Nach der Verwirklichung zahlreicher temporärer Architekturen und der Entwicklung virtueller Architekturkonzepte ist der Leonardo Glass Cube das erste permanente Bauwerk, das 3deluxe in die Realität umgesetzt hat. Ergebnis des interdisziplinären Entwurfsprozesses ist ein integratives Gestaltungskonzept, das Architektur, Interior- und Grafikdesign sowie Landschaftsplanung zu einer komplexen ästhetischen Einheit zusammenführt.

Auf dem Firmengelände des in 5. Generation geführten Familienunternehmens glaskoch, das unter dem Markennamen „Leonardo“ innovative und hochwertige Glas- und Geschenkartikel weltweit vertreibt, entstand eine signifikante Corporate Architecture, die seit der offiziellen Einweihung am 24. Mai 2007 ein zentrales Element im kommunikativen Gesamtauftritt der Marke bildet. Als atmosphärische Brandworld vermittelt der Leonardo Glass Cube Gästen und Mitarbeitern auf anregende Weise die Philosophie und Visionen des Unternehmens. Die offene Grundrissgestaltung des klar konzipierten, multifunktionalen Leonardo-Gebäudes ermöglicht auf einer Nutzfläche von insgesamt 2900 Quadratmetern eine integrative Verbindung von Produktpräsentationszonen, Seminar- und Konferenzräumen, inspirierenden Arbeitsbereichen und vielem mehr.

Anders als bei den bisherigen Projekten von 3deluxe in/exterior – die größtenteils als selbstreferentielle, vom Außenraum und dem architektonischen Kontext abgeschirmte Erlebnisräume gestaltet wurden – geht der Innenraum des Leonardo Glass Cube eine Wechselbeziehung mit seiner Umgebung ein. Dieser Aspekt ermöglicht die stilistische Neuinterpretation eines elementaren Leitmotivs von 3deluxe: der inszenierten Überlagerung realer und virtueller Elemente mit der Intention, eine Veränderung des Raumes und der Wirklichkeitswahrnehmung des Betrachters auszulösen.

Die Glasfassade des Gebäudes stellt nicht nur die Schnittstelle zwischen Innen und Außen dar, sondern auch die Schwelle zu einer hypernaturalistischen, ästhetisch überhöhten Welt.
Eine transparente Bedruckung schiebt sich als additive, subtil sichtbare Bildebene in den Aus- oder Einblick. Die darauf abgebildeten, grafisch verfremdeten Elemente wurden der Architektur und den jahreszeitlichen Erscheinungsformen der umgebenden Landschaft entlehnt, sie erzeugen ein feinsinniges Vexierspiel mit den Reflexionen ihrer realen Vorbilder. Dieser optische Verdichtungsprozess lässt einen intensiveren Realitätseindruck entstehen, als dies die unmittelbare Wahrnehmung realer Gegenstände erlauben würde. Durch Perspektivwechsel des Betrachters und den tages- und jahreszeitlich variierenden Lichteinfall ergibt sich zudem eine Vielfalt möglicher Erscheinungen auf der Fassade. Sie verleihen dem Bauwerk poetische Qualität – Geschichten können entdeckt, artifizielle Landschaften erkundet werden.
Die Fassadengestaltung impliziert jedoch nicht nur eine Referenz an den Standort und die Produktmaterialität des Unternehmens, sondern verweist auch auf einen wesentlichen Grundsatz der Markenphilosophie von Leonardo: modernes, inspirierendes Design, das Menschen begeistert und ihnen ermöglicht, ihre Umwelt immer wieder neu wahrzunehmen und neu zu gestalten.

Der Entwurf von 3deluxe graphics führt durch das Verschmelzen von Mittelformataufnahmen der Größe 6 x 7 cm mit Computervisualisierungen des Innenraums zwei ästhetisch und handwerklich völlig unterschiedliche Medien zusammen: digital erzeugte Pixelbilder und analoge Fotografie.
Das Resultat – ein pixelgenaues Artwork in der Abmessung von 6 x 96 m und einer Auflösung von 100 dpi (was eine enorme Datenmenge bedeutet) – wurde in 48 Segmenten auf PVB-Folien gedruckt, die man im Scheibenzwischenraum auf die Rückseite der Glasscheiben laminierte. Eine weitere Besonderheit liegt in der Durchsichtigkeit des vollflächigen Drucks in beide Richtungen, welche die konventionelle Methode der Punktrasterung überflüssig macht. Die zurzeit nur in den USA verfügbare Technologie wurde in diesen Dimensionen erstmalig umgesetzt.

Die bauliche Struktur des Leonardo Glass Cube besteht hauptsächlich aus zwei formal kontrastierenden Elementen: einem geometrisch stringenten, quaderförmigen Hüllvolumen und einer mittig in den Innenraum eingestellten Freiform. Diese wellenförmig geschwungene, weiße Wandfläche umschließt einen introvertierten Ausstellungsbereich und begrenzt auf ihrer anderen Seite einen extrovertierten Umgang entlang der Glasfassade. Mit dieser „Raum im Raum“-Situation wird den Nutzungsanforderungen einer kunstlichtilluminierten Produktpräsentation genauso entsprochen wie den hohen Ansprüchen an die Aufenthaltsqualität des Gebäudes. Der tageslichtdurchflutete Umgang soll flexibel für informelle Meetings und Veranstaltungen genutzt werden sowie der temporären Rekreation dienen. Er ist daher vorwiegend mit maßgefertigtem Loungemobiliar eingerichtet.

Drei skulpturale, weiße Strukturen – so genannte ‚Genetics‛ – erstrecken sich zum Teil durch Öffnungen in der gewellten Wand und verknüpfen die separaten Gebäudezonen wieder miteinander. Die organische Formgebung der Objekte erforderte eine aufwändige Bauweise: Ihre Oberflächen setzen sich jeweils aus zwei tiefgezogenen Halbschalen aus Acrylwerkstoff zusammen, für deren Produktion zunächst Modelle in Originalgröße erzeugt werden mussten. Die Unterkonstruktion besteht aus einem Stahlgestänge, das von einer Holzskelettkonstruktion ummantelt wird. Eine der ‚Genetics‛ markiert den Zugang zum Empfang, der von der Fassade zurückgesetzt innerhalb der Freiform liegt.

Die vertikale Wegeführung durch das zweigeschossige Bauwerk verläuft grundsätzlich entlang der fließend geformten Raumbegrenzung, in ihrem Zentrum sind Ober- und Untergeschoss durch einen von Stegen durchkreuzten Luftraum miteinander verbunden. Bei Betreten des Glass Cube durch den ebenerdig situierten Haupteingang eröffnet sich der Raum dem Betrachter somit nicht nur in horizontaler Ebene, sondern ebenfalls nach oben und unten. Die Brücke im Erdgeschoss bietet einen großzügigen Ausblick auf die eine Etage tiefer gelegene Hauptausstellungsfläche und eine erste Orientierungsmöglichkeit im räumlichen Gesamtgefüge. In beiden Geschossen bildet das Wandkontinuum durch Einrollung Nischen aus, die mit Sondernutzungen wie zum Beispiel thematischen Produktinszenierungen oder einer Meeting-Lounge belegt sind.

Die Konstruktion der frei geformten Innenwand stellt eine Innovation im Trockenbau dar: Da sich die Gipskartonplatten der äußeren Verkleidung nur eindimensional biegen lassen, experimentierte man mit komplexen Verschneidungsformen gegenseitig gekrümmter Platten. Das daraus resultierende Fugenbild tritt besonders bei den Wandausschnitten als markantes grafisches Gestaltungselement in den Vordergrund. Um die exakte bauliche Umsetzung des dreidimensionalen Computermodells zu gewährleisten, wurden die Wandabwicklungen mit einem dichten Raster aus Maßpunkten versehen. Auf ihrer der Fassade zugewandten Seite wird die Materialität der weißen Oberfläche durch eine vorgehängte Schicht aus Gaze optisch aufgelöst. In der feinen Gewebestruktur des transluzenten Stoffes entstehen durch das einfallende Tageslicht irisierende Moiree-Effekte, die sich wiederum in die Glasfassade zurückspiegeln.

Da sich die geschwungene Linienführung der Wand- und Bodenflächen in der Abhangdecke als ein System von Lüftungsfugen fortsetzt, erforderte diese ebenfalls äußerste Genauigkeit in Planung und Ausführung. Sämtliche der rund 250 an die Fugen angrenzenden Gipskartonplatten wurden CNC-gefräst, durchnummeriert und anhand eines Verlegeplans sowie exakter Einmesspunkte montiert, die Zwischenräume sodann mit rechteckigen Standardformaten aufgefüllt.

Um einen möglichst unverstellten Ausblick in den Außenraum zu ermöglichen, ist die Glasfassade auf einer Breite von 36 Metern pfostenfrei konstruiert. In den Fugen der sechs Meter hohen, rahmenlosen VSG-Scheiben sind dünne Stahlseile zwischen Boden und Decke verspannt, Tellerfedern gleichen durch Winddruck entstehende Verformungen aus. Auch an den Gebäudeecken konnte auf vertikale Stützprofile verzichtet werden (Fassadenplanung: Schlaich Bergermann und Partner).

Auf der Glasfassade taucht das gestalterische Motiv der ‚Genetics‛ erneut in Form vorgeblendeter Lisenen auf, die wie ein zweidimensionaler Scherenschnitt der im Innenraum vorkommenden Volumenkörper wirken. Ihre Verästelungen finden Fortsetzung in einem Wegenetz aus weißem Beton, das den gesamten Baukörper umgibt und ihn mit seinem Standort verwachsen lässt. Für jedes der 187, etwa acht Quadratmeter großen Elemente wurde eine individuelle, CNC-gefräste Gussform gefertigt. Die Bereiche zwischen den Wegen wurden entweder als Rasenflächen angelegt oder zur Belichtung des Untergeschosses abgeböscht.

Mit ihrer richtungweisenden Corporate Architecture präsentiert sich die Marke Leonardo erneut gemäß ihres Claims „inspiration for modern living“: visionär.