Lebensfeindliche Bedingungen, Heimat von Trollen und Hexen:.Die Alpenbewohner des Mittelalters mieden die mächtigen Gipfel und eisigen Höhen der Hochalpen. Heute haben wir diese touristisch erschlossen.

Lebensfeindliche Bedingungen, Heimat von Trollen und Hexen:
Die Alpenbewohner des Mittelalters mieden die mächtigen Gipfel und eisigen Höhen der Hochalpen. Heute haben wir diese touristisch erschlossen. Der Alpinismus, wie wir ihn heute kennen, nahm seinen Anfang in der Romantik. Zahlreiche Alpenclubs wurden gegründet, wie zum Beispiel der Deutsche Alpenverein oder der SAC (Schweizer Alpen Club). Für ihre Mitglieder erstellten sie einfache Schutzhütten oder Lager. Heute wird einerseits mit grosser Vorsicht in den Alpenraum eingegriffen. Auf der anderen Seite stehen die Bedürfnisse des alpinen Tourismus. In diesem Spannungsfeld entstanden in jüngster Zeit einige erwähnenswerte Gebäude.

Modernste Architektur auf 2883 m ü. Meer: Die neue SAC Hütte Monte Rosa

Bauen in den Alpen bleibt eine Planungsleistung unter Extrembedingungen, wie das jüngste Beispiel der neuen Monte Rosa-Hütte zeigt.

Die Monte Rosa-Hütte mit Matterhorn im Hintergrund, Foto: ETH-Studio Monte Rosa/Tonatiuh Ambrosetti

Hochalpine Bauten - Hexenhäuser der Moderne | Aktuelles

Die Monte Rosa-Hütte mit Matterhorn im Hintergrund, Foto: ETH-Studio Monte Rosa/Tonatiuh Ambrosetti

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Die ETH übernahm das architektonische und technische Konzept und erstellte einen kristallinen Körper, dessen Energiemanagement über einen Rechner der ETH Zürich gesteuert wird. Solarkollektoren liefern Energie für Warmwasser und Luftheizung. Das Abwasser wird über eine Mikrofilteranlage auf bakterieller Basis gereinigt und das Grauwasser für die Toilettenspülung und Reinigung wiederverwendet.

Die glänzende Fassade reflektiert die Lichtstimmungen, Foto: ETH-Studio Monte Rosa/Tonatiuh Ambrosetti

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Die glänzende Fassade reflektiert die Lichtstimmungen, Foto: ETH-Studio Monte Rosa/Tonatiuh Ambrosetti

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Die silbern schimmernden Aluminiumverkleidung und die Fotovoltaikanlage der Südfassade lassen den darunter liegenden Holzbau nicht erahnen. Doch im Inneren des Gebäudes wird es heimeliger, das Bergkristall besitzt einen warmen, weichen Kern, und in das Mobiliar des Restaurants kann man seinen Namen einkerben.

Der Essraum der Monte Rosa-Hütte, Foto: ETH-Studio Monte Rosa/Tonatiuh Ambrosetti

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Der Essraum der Monte Rosa-Hütte, Foto: ETH-Studio Monte Rosa/Tonatiuh Ambrosetti

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Sachlich-moderne Holzhütten

Die Capanna Cristallina im Tessin ist ein weiteres Beispiel für eine neue Generation an SAC Hütten. Nachdem zwei frühere Hütten einer Lawine zum Opfer fielen, wurde der neue Standort genau analysiert und eine Architekturwettbewerb ausgeschrieben, aus dem die Tessiner Architekten Nicola Baserga und Christian Mozzetti als Sieger hervorgingen.

Die Cristallina –Hütte im Valle Bedretto, Schweiz

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Die Cristallina –Hütte im Valle Bedretto, Schweiz

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Diese entwarfen einen lang gezogenen zweistöckigen Bau, dessen 30 m messende Längsseite nach Süden ausgerichtet ist. In dieser mit Lärchenholz verkleideten Box mit dem Spitznamen „Zigarrenkiste“ befindet sich eine moderne Grosshütte, die dem Raumbedürfnis der Wanderer Rechnung trägt: Statt Massenschlag gibt es unter den 120 Schlafgelegenheiten auch kleingruppengerechte Viererzimmer. Um die Transportkosten gering zu halten, wurde lediglich das Kellergeschoss betoniert. Eine Holzrahmenkonstruktion bietet das statische Gerüst, das Dach wurde mit Granitplatten belegt. Trotz dem bewussten Umgang mit Material waren mehr als 2000 Transport-Helikopterflüge nötig.

Auch die neue Pizolhütte entstand, weil die ehemalige SAC-Hütte zerstört wurde - in diesem Fall durch einen Brand. Auf Bettenplätze wurde verzichtet. Da die Hütte in einem Skigebiet südlich der 4er Sesselbahn Gaffia-Pizol steht, ist die Nutzung als Bergrestaurant rentabler. Der Bau ähnelt in Konstruktion und Ausdruck dem der Cristallina-Hütte. Fundament und Sockel aus Ortbeton bilden die Basis des Holzbaus aus vorgefertigten Holzelementen.

Die Pizolhütte in Wangs/Schweiz

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Die Pizolhütte in Wangs/Schweiz

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Zugunsten einer Längsseite mit grosszügiger, nach Süden gerichteter Fensterfront wurde auch hier der Baukörper in die Länge gezogen. Diese Linearität wird durch die Verkleidung der Fassade unterstrichen: Lamellenartig legen sich Holzbretter rund um die Fassade. Sie liegen gekippt und mit etwas Abstand übereinander, was der Fassade eine luftige Filigranität gibt.

Restaurant und Sonnenterrasse

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Restaurant und Sonnenterrasse

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Deren Feinheit steht in interessantem Gegensatz zur sägerohen Kante der Holzbretter. Die Pizolhütte hat im Inneren eine Kapazität von 100 Gästen. Unter dem auskragenden Dach auf der Südseite haben 50 Personen Platz und 150 weitere Sitzplätze befinden sich auf der Terrasse.

Die Holzlamellen mit sägeroher Kante

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Die Holzlamellen mit sägeroher Kante

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Addis Abeba(r) liegt in den Bergen

Weniger auf Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten wurde beim Bau der Addis Abeba(r) in Galltür gelegt. Hier geht es auch nicht um die Beheimatung hartgesottener Wandervögel, sondern eher um die Verköstigung von Nachteulen, die beim Apres-Ski den Einstieg in den Abend finden. Trotz dem offenen Charakter und dem hohen Glasanteil des Gebäudes legten die Architekten Wert auf die Ökobilanz des Gebäudes.

Skihütte Addis Abebar, Galtür; Architektur: Ventira Architekten, Foto: Albrecht Imanuel Schnabel

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Skihütte Addis Abebar, Galtür; Architektur: Ventira Architekten, Foto: Albrecht Imanuel Schnabel

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Die Gebäudeoberfläche wurde im Verhältnis zum umschlossenen Raum gering gehalten, um den Energiehaushalt zu optimieren. Trotzdem wirkt die Hülle komplex durch erkerartigen Ausblicke und die Integration der Aussenbereiche in das Gesamtvolumen. Die grosse speicherwirksame Masse puffert Temperaturschwankungen, verhindert also schnelle Abkühlung oder Erwärmung. Innen ist die Bar mit Lärchenholz, rostrotem Filz und dunklen MDF Platten materialisiert - ein wärmender Kontrast zur äusserlichen schneeweissen Coolness.

Innen dominieren warme Materialien, Foto: Albrecht Imanuel Schnabel

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Innen dominieren warme Materialien, Foto: Albrecht Imanuel Schnabel

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Glitzersteinchen auf 3000 m

Die Panorama-Bar mit dem vielversprechenden Namen „Top Mountain Star“ befindet sich auf der Spitze des Wurmkogels in Tirol. Die runde Kuppel aus Stahl und Glas ermöglicht ein spektakuläres Rundum-Panorama. Wie eine Bergkiefer krallt sich das Gebäude an den Hang: Die Wurzeln bilden 25 Stahlanker von 8 m Länge. Die mutigen , die sich über das Geländer beugen, begegnen nicht nur schwindelnden Höhen, sondern auch den allgegenwärtig glitzernden Swarovski-Kristallen an der Glasbrüstung.

Mountain Star panoramic restaurant, Tirol, Österreich, Foto: Tirol Tourismus

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Mountain Star panoramic restaurant, Tirol, Österreich, Foto: Tirol Tourismus

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Reptil aus Stahl und Glas

Formal an einen Dinosaurier-Rücken erinnernd, dennoch futuristisch: Die Galzigbahn in St. Anton des Architekturbüros Driendl ist nicht nur ein gelungener Bau, sondern auch eine Ode an die Technik.

Galzigbahn St. Anton; Foto: Architekturbüro Driendl

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Galzigbahn St. Anton; Foto: Architekturbüro Driendl

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Eine Weltneuheit im Seilbahn-Bau ist das Funitelsystem. Dieses ermöglicht es dem Gast ebenerdig einzusteigen, ohne die Benutzung einer Treppe oder eines Aufzuges. Möglich wird die Überwindung der Höhendifferenz, indem die Kabinen durch zwei „Riesenräder“ hindurch laufen.

Die Kabine fährt ein, passiert das Rad und wird auf Erdgeschossniveau gebracht; Foto: Architekturbüro Driendl

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Die Kabine fährt ein, passiert das Rad und wird auf Erdgeschossniveau gebracht; Foto: Architekturbüro Driendl

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Bei Nacht, wenn das Gebäude von Innen erleuchtet ist, kommen durch die gläserne Fassade die Innereien des Dinosauriers besonders gut zur Geltung: Sie bestehen aus modernster Seilbahntechnik.

Die Bahn bei Dämmerung; Foto: Architekturbüro Driendl, Bruno Klomfar

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Die Bahn bei Dämmerung; Foto: Architekturbüro Driendl, Bruno Klomfar

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Ob für den naturverbundenen Wanderer oder den spass-orientierten Alpinskifahrer: Das neue Bauen in den Bergen ist dank Vormontage und neuen Transportmöglichkeiten effizienter denn je, und nimmt in Bauweise und Architektur Rücksicht auf die Gegebenheiten dieser besonderen Landschaft.