Könnte Holz der neue Beton sein? Schaut man sich weltweit die in jüngster Zeit fertiggestellten Holzhochhäuser an, scheint der Weg für diesen extrem langlebigen und zuverlässigen Baustoff tatsächlich steil nach oben zu führen.

Im achtstöckigen Holz-Hybrid-Hochhaus LifeCycle Tower in Österreich wurde ausser Holz auch Stahlbeton verbaut, um ein Optimum an Funktionalität, Schallschutz, Isoliereigenschaften und Stabilität zu erzielen; Foto: Norman A. Müller

Hoch hinaus (mit Holz) | Aktuelles

Im achtstöckigen Holz-Hybrid-Hochhaus LifeCycle Tower in Österreich wurde ausser Holz auch Stahlbeton verbaut, um ein Optimum an Funktionalität, Schallschutz, Isoliereigenschaften und Stabilität zu erzielen; Foto: Norman A. Müller

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Holzarchitektur erlebt derzeit eine Blüte. Die schnell wachsende und höchst passionierte Zahl ihrer Anhänger hofft, dass dies noch lange so bleibt. Zum einen ist Holz im Gegensatz zu Beton und Zement ein wesentlich nachhaltigerer Baustoff, weil Bäume das Kohlendioxid der Erdatmosphäre binden (eine Tonne pro Kubikmeter Holz), zum anderen lässt es sich in einem Gebäude aus Holz dank der besseren akustischen und thermischen Eigenschaften wesentlich angenehmer und gesünder leben. „Auf Baustellen, auf denen Brettsperrholz verarbeitet wird, herrscht immer eine fröhliche, produktive Arbeitsatmosphäre“, unterstreicht Andrew Waugh, Mitbegründer des in London ansässigen Architekturbüros Waugh Thistleton, das seit fünfzehn Jahren mit vorgefertigten Elementen aus Brettsperrholz (CLT) arbeitet. „Brettsperrholz ist in der Verarbeitung sauber, geräuscharm und trocken und man hat nicht ständig mit an- und abfahrenden LKW oder Betonmischmaschinen, Bohrhämmern oder Baustellenabfällen zu tun.“

Das neunstöckige Stadthaus in London wurde vom Büro Waugh Thistleton entworfen. Erbaut wurde es von vier Personen in nur 27 Tagen. Elf Monate lagen zwischen dem Abriss des vorherigen Gebäudes und dem Einzug der ersten Mieter; Foto: Will Pryce

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Das neunstöckige Stadthaus in London wurde vom Büro Waugh Thistleton entworfen. Erbaut wurde es von vier Personen in nur 27 Tagen. Elf Monate lagen zwischen dem Abriss des vorherigen Gebäudes und dem Einzug der ersten Mieter; Foto: Will Pryce

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Das Büro Waugh Thistleton zeichnet verantwortlich für einige der fortschrittlichsten Holzgebäude, die in der Architekturlandschaft der vergangenen Jahre entstanden sind, und wagte als erstes Büro den Versuch, mit Holz in bislang unerreichte Höhen zu bauen. Als echten Durchbruch kann das Stadthaus (auch: „Murray Grove“) gelten, ein 30 Meter hohes, neunstöckiges Gebäude im Londoner Stadtteil Hackney, das vollständig aus Holz besteht: vom Gerüst über die Wände und Geschossdecken bis hin zu den Aufzugschächten und Treppenhäusern. Bei seiner Fertigstellung im Jahre 2008 war das Stadthaus das höchste Holzwohnhaus der Welt. Aktuell arbeitet das Büro in London an einem zehnstöckigen Holzhochhaus mit 123 Wohneinheiten, das, sobald es nächstes Jahr fertig ist, das grösste CLT-Gebäude der Welt sein wird.

Sämtliche Elemente des Stadthaus, von den tragenden Wänden bis zum Aufzugsschacht, wurden aus Brettsperrholz gefertigt. Selbst die Eternitfassade besteht zu 70 Prozent aus Altholz; Foto: Will Pryce

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Sämtliche Elemente des Stadthaus, von den tragenden Wänden bis zum Aufzugsschacht, wurden aus Brettsperrholz gefertigt. Selbst die Eternitfassade besteht zu 70 Prozent aus Altholz; Foto: Will Pryce

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Reist man von London aus 7570 Kilometer in westliche Richtung, trifft man im kanadischen Vancouver auf das achtstöckige Wood Innovation and Design Centre, das durch seine Holzarchitektur quasi ein Aushängeschild dafür ist, welche Möglichkeiten und Potenziale mittlere und grössere Holzhochhäuser bieten. Die Konstruktion verwendet Säulen und Balken aus Brettschichtholz, kombiniert mit CLT-Böden und Massivholzwänden, wodurch es sich ideal für die Systembauweise eignet.

Das Baukonzept für das achtstöckige Wood and Innovation Design Centre in Kanada liesse sich auch für Gebäude mit bis zu 30 Geschossen umsetzen, sind die Architekten des Büros Michael Green Architecture (MGA) überzeugt

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Das Baukonzept für das achtstöckige Wood and Innovation Design Centre in Kanada liesse sich auch für Gebäude mit bis zu 30 Geschossen umsetzen, sind die Architekten des Büros Michael Green Architecture (MGA) überzeugt

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Weniger ästhetisch verfeinert, aber nicht weniger inspirierend und unternehmerisch engagiert sind die Projekte, mit denen sich die australische Lend Lease Gruppe in den Bau von Holzhochhäusern einklinkt. Bereits im Jahr 2012 errichtete das Bauunternehmen im Melbourner Stadtteil Victoria Harbour ein zehnstöckiges, vollständig aus CLT zusammengesetztes Wohnhochhaus, das Forté. Für die Fertigstellung benötigten fünf Bauarbeiter lediglich zehn Wochen.

Das Forté ist ein zehnstöckiges Wohnhochhaus in Melbourne, das von der Lend Lease Gruppe konzipiert und gebaut wurde. In Australien ist dieses vollständig aus CLT errichtete Gebäude das erste (und somit bislang auch höchste) reine Holzhochhaus

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Das Forté ist ein zehnstöckiges Wohnhochhaus in Melbourne, das von der Lend Lease Gruppe konzipiert und gebaut wurde. In Australien ist dieses vollständig aus CLT errichtete Gebäude das erste (und somit bislang auch höchste) reine Holzhochhaus

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Zurück in Europa richten sich die Augen der Liebhaber von Holzbauwerken auf die Stadt Dornbirn im österreichischen Vorarlberg und auf den dort stehenden LifeCycle Tower One, das erste unverkleidete, achtstöckige Holz-Hybrid-Hochhaus der Welt. Es unterscheidet sich von den bereits genannten Projekten in zwei Punkten: Die tragenden Wände sind unverkleidet (was den Bewohnern das direkte Erlebnis des Wohnens in Holz vermittelt) und die statischen Elemente bestehen sowohl aus Stahlbeton als auch aus Holz. Die Entscheidung zu Letzterem fiel, so das Bauunternehmen Cree GmbH, „um die verfügbaren Ressourcen so effizient wie möglich einzusetzen und dabei ein Optimum an Funktionalität zu erzielen“.

Obwohl im LifeCycle Tower auch Beton verbaut wurde, konnte die Bauzeit um die Hälfte reduziert und die CO2-Bilanz des Gebäudes um 90 Prozent verbessert werden; Fotos: Darko Todorovic (oben) und Norman A. Müller (unten)

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Obwohl im LifeCycle Tower auch Beton verbaut wurde, konnte die Bauzeit um die Hälfte reduziert und die CO2-Bilanz des Gebäudes um 90 Prozent verbessert werden; Fotos: Darko Todorovic (oben) und Norman A. Müller (unten)

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Die Puristen unter den Verfechtern der Holzarchitektur halten Hybridkonstruktionen, die auch Beton oder Stahl einbinden, für überflüssig. Andrew Waugh beispielsweise ist überzeugt, dass man ausschliesslich mit dem Baustoff Holz Gebäude von bis zu 25 Stockwerken errichten kann. Seiner Meinung nach sollte man sich allerdings nicht daran orientieren, wie hoch man bauen kann, sondern daran, bis zu welcher Höhe es Sinn macht. „Hochhäuser sind hinsichtlich ihrer Wartung und Instandhaltung aber auch hinsichtlich der Fläche, die sie um die Gebäudegrundfläche herum belegen, höchst ineffizient. Reduziert man die Höhe, kann dichter gebaut werden. So gesehen, handelt es sich in meinen Augen um eine zwar faszinierende, aber nicht zielführende Fragestellung.“