Die Wiege des Porzellans

Zurück zu den Wurzeln - einen Monat verbrachte Laura Straßer in der Geburts- stadt des Porzellans Jingdezhen in China, um ihre neuen Entwürfe mit ortsansässigen Werkstätten und Handwerkern zu entwickeln.


Die Wiege des Porzellans ist in China. Über Jahrhunderte wurden hier die traditionellen Techniken der Porzellanherstellung entwickelt und die Verarbeitung perfektioniert. Laura Straßer ist Produktdesignerin aus Deutschland und beschäftigt sich seit langem mit dem Werkstoff Porzellan. Sie entwickelt ihre Entwürfe häufig ausgehend von einer Technik oder Materialeigenschaft. China und seine wichtige Rolle in der Porzellangeschichte faszinieren Laura Straßer. So nahmen schon einige ihrer Arbeiten die chinesische Por- zellangeschichte und traditionelle Techniken in den Fokus und waren Basis für die Entwicklung neuer Entwürfe.

Nun hatte sie im Rahmen eines einmonatigen Aufenthaltes die Möglichkeit mit den ortsansässigen Spezialisten an neuen Entwürfen zu arbeiten. Laura Straßer möchte vor allem von China lernen, mehr über das Porzellanhandwerk erfahren, neue Dinge aufspüren und dabei mit den Menschen vor Ort zusammenarbeiten. Der kulturelle Austausch ist ihr dabei besonders wichtig, denn sie möchte bereit sein für das China der Zukunft. Seit einem Jahr arbeitet Straßer bereits mit JIA Inc. zusammen, einer preisgekrönten Designfirma aus Hongkong, die mit ihren Kollektionen geschickt Tradition und modernes Design verbindet. Diese Kooperation hat ihr Interesse für die chinesische Kultur noch mehr verstärkt. Die Firma hat Laura Straßers Porzellanservice „Cobalt Mosaic“ und „Rice“ auf der diesjährigen Messe Ambiente in Frankfurt vorgestellt. Beide Porzellanservice verweisen mit einer Neuinterpretation von Blaudekoren und traditionellem Reiskornmuster eindeutig auf die asiatischen Vorbilder.

In Jingdezhen lernt Laura Straßer eine dicht bevölkerte Stadt kennen, in der sich fast alles um Porzellan dreht. Die kleinen Werkstätten sind hochspezialisiert und fertigen mit größtem Fleiß und hoher Geschwindigkeit. Für jeden Produktionsschritt in der Porzellanherstellung gibt es hier einen Spezialisten. Anders als im heimischen Thüringen, wo sie bei neuen Entwürfen fast jeden Schritt selbst durchführt, übernimmt Straßer in diesem Prozess in China eine neue Rolle. Hier ist sie Begleiter des Prozesses und darf den Profis über die Schulter schauen.

Mit ihren Skizzen geht sie von Werkstatt zu Werkstatt und sucht den passenden Porzellan Handwerker. Die Basis ihre Entwürfe sind die traditionelle Porzellantechniken. Das erleichtert die Kommunikation, so die Designerin: „Ich finde es wichtig, das Können und Wissen der Handwerker zu berücksichtigen. Ich möchte das Umfeld in meinen Entwurf mit einfließen lassen.“ Gern wäre sie der chinesischen Sprache mächtig, doch hilft in der Kommunikation bereits ein Entwurf, der die Expertise der Porzellanmodelleure und -dekormaler sowie ihre kulturelle Prägung mit berücksichtigt. So kann ein Entwurf mit viel mehr Verständnis angefertigt werden.

In Jingdezhen lässt Laura Straßer den Prototypen für die Pendelleuchte „Lampion“ fertigen. Die traditionelle Relieftechnik, die den oberen Teil verziert, erzeugt einen spannenden visuellen Effekt, der erst beim Einschalten der Leuchte sichtbar wird. Das ist vor allem dem hauchdünnen, hochweißen Porzellan zu verdanken, aus dem das Leuchten-Duo besteht. Seit Jahrhunderten wird in China Porzellanware mit fast eierschalendünner Wandung produziert. Die besondere Mischung der Porzellanerde macht es möglich, dass die Scherben den Brand überstehen ohne dabei zu brechen.
Die Werkstatt, die Laura Straßer bei der Herstellung des Leuchten-Duos unterstützt, ist spezialisiert auf hauchdünnes Eierschalen-Porzellan. Jedes Teil entsteht hier mit großer Sorgfalt.

So ist auch ihre neue Edition von Vasen für Ilmgold in traditioneller Herstellung in Jingdezhen entstanden. Die Vasen werden nicht gegossen, sondern getöpfert. Dabei wird jede Vase ein kleines Unikat, denn minimale Größenunterschiede und Formunterschiede sind dem Prozess immanent. Doch genau dieser Umstand fasziniert Straßer: „Als ich hier ankam, ist mir direkt aufgefallen durch wie viele Hände das Porzellan vom ersten Schritt bis zum fertigen Produkt geht. Auch wenn alle Beteiligten im Prozess um Perfektion bemüht sind, so bekommt das Objekt durch jeden neuen Handgriff einen eigenen Schliff, die Geschichte einverleibt. Das möchte ich nicht verstecken, sondern zeigen.“ Die Form der neuen Vasen ist inspiriert von einem antiken Vorbild aus der Yuan Dynastie (1271-1368) und mit kobaltblauen Dekoren verziert. Die Ilmgoldtypischen schrägen Dekore werden radiert und dann auf hauchdünnes Papier gedruckt. Mittels des Trägerpapiers werden die Unterglasur Dekore auf den Porzellanscherben aufgebracht. Das Blaue Dekor verschmilzt im Brand mit der Glasur und erhält so seine unverwechselbare Ästhetik, wie sie auf alter chinesischer Porzellanware zu finden ist - eine Besonderheit, die das Herz der Designerin höher schlagen lässt: „Es ist eine ideale Mischung zwischen Dekormalerei von Hand und einem Serienprodukt. Diese Technik ist in Europa selten geworden.“ Das für Ilmgold untypische Blaudekor ist dem chinesischen Vorbild gewidmet. Die Dekore sind „Ilmgold chinois“. Vor Straßers Augen entsteht binnen weniger Tage ein handgefertigte Serienprodukt.

Jingdezhen befindet sich im Aufbruch und der Wohlstand in der Region wächst. In den Hinterhöfen der kleinen Werkstätten mit unverputzten Wänden und offen verlegten Kabeln stehen teure Autos. Die Kundschaft kommt ebenfalls in teuren Autos vorgefahren und stöckelt nicht selten mit Stilettos geschickt über die noch ungepflasterten Matschwege zu den Werkstätten und kleinen Verkaufsläden. Überall wird kräftig gebaut. In der Stadt stößt Laura Straßer auch auf riesige Baustellen für Neubausiedlungen. Die junge Deutsche möchte noch mehr von der schnellen Veränderung, die dieses Land aktuell prägen, erleben und plant bereits ihren nächsten Besuch in China.

Hintergrundinformation: Porzellan aus Jindezhen
Jingdezhen hat eine lange Geschichte. Die Stadt ist mit vielen Flüssen verbunden. Deshalb findet sich Jingdezhen Porzellan in allen Provinzen Chinas. Das handgefertigte Porzellan wird aus Porzellan-Steinen und Porzellanerde hergestellt. Kaolin findet sich in den umliegenden Bergen von Jingdezhen, welches zu gleichen Anteilen gemischt seit dem frühen 18. Jahrhundert die bekannte Eigenschaft des dauerhaft strahlend weißen Porzellans bestimmt. Doch schon während der Yuan Dynastie (1271-1368) haben Dekormaler in ortsansässige Werkstätten den unverkennbaren weissblauen Stil perfektioniert. Er entsteht wenn Muster mit kobaltblauen Pigmenten auf die ungebackene Form gemalt und dann mit einer undurchsichtigen Politur bemalt im Brennofen bei hoher Temperatur gebrannt werden. Die besondere Mischung der Politur und das Kobalt-Oxyd sind das Geheimnis. Das Porzellan aus Jingdezhen wurde im Laufe der Jahrhunderte weiter perfektioniert und mit immer neuen Varianten verfeinert.

Studio Laura Strasser