Ohne dass es uns bewusst ist, funktionieren wir den grössten Teil unserer Wachzeit auf Autopilot, unbemerkt analysieren und filtern wir eine erstaunliche Menge an akustischen, visuellen und motorischen Informationen. Die Geschwindigkeit, mit der Nervenimpulse in unserem Gehirn ein- und ausgehen, kann bis zu 400 km/h betragen – sie sind damit schneller als ein Formel-1-Rennwagen!

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Eine Reihe von pendelähnlichen Elementen erzeugen mit Licht- und Toneffekten in der neunzig Meter langen Curve Gallery im Londoner Barbican Centre ein Spektakel für die Sinne

Um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie selbstverständlich wir die Analysearbeit unserer Sinne voraussetzen, hat die Künstlergruppe United Visual Artists das Projekt „Momentum“ konzipiert: eine Installation, die mit unseren Sinnesempfindungen spielt. Die neunzig Meter lange, komplett abgedunkelte Curve Gallery im Londoner Barbican Centre empfängt den Besucher mit zwölf Pendeln, die in einer präzise choreografierten Sequenz durch den Raum schwingen. Darüber hinaus gibt jedes Pendel individuelle Licht- und Klangeffekte von sich. Der Gründer von United Visual Artists Matt Clark erklärt hierzu: „Ziel war es, unser gewohntes Wahrnehmungsmodell von Raum und Zeit auf den Kopf zu stellen.“ Für mich persönlich war diese Installation ein meditatives und zuweilen sogar unheimliches Erlebnis – und zweifellos eines, das meinen sensorischen Autopiloten gehörig aus dem Ruder laufen liess!

Digital Wallpaper
In den Räumen der Wiener Eventagentur Büro Hirzberger wird die Sinneswahrnehmung der Besucher direkt am Eingang ebenfalls durch eine besondere Installation (konzipiert von Strukt Design Studio) angesprochen. Der Raum ist von Wänden eingefasst, in denen sich programmierbare, horizontale Bänder zu einer „Digitalen Tapete“ (Digital Wallpaper) zusammenfügen. Diese fungiert als eine Art umlaufender Bildschirm, der in seiner Darstellungsvielfalt und technologischen Aktualität die Essenz der Marke Büro Hirzberger einfängt und ausdrückt. Erreicht wird dies durch Videoprojektoren und ein generatives Computersystem (vvvv). Hierbei handelt es sich um eine grafische Programmierumgebung, mit der sich Video-, Grafik- und Datenströme in Echtzeit erzeugen und durch viele Benutzer gleichzeitig interaktiv manipulieren lassen. Neue Prototyping- und Entwicklungsmöglichkeiten sind ein zusätzliches Feature.

Auch der Content der Installation ist interaktiv angelegt, indem die Wände der im Erdgeschoss liegenden Büros auf vorüber gehende Besucher reagieren. Die Software, mit der diese Interaktionen möglich werden, wurde ebenfalls von Strukt Design Studio entwickelt. Sie ermöglicht es Besuchern innezuhalten und sich in einem aktiven, motorischen Dialog mit der Wand zu verlieren – so wird eine andernfalls langweilige Wand zu einem lebendigen Spielpartner. Ein überaus gelungenes Beispiel für die Verschmelzung von physischen und digitalen Designelementen zu einem kreativen und immersiven (hier sogar subtil markenverstärkenden) Interaktionserlebnis, das die Aufmerksamkeit der Besucher bindet, was – wiederum nicht nur das Markenverständnis erweitert, sondern auch die Bekanntheit der Marke forciert, denn schliesslich ist auf dem Markt nur derjenige erfolgreich, über den gesprochen wird.

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Die mit „Digital Wallpaper“ verkleideten Wände der Büroräume im Erdgeschoss reagieren mit wechselnden Inhalten auf vorübergehende Besucher

Eine Reihe von Marketingprojekten der letzten Zeit haben dank der Fortschritte audio-visueller Technologien mit nie dagewesenen und äusserst inspirierenden immersiven Erlebnisse digitaler und physischer Art aufwarten können. Besonders hervorzuheben ist hierbei ein Projekt von Future Colossal für die künftigen i-Modelle von BMW mit dem Titel „A Window into the Near Future“ (ein Fenster in die nahe Zukunft). Markenzeichen der Agentur Future Colossal ist die Synthese von Kunst, Technologie und Design. Eben diese drei Bereiche finden sich auch in der Idee für eine Fassade, bei der ein bis zum Boden reichendes „Fenster“ vorbeifahrende Fahrzeuge durch ein digital erzeugtes „Spiegelbild“ von künftigen BMW-Modellen der Serien i3 und i8 ersetzt. Passanten müssen oft zweimal hinschauen, um die optische Täuschung aufzulösen, und erhalten so in Form eines Erlebnisses erweiterter Realität einen Ausblick auf die Zukunft der Mobilität.

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Eine interaktive Fassade transformiert die bis zum Boden reichenden Fenster in einen virtuellen „Spiegel“, der vorüberfahrende Autos in digitale Darstellungen von zukünftigen BMW-Modellen aus den i3- und i8-Serien verwandelt

Ein höchst informatives und markenverstärkendes Erlebnis bietet das vom Büro Control Group für das Vermögensverwaltungsunternehmen Brookfield Asset Management gestaltete Foyer. Schon beim Verlassen des Aufzugs empfängt den Besucher eine interaktive, digitale 50-Zoll-Wand, über die sich die verschiedensten Informationen zu Angeboten und Geschäftsbereichen aufrufen lassen. Die Anwesenheit von Personen wird über Bewegungsmelder erfasst und je länger sich der Benutzer mit der Wand beschäftigt, desto mehr Content bekommt er angeboten. Eine grossartige Lösung, Unternehmensphilosophie und -werte durch die Verknüpfung von physischen und digitalen Designelementen mithilfe fortschrittlicher AV-Technologie zu vermitteln.

Eine von Control Group für Brookfield Asset Management entworfene interaktive Wand präsentiert Informationen, wobei Bewegungsmelder die Anwesenheit von Personen detektieren, deren Interaktion Einfluss auf die gezeigten Inhalte hat

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Eine von Control Group für Brookfield Asset Management entworfene interaktive Wand präsentiert Informationen, wobei Bewegungsmelder die Anwesenheit von Personen detektieren, deren Interaktion Einfluss auf die gezeigten Inhalte hat

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Ein anderer Eingangsbereich, der ein Exempel in Sachen Kommunikation statuiert, ist das Briefing Center von Microsoft in Wallisellen (CH), das aus der Feder des Stuttgarter Büros Coast Office Architecture stammt. Empfangen wird man hier von den Raum in Wellenlinien durchziehenden Möbelelementen, die Zonen für unterschiedliche Arten der Kommunikation (wie z.B. Begrüssung, Produktpräsentation und Arbeitstreffen) voneinander abgrenzen. Mittels zahlreicher, in Wände und Möbel integrierter Medienelemente können die Mitarbeiter ihre jeweiligen Themen präsentieren, wobei ihnen sämtliche audio-visuellen Technologien, für die das Unternehmen bekannt ist, zu Verfügung stehen.

Mittels zahlreicher in Wände und Möbel integrierter Medienelemente können im Briefing Center von Microsoft Präsentationen aufgerufen werden, wobei die gesamte Bandbreite an audio-visuellen Technologien des Unternehmens zur Verfügung steht

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Mittels zahlreicher in Wände und Möbel integrierter Medienelemente können im Briefing Center von Microsoft Präsentationen aufgerufen werden, wobei die gesamte Bandbreite an audio-visuellen Technologien des Unternehmens zur Verfügung steht

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Holografische Projektion
Keine Science-Fiction ist denkbar ohne die typischste aller AV-Technologien: die Holografie. Ihr Prinzip ist die dreidimensionale Darstellung von Gegenständen durch die Aufzeichnung ihrer Lichtwellenmuster. Erfunden wurde die Holografie 1947 von Dennis Gabor, der in Ungarn geborenen wurde und in England forschte. Er entwickelte, als er an der Verbesserung der Auflösung von Elektronenmikroskopen arbeitete, die dazugehörige Theorie. Im Jahr 1971 erhielt er für seine Erfindung den Nobelpreis für Physik.

Der Rapper Tupac Shakur, der 1996 im Alter von 25 Jahren bei einem Schusswechsel ums Leben kam, erlebte 2012 eine „Wiederauferstehung“ in Form eines computergenerierten Hologramms. Die Science-Fiction-Technologie wurde somit zu einer wissenschaftlichen Tatsache. Zusammen mit Rapper-Kollege Snoop Dogg trat Tupac beim Musikfestival Coachella quasi „live“ auf. Sowohl in der realen als auch in der virtuellen Welt löste dieser Auftritt ein gigantisches Echo aus. Das Publikum konnte seinen Augen fast nicht trauen und das YouTube-Video des Ereignisses sammelte in nur 48 Stunden über 15 Millionen Klicks.

Tupac Shakur erlebt beim Musikfestival Coachella als computergeneriertes Hologramm eine Wiederauferstehung

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Tupac Shakur erlebt beim Musikfestival Coachella als computergeneriertes Hologramm eine Wiederauferstehung

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Ein paar Jahre danach scheint die holografische Technologie kurz davor zu sein, eine bedeutsame Rolle in den Büros der Zukunft und der Art und Weise, wie wir arbeiten, zu übernehmen: zum einen durch eine revolutionäre Neuinterpretation von Telefonkonferenzen, zum anderen in der Durchführung von Präsentationen. Einige der Unternehmen, die für die spektakulären Hologramme in der Unterhaltungsindustrie verantwortlich zeichnen, suchen derzeit ebenso intensiv nach Einsatzmöglichkeiten in Büro- und Arbeitsumgebungen. AV concepts, das Team, das Tupac ein zweites Leben gab, sowie das in Grossbritannien ansässige Unternehmen Musion zählen hierbei zu den führenden Impulsgebern. Beide Ideenschmieden haben in dem Streben, die Telepräsenz Wirklichkeit werden zu lassen, unabhängig voneinander das Konzept der Telefonkonferenz neu erfunden. Zu diesen Verbesserungen gehören lebensgrosse, holografische Projektionen von Personen und Gegenständen in Echtzeit und ohne wahrnehmbare Verzögerung in der Übertragung – so lange die Datendurchsatzraten der Internetanbieter dies stemmen können! Diese Pionierarbeit in Sachen AV-Technologie brachte Musion im Jahr 2012 mit einem Projekt, bei dem der indische Politiker Narendra Modi eine 55-minütige Wahlkampfrede hielt, die zeitgleich an 53 verschiedenen Orten übertragen wurde, sogar einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde.

Die Wahlkampfrede des indischen Politikers Narendra Modi wurde mittels AV-Technologie zeitgleich an 53 verschiedenen Orten übertragen

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Die Wahlkampfrede des indischen Politikers Narendra Modi wurde mittels AV-Technologie zeitgleich an 53 verschiedenen Orten übertragen

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Im holografischen Präsentationsraum von Digital Video Enterprises sind Interaktionen mit frei im Raum schwebenden Hologrammen möglich

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Im holografischen Präsentationsraum von Digital Video Enterprises sind Interaktionen mit frei im Raum schwebenden Hologrammen möglich

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Im Januar 2014 brachte Digital Video Enterprises (DVE) mit dem „DVE Immersion Room“ den ersten holografischen Präsentationsraum der Welt auf den Markt. Dieser ermöglicht (unterstützt von Microsoft-Anwendungen) Interaktionen mit einer dreidimensionalen, in der Raummitte schwebenden Figur. Ab jetzt gibt es keine Ausrede mehr für langweilige und öde Präsentationen!

360°-Erlebnisse
Was erwartet uns als Nächstes?

Ein wirklich innovatives Virtual-Reality-Projekt, die Datenbrille Oculus Rift, ist ein Headset, das neben stereoskopischem 3D-Sehen auch einen 360°-Rundumblick bietet. Das Gehirn unterscheidet offenbar nicht nennenswert zwischen in der tastbaren Welt gemachten Erfahrungen und solchen aus der Virtual Reality von Oculus Rift:

„Es ist das erste Mal, dass es uns gelungen ist, die für das menschliche Sehen zuständigen Hirnareale direkt zu stimulieren“, erklärt Abrash, einer der Ingenieure hinter Oculus Rift.

Ein Virtual-Reality-Headset, mit dem stereoskopisches 3-D-Sehen und ein 360°-Rundumblick möglich sind. Das Gehirn unterscheidet nicht wesentlich zwischen in der tastbaren Welt gemachten Erfahrungen und solchen aus der Virtual Reality von Oculus Rift

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Ein Virtual-Reality-Headset, mit dem stereoskopisches 3-D-Sehen und ein 360°-Rundumblick möglich sind. Das Gehirn unterscheidet nicht wesentlich zwischen in der tastbaren Welt gemachten Erfahrungen und solchen aus der Virtual Reality von Oculus Rift

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Das Projekt setzte bei vielen Visionären, einschliesslich Mark Zuckerberg, Fantasien in Gang: „Man stelle sich einen Platz in der ersten Reihe bei einer hochkarätigen Sportveranstaltung, eine Vorlesung in einem virtuellen Hörsaal mit auf der ganzen Welt verteilt lebenden Studenten und Dozenten oder ein Vier-Augen-Gespräch mit einem Arzt vor. Das alles ist, ohne dass man einen einzigen Schritt vor die Tür setzen muss, einfach durch Aufsetzen einer Brille möglich.“ Das Projekt erschien Mark Zuckerberg so verlockend, dass Facebook im März dieses Jahres Oculus Rift für zwei Milliarden US-Dollar aufkaufte.

Der Fortschritt der audio-visuellen Technologien wird zudem die Verschmelzung des Arbeitsplatzes (offline) mit dem digitalen Office (online) weiter vorantreiben, so dass vollständige 360°-Erlebnisse für alle Sinne unsere Arbeitsplätze und Arbeitsformen grundsätzlich verändern und unserem sensorischen „Autopiloten“ deutlich mehr als nur einen Stupser geben werden. Es heisst, Augen und Ohren offen zu halten!

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