutras Ruf jenseits des Atlantiks stieg – wohl nicht zuletzt dank der kongenialen Bilder des Architekturfotografen Julius Shulman, die in zahlreichen Zeitschriften und Büchern erschienen –, erregte er auch diesseits des Atlantiks zunehmende Aufmerksamkeit.

Unter den europäischen Kunden befand sich ein gewisser Martin Rang, Professor an der Universität Frankfurt, der interessiert war, Neutras Dienste für ein Vorhaben in Anspruch zu nehmen, das er gemeinsam mit seiner Frau seit mehr als einem Jahrzehnt plante. Nachdem er sich von seinem Arbeitgeber ein bewaldetes Grundstück in Königstein im Taunus gesichert hatte, setzte er sich 1960 direkt mit dem Architekten in Verbindung, beeindruckt von dem Kunstsinn, mit dem dieser an seine Architekturaufträge heranging. Besonders angetan war Rang von Neutras Fähigkeit, selbstbewusste kreative Formlösungen mit einer tiefen, humanen Sensibilität für die individuellen Bedürfnisse der Bewohner seiner Projekte in Einklang zu bringen.

Der österreichisch-amerikanische Architekt Richard Neutra, dessen Villen zu beiden Seiten des Atlantik – darunter das Kaufmann House (1947) und das Tremaine House (1948) – zum Inbegriff der modernen Lebens- und Wohnkultur wurden

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Der österreichisch-amerikanische Architekt Richard Neutra, dessen Villen zu beiden Seiten des Atlantik – darunter das Kaufmann House (1947) und das Tremaine House (1948) – zum Inbegriff der modernen Lebens- und Wohnkultur wurden

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Verwandt mit dem weicheren Modernismus, den unter anderem skandinavische Architekten und Designer wie Alvar Aalto praktizierten, unterschied sich das visuelle und sinnliche Erlebnis, das die neuen Privatbauten Neutras vermittelten, grundlegend von früheren Werken wie dem Lovell Health House (1929) in Los Angeles, das noch sichtlich vom kargen Vokabular der Bauhaus-Avantgarde beeinflusst war. Darüber hinaus harmonierte das offene und sonnige kalifornische Flair, das Neutra anzubieten hatte, ideal mit dem Verlangen des noch vom Krieg gezeichneten Europa nach einer heilenden Architektur, die das Innen und das Außen zu einer Einheit verschmolz und sich materiell in die Natur einfügte.

Neutra verwirklichte in Königstein, wie in allen seinen Projekten, nichts weniger als ein Gesamtkunstwerk, das Struktur, Licht, Möblierung und Natur zu einer stimmigen Komposition zusammenführt. 1964 fertiggestellt und seither nur unwesentlich verändert, bot das Haus Rang dem Paar und seinen drei Kindern eine inspirierende Lebenswelt, wo sie auf einzigartige und unvergessliche Art und Weise wohnen, arbeiten und aufwachsen konnten.

Neutras ikonischer Boomerang Chair (ganz oben) und das rationale und dennoch bequeme Sofa Alpha Seating (oben, Vordergrund) bilden ein einzigartiges Ensemble, das im Haus Rang an einem angeregten Dialog zwischen Architektur und Design teilnimmt

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Neutras ikonischer Boomerang Chair (ganz oben) und das rationale und dennoch bequeme Sofa Alpha Seating (oben, Vordergrund) bilden ein einzigartiges Ensemble, das im Haus Rang an einem angeregten Dialog zwischen Architektur und Design teilnimmt

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Die betont horizontale Ausrichtung (um das Haus quasi naturnah, am Boden der Tatsachen zu halten) wird von den fast schwerelos schwebenden Vordächern ausbalanciert. Die Bauvolumen, das Spiel der sich überschneidenden Flächen, die großzügige Verwendung von sowohl optisch als auch haptisch ansprechenden Naturmaterialien und das Licht vereinen sich zu einem opulenten Sinneserlebnis. Der Wohnflügel des Hauses beherbergt neben dem Hauptschlafzimmer ein Büro, das durch einen frei stehenden Kamin vom Wohnzimmer abgetrennt ist und dank seiner Ausrichtung nach Südosten viel Sonnenlicht empfängt (wenn das Wetter stimmt). Die Fenster der Küche sind nach Nordwesten gelegen und der Flügel mit den Kinderzimmern zeigt Richtung Nordost. Zwischen allen Flügeln verläuft ein großer Flur, dessen hohe Decke (neben anderen Elementen) seine Funktion als inneres Bindeglied artikuliert.

Ein Besucher, der von außen durch die Glaswände, die für die Architektur der Moderne so typisch sind und auch hier im Haus Rang nicht fehlen, in die Innenräume blickt, würde feststellen, dass Neutra in noch anderer Hinsicht nach Europa zurückgeholt wurde. Der deutsche Hersteller VS (Vereinigte Spezialmöbelfabriken) erwarb vor einigen Jahren die Lizenzrechte an Neutras bedeutendsten Möbeldesigns, die nunmehr wieder als detailgetreue Reeditionen im Handel erhältlich sind. Um die Wiedervereinigung komplett zu machen, stattete VS das Haus Rang mit einer Auswahl von Neutra-Möbeln aus und regte dadurch einen spannenden Dialog zwischen Innenausstattung und Umraum an.

Die Idee für die höhenverstellbare Konstruktion des ebenso eleganten wie praktischen Camel Table für das Logar House in Granada Hills, Los Angeles, kam Neutra, als er sah, wie Kamele sich niederlegen

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Die Idee für die höhenverstellbare Konstruktion des ebenso eleganten wie praktischen Camel Table für das Logar House in Granada Hills, Los Angeles, kam Neutra, als er sah, wie Kamele sich niederlegen

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Neutra nahm es mit seinen Möbeln ebenso genau wie mit seinen Bauwerken. Ja man könnte sagen, er empfand die Gestaltung von Stühlen und Tischen für spezifische Gebrauchszwecke als architektonischen Akt. Viele der kalifornischen Villen der 1920er-, 1930er- und 1940er-Jahre wurden mit attraktiven Möbelstücken ausgestattet, die den Raum nicht bloß füllten, sondern aktiv zu seiner Definition beitrugen.

Obwohl das Haus Rang nach seiner Fertigstellung nie Originalmöbel von Neutra erhielt, bietet es dennoch den idealen Rahmen für die von VS organisierte Präsentation einer Anzahl von klassischen Designs. Mit dabei sind unter anderem der ikonische Boomerang Chair für die Wohnsiedlung Channel Heights in San Pedro (Anfang der 1940er-Jahre); das einladende Sofa Alpha Seating für das Lovell Health House (1929); und das markante 50er-Design des Tremaine Chair für das Tremaine House (1948).

Das Haus Rang in Königstein im Taunus (1964) gehört zur Zahl jener Projekte, die Neutra in den letzten zehn Lebensjahren in Europa realisierte

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Das Haus Rang in Königstein im Taunus (1964) gehört zur Zahl jener Projekte, die Neutra in den letzten zehn Lebensjahren in Europa realisierte

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Das Stück, das vielleicht am meisten vom Ambiente des Haus Rang profitiert, ist jedoch der Camel Table, Teil der Originalausstattung für das Logar House in Granada Hills, Los Angeles (1951). Seine elegante Ästhetik gibt beredtes Zeugnis von Neutras architektonischem Ethos, doch mindestens ebenso bemerkenswert ist seine Funktionalität. Als Neutra sah, wie Kamele sich niederlegen, kam ihm die Idee zur höhenverstellbaren Konstruktion des Camel Table: Durch Umschwenken der Beine aus Stahlrohr verwandelt sich der niedrige Couchtisch im Handumdrehen in einen Esstisch.

Ob Tisch oder Haus – Neutra suchte nach Designs, die simultan den Körper, den Geist und die Sinne ansprechen. Echte Gesamtkunstwerke eben. Wiedervereint auf europäischem Boden im Haus Rang.

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RICHARD NEUTRA AUSSTELLUNG IN ZÜRICH

Neutra – die neuen Möbel: Architektur und Einrichtung

30. März bis 30. April 2016

Architekturforum Zürich
Brauerstrasse 16
8004 Zürich

Telefon: +41 (0)43 317 14 00
E-Mail: mail@af-z.ch

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