Bambus gewinnt zunehmend an Bedeutung als vielseitig nutzbares Material für Produktdesign. Bambus ist nicht nur ein besonders schnell wachsender, sondern auch ein ausgesprochen nachhaltiger Rohstoff. Architonic wählte für sie Produkte aus, die auf der Verwendung des Materials selbst basieren oder die strukturellen und formalen Eigenschaften des Materials zitieren.

Bambus erlangte Weltruhm in Dick van Dykes Auftritt ‚Me Ol’ Bamboo’ im 60er Jahre Musical 'Chitty Chitty Bang Bang'. Jetzt feiert das Tropenholz sein Comeback als Hauptdarsteller in der Designwelt: Bambus wird, sowohl im Möbel- und Produktdesign wie auch in der Architektur, geschätzt für seine Belastbarkeit und Ökologie. Bambus ist das neue Alleskönner-Material.

'chairEasychair' des Designers Jair Straschnow, Teil seiner 'Grassworks' Kollektion, 2009

Bambus – ein universeller Werkstoff | Aktuelles

'chairEasychair' des Designers Jair Straschnow, Teil seiner 'Grassworks' Kollektion, 2009

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Viele Argumente sprechen für Bambus:
Die schnellen Wachstumszyklen und die Erhaltung von Waldflächen machen Bambus zu einem bevorzugten Rohstoff der Umweltschützer. Bambus-Stämme können bis zu 15 m hoch wachsen und bemerkenswert dick werden. Aufgrund seiner Rhizome (unterirdischen Triebe) regenerieren sich Bambus-Haine viel schneller als Nutzholz-Wälder und das Pflanzen von Setzlingen nach dem Abholzen erübrigt sich.

Doch damit nicht genug: Bambus ist ein sehr effizienter Sauerstoffproduzent, mittels Photosynthese verwandelt er CO2 in O2. Pestizide sind überflüssig, da die Pflanze sehr widerstandsfähig ist. Kein Wunder also, dass die ganze Designwelt in Bambus wiederentdeckt hat. Seine mechanischen Eigenschaften sind unschlagbar: Die Zugfestigkeit von Stahl ist um einiges geringer und Bambus besitzt zusätzlich noch eine gewisse Elastizität. Ausserdem birgt seine lineare Form eine graphische Ästhetik.

'Grassworks' KolleKtion von Jair Straschnow, ausgestellt in der Aram Gallery in London, 2009

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'Grassworks' KolleKtion von Jair Straschnow, ausgestellt in der Aram Gallery in London, 2009

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Designgeschichtlich betrachtet begleitet uns Bambus schon erstaunlich lange – wenn auch nicht unbedingt als Material. Die Kunstrichtung der ‚Chinoiserie’, die sich ab dem 17. Jahrhundert verbreitete, verwendete Sujets, die sich an chinesischen Vorbildern orientierte. Bambus als eines dieser Motive findet sich auf Keramik, Tapeten und Textilien aus dieser Zeit wieder.

Als Material zur Konstruktion von Möbeln wurde Bambus erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingesetzt. Die Bambusrohre wurden aus Japan importiert und die daraus produzierten Möbel konnten relativ kostengünstig hergestellt werden. Zielgruppe waren Konsumenten, die den exotischen Charakter dieser Möbel schätzten.

Bambus hat das Klischee piefiger Schaukelstühle und Wintergartenmöbel gegen das Image eines angesagten Ökomaterials eingetauscht. Statt überkommene Exotik zu verbreiten, steht Bambus für zeitgenössisches und funktionales Design.

'Desile' chair von Christian Desile für Vange, 2009

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'Desile' chair von Christian Desile für Vange, 2009

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‚Bambus ist ein absolut korrektes Material, es ist zu 100% nachhaltig und das ist ein schlagendes Argument,’ sagt Jair Straschnow, der Gewinner des ‚UK Design Museum Furniture Award’ 2010. Die ‚Grassworks’ Serie des Designers aus Amsterdam ist eine experimentelle Möbelkollektion aus Bambuslaminat, deren optisches Gewicht auf den Verbindungsstücken liegt. Formale Einfachheit zeichnet seine Kollektion aus, die aus Stühlen, Tischen, Bücherregalen und einem zum Sessel transformierbaren Stuhl besteht. Alle Möbel bestehen aus Komponenten, deren Verbindungen ohne Schrauben und Leim auskommen. Daher können die Einzelteile platzsparend verpackt zum Selbstzusammenbau geliefert werden.

'Blow-Up Bamboo Table' der Gebrüder Campana für Alessi, 2010, Teil der 'Blow-Up Bamboo' Kollektion

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'Blow-Up Bamboo Table' der Gebrüder Campana für Alessi, 2010, Teil der 'Blow-Up Bamboo' Kollektion

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Platzsparend kann man auch den Klapp-Stuhl ‚Desile’ der belgischen Firma Vange bezeichnen, entworfen von Christian Desile: 100 zusammengeklappte Stühle sind aufeinander gestapelt nur 2 m hoch. Der Stuhl lässt sich in geklapptem Zustand an die Wand hängen – und könnte dort auch für ein graphisches Reliefobjekt gehalten werden, das einem Mikrochip ähnelt.
‚Desile’ besteht aus Bambus und wiederverwendetem PET. Sein zukunftsweisendes und nachhaltiges Design wurde an der diesjährigen Maison & Objet mit dem 'Coup de Coeur' ausgezeichnet.

Die brasilianischen Brüder Fernando und Humberto Campana haben Bambus für ihre neue Kollektion 'Blow Up Bamboo' für den italienischen Hersteller Alessi verwendet.
Sie hatten sich bereits für eine Installation vor dem V&A Museum in London intensiv mit dem Material auseinandergesetzt. Bambuspfähle ragen aus dem Boden und bilden einen faszinierenden optischen Rhythmus- sie sind der Blickfang des Museumsgartens.
Eine scheinbar chaotische Anordnung von Bambusstäben dient als Basis eines Beistelltisches und eine ähnliche Struktur aus Metall bildet einen Obstkorb. Wie der Name 'Blow Up Bamboo' (was soviel wie ‚Bambus-Explosion’ bedeutet) suggeriert, behandelt das Konzept das Spannungsfeld zwischen Ordnung und Unordnung.

'43' Freischwinger aus Bambus, Prototyp von Konstantin Grcic, dem National Taiwan Craft Research Institute und dem Taiwan Design Center, 2008

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'43' Freischwinger aus Bambus, Prototyp von Konstantin Grcic, dem National Taiwan Craft Research Institute und dem Taiwan Design Center, 2008

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Eine aufgeräumtere Konstruktion wählte der deutsche Produkt-Designer Konstantin Grcic für seinen Bambus-Freischwinger '43' aus dem Jahr 2008.
Grcic ist bekannt für seine innovative Annäherung an Materialien und Herstellungstechniken. In Kooperation mit dem National Taiwan Craft Research Institute und dem Taiwan Design Center entstand ein Stuhl aus 43 gefächerten Holzlatten, die Sitzfläche und Rückenlehne bilden. Die Flexibilität des Materials wird bis an seine strukturellen Grenzen ausgereizt. Das Objekt strahlt gleichzeitig sowohl Leichtigkeit als auch Belastbarkeit aus.

'Bambu' Kollektion von Artek Studio/Henrik Tjaerby für Artek, 2007/2008

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'Bambu' Kollektion von Artek Studio/Henrik Tjaerby für Artek, 2007/2008

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Unter Tom Dixons kreativer Schirmherrschaft entstand die ökologisch inspirierte ‚Bambu’ Kollektion des Designmöbelherstellers Artek. Die Firma wurde einst von Alvar Aalto zusammen mit seiner Frau Aino und Freunden zur Vermarktung seiner Möbel gegründet. Zeitlosigkeit und Langlebigkeit ist traditionsgemäss ein Grundprinzip der Firma Artek. Mit Tom Dixon als Kreativdirektor wurden diese Qualitäten durch den Nachhaltigkeits-Faktor ergänzt. Das Design der neuen, streng minimalen ‚Bambu’ Serie, bestehend aus Stuhl, Esstisch und Kaffeetisch, stammt von Artek Studio/Henrik Tjaerby.
Der lineare Charakter der zusammengeleimten Bambusfurnier-Streifen unterstreicht die formal einfachen, schönen Kurven der Möbel.

'The Bamboo Lantern' von Atelier FCJZ, 2009

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'The Bamboo Lantern' von Atelier FCJZ, 2009

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Ebenfalls schlicht und einfach, jedoch von einer anderen Grössenordnung, ist Atelier FCJZ's 'The Bamboo Lantern'. Wie der Name suggeriert, stand die traditionelle Bambuslaterne Pate für dieses Projekt. Das in Peking ansässige Büro entwickelte daraus eine architektonische Rauminstallation. Der Grundriss des Objektes ist ein Kreis, der einem Quadrat eingeschrieben ist – ein chinesisches Symbol für Erde und Himmel.
Die beiden Teile der 'Bamboo Lantern' stehen sich gegenüber; dazwischen entsteht ein intimer, meditativer Raum, der den Benutzer einlädt, sich darin zu Hause fühlen.
Die Struktur der ‚Bambuslaterne’ besteht aus transparentem, tiefgezogenem PVC, das von einem nur 0,3 mm dünnen Bambusfurnier überzogen wurde. Treten Sie ein – ins Licht.

'Black 90' Raumteiler von Paola Navone für Gervasoni

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'Black 90' Raumteiler von Paola Navone für Gervasoni

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Auch durch Paola Navones Bambus-Raumteiler für Gervasoni wird das Raumerlebnis definiert. Nichts an dem avantgardistischen 3-teiligen 'Black 90' Falt-Paravent und dem 'Black 199' Raumteiler weist darauf hin, dass die Designerin Mitglied der postmodernen Bewegungen ‚Alchimia’ und ‚Memphis’ war. Beide sind materialisiert aus einem Walnussholzrahmen, der zur visuellen Abschirmung mit schwarzen Bambusstäben bestückt ist. Das Besondere an den Objekten ist, wie sie mit dem Blick des Betrachters spielen, der auf der einen Seite zwar abgeschirmt wird, auf der anderen Seite jedoch herausgefordert wird, die Zwischenräume der jalousienartigen Konstruktion zu erforschen.

Eine sehr neue und faszinierende Entwicklung im Design stellen Produkte dar, die sich zwar formal auf Bambus beziehen, jedoch anders materialisiert sind. Auch das zeigt, welch grosses Thema Bambus im aktuellen Design-Diskurs darstellt.

'Not Bamboo' lights von GamFratesi, 2009

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'Not Bamboo' lights von GamFratesi, 2009

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‚Not Bamboo’ von GamFratesi ist ein Beispiel für diese jüngste Entwicklung. Der Prototyp aus dem Jahr 2009 sieht Bambus zwar zum Verwechseln ähnlich, doch der Name schliesst Missverständnisse von vornherein aus. Die einzelnen Elemente können zu einem Stab beliebiger Länge zusammengefügt werden, an dessen Enden sich die Glühbirne befindet. Die Verbindungsstücke der Elemente werden betont, so dass die Optik der ringförmigen Verdickungen von natürlichem Bambus entsteht. Ähnlich der oben genannten 'Blow Up Bamboo' - Installation der Campana Brüder spielt ‚Not Bamboo’ mit der Anordnung nach dem Prinzip des des organisierten Chaos.

'Bamboo Shot Glass' von Studio Blue Hour, 2010

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'Bamboo Shot Glass' von Studio Blue Hour, 2010

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Ebenfalls als Referenz verwendet das japanische Design-Atelier ‚Blue Hour’ Bambus für sein 'Bamboo Shot Glass', das formal eindeutig von einem Bambusrohr inspiriert wurde.
Eigentlich besteht das Schnapsglas aus zwei einzelnen Gläsern verschiedener Grössen, die zusammengefügt wurden – für einen Kurzen oder einen längeren Kurzen. Die Kunst liegt darin, zwei Schnäpse gleichzeitig zu trinken.

'Bamboo Lamp' von Roberto Giacomucci für Euroluce, 2009

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'Bamboo Lamp' von Roberto Giacomucci für Euroluce, 2009

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Die 'Bamboo Lamp' des italienischen Designers Roberto Giamucci für Euroluce zitiert ebenfalls die Struktur von Bambusrohren, mit der Betonung auf dessen linearem Charakter. Die raumhohe 'Bamboo Lamp' wirkt, als ob ihre lange Niedrigenergie-Floureszenzleuchte durch die Decke wächst. Werden mehrere 'Bamboo Lamp'-Leuchten installiert, entsteht der Eindruck eines kleinen Bambus-Haines im Raum.

Sicherlich haben die vielen gestalterischen Bambus-Zitate einen ästhetischen Wert und spiegeln die neue Bedeutung der Pflanze als Design-Material wider.
Doch dient ein Trend, der auf einer Metapher basiert, wirklich der Nachhaltigkeit?

Das Interesse an Bambus als geeignetes und rentables Material für industriell orientierte Produkt-Designer wächst beinahe so schnell wie der Bambus selbst.
Es wird sicher faszinierend sein zu beobachten, ob sich das Interesse an Bambus als nachhaltiges Material in den nächsten Jahren auch nachhaltig etabliert, oder ob Bambus nur eine Modeerscheinung bleiben wird.

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