Reproduktion der Reproduktion der Reproduktion...

In einer kurzen Zeit nach der Gründung der Meißner Manufaktur kopierten die Meißner Modelleure chinesische Vorlagen, indem sie Negativformen von ihnen abnahmen oder sie 1:1 nachmodellierten. Die Repliken, die so entstanden, sind von den chinesischen Originalen fast nicht zu unterscheiden bis auf einen Unterschied: sie sind kleiner. Denn Porzellan schrumpft im Brand. Die Kopie entlarvt sich selbst durch eine dem Material immanente Eigenschaft. Es sind nur wenige Stücke aus den Anfängen der Meißner Porzellanmanufaktur, die diesen »Schönheitsfehler« haben. Sie zeugen in meinen Augen auf poetische Weise von den Tücken der Reproduktionstechnik. Diese Stücke aus der Frühzeit der Meißner Manufaktur waren Ausgang und Inspiration für den Entwurf »14%«. Entstanden ist eine Deckenleuchte mit 9 Lampenschirmen aus Porzellan. Die Porzellanschirme entstanden durch eine fünfmal wiederholte Reproduktion. Jeder Lampenhaube ist eine Reproduktion der ihr vorangegangen Haube, welche selbst eine Reproduktion der ihr vorangegangenen Haube ist. In dieser Reihe werden die Hauben um immer 14% kleiner.

Immer wieder weiche 14%...

Für die Erstellung der immer kleiner werdenden Schirme wurde eine Materialeigenschaft von Porzellan bewusst eingesetzt: Im Glasurbrand bei 1400° verschmilzt der Porzellanscherben zu weißem und sehr hartem Porzellan. Dabei schrumpft das Porzellan um 14%. Durch die Glasur verliert das Porzellan sanft an Kontur und bekommt eine „weichgewaschene“ Oberfl äche. Zudem kann sich der im Brand weiche Porzellanscherben verziehen. Diese Eigenschaft ist für die Porzellanindustrie unerfreulich, da sie zu einem hohen Ausschuss von Porzellanen gerade bei komplizierten Formen führen kann.
Bei der Deckenleuchte 14% ist jeder Schirm ein Abguss des voran gegangenen größeren Schirms und war selbst Abgussvorlage für den nächst kleineren Schirm. Abgesehen von den 14% die jeder Schirm kleiner ist als sein Vorgänger, verstärkt sich mit jeder Reproduktion der Verlust der Kontur und das Verziehen der Form. So ist der erste und somit größte Lampenschirm noch scharf und exakt. Der fünfte Abguss wirkt hingegen weich gewaschen und konturlos.

Von der Materialcharakteristik des Porzellans profitiert die Leuchte 14%. Die sonst ungeliebte Eigenschaft des Porzellans im Brand, das Verziehen und Verformen, wurde bei 14% herausgefordert und erzeugt bei der Leuchte eine spannende fast organisch anmutende Veränderung in der Form der Porzellanschirme. Die 9 Schirme entstanden mittels Reproduktion. Vom Muttermodell wurde eine Gipsform erstellt. Mit ihr wurde ein Porzellanscherben gegossen und anschließend gebrannt. Von dem gebrannten Scherben wurde eine Gipsform erstellt, ein Porzellanscherben gegossen und gebrannt… 5-mal in Folge wurde dieser Prozess durchlaufen. Ab der 2. Reproduktion wurden je zwei Abgüsse von einer Gipsform genommen. Denn auch mehrere Abgüsse einer Form sind unterschiedlich. Die »Geschwister« ähneln sich nicht absolut. 14% ist eine Leuchte voller Kopien und Originale. Der Unterschied ist fl ießend.